Die "Identitäre Bewegung" hat vor einer Anwaltskanzlei symbolische Gräber und Holzkreuze aufgestellt und sie für das Attentat in Solingen mitverantwortlich gemacht. Rechtliche Schritte wurden nun eingeleitet. Auch der Staatsschutz ermittelt.
Am vergangenen Samstagvormittag versammelten sich etliche Demonstrierende vor der Dresdner Anwaltskanzlei, deren Anwältin den Solinger Attentäter vertrat. Neben dem Gebäude errichteten sie symbolische Gräber mit Holzkreuzen und stellten dazu Plakate auf, wie die Polizeidirektion Dresden nun in einer offiziellen Mitteilung bekanntgab. Laut Polizei warfen die aufgestellten Plakate der Anwältin vor, eine Mitschuld am Tod der drei Opfer des Anschlags in Solingen zu tragen. Der Staatsschutz ermittelt jetzt.
Hintergrund der Proteste ist der mutmaßlich islamistische Anschlag in Solingen, bei dem vorletzte Woche drei Menschen mit einem Messer getötet und acht weitere verletzt wurden. Als mutmaßlicher Täter gilt der 26-jährige Syrer Issa Al H., der sich derzeit in Untersuchungshaft in Düsseldorf befindet.
"Identitäre Bewegung" bekennt sich zur Aktion
Über ihren Telegram-Kanal bekannte sich die "Identitäre Bewegung" zu der Aktion, wie die Polizei weiter erklärte. Unter den Verdächtigen befindet sich auch ein 25-jähriger Mann aus Chemnitz, der laut Polizei Sachsen eine Gefährderansprache erhielt. Auf LTO-Anfrage bestätigte ein Polizeisprecher, dass ein Amtsermittlungsverfahren eingeleitet worden sei. Wegen welcher Straftatbestände genau sei noch unklar.
Seitdem das von Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt geleitete Medium Nius den Namen der Dresdner Anwältin veröffentlicht hatte, fand vor der Kanzlei der Asylrechtlerin nicht nur eine rechtsexttreme Kundgebung statt, die Anwältin erhielt auch diverse bedrohliche Zuschriften. “Die massive Bedrohungslage hat zur Folge, dass Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssen, um den Kanzleibetrieb weiter sicherzustellen”, so die Anwältin gegenüber LTO. Vor der Rechtsanwaltskanzlei werden seither verstärkt Streifenwagen eingesetzt, wie die Polizeidirektion Dresden bestätigte.
Die Einschüchterungsversuche und Bedrohungen haben nicht nur die Sicherheitsvorkehrungen der Kanzlei verstärkt, sondern auch eine persönliche Belastung für die Anwältin mit sich gebracht. Trotz der massiven Bedrohungslage zeigt sie sich jedoch entschlossen, ihre Arbeit als Anwältin fortzusetzen. Kalt lassen sie die Bedrohungen allerdings nicht. “Selbstverständlich prallen die Bedrohungen nicht spurlos an mir ab. Sie werden mich aber nicht davon abhalten, weiterhin als Anwältin tätig zu sein”, erklärte die Juristin gegenüber LTO.
DAV und BRAK solidarisieren sich mit Anwältin
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) wie auch die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hatten in den vergangenen Tagen die Angriffe auf die Anwältin und die Berichterstattung u.a. von Nius scharf kritisiert.
DAV-Präsidentin Dr. h.c. Edith Kindermann erklärte: "Angriffe auf Anwältinnen und Anwälte, die sich ihrer beruflichen Pflicht widmen, sind nicht hinnehmbar. Die Verteidigung des Rechtsstaats ist kein Verbrechen." Es sei unverständlich und gefährlich, Anwältinnen und Anwälten vorzuhalten, dass sie ihre Mandanten im Rahmen des geltenden Rechts verteidigen. Die Tatsache, dass eine Anwältin angegriffen werde, weil sie erfolgreich die Rechte ihrer Mandanten durchsetzt, zeige ein mangelndes Verständnis für die Prinzipien des Rechtsstaats.
BRAK-Präsident Dr. Ulrich Wessels verwies darauf, dass es das verbriefte Recht jedes Asylbewerbers sei, sich in seiner Rechtsangelegenheit anwaltlicher Hilfe zu bedienen. Dies gehöre zum Kern unseres Rechtsstaats. "Die Kollegin hat nicht mehr, aber auch nicht weniger getan, als ihre berufliche Pflicht zu erfüllen", betont Wessels. Es sei falsch und hochgradig unethisch, die Aufgabe, die eine Anwältin als Organ der Rechtspflege wahrgenommen habe, zu einem Akt der Beteiligung hochzustilisieren.
Rechtliche Schritte eingeleitet
Die betroffene Dresdner Anwältin freut sich über derartige Solidaritätsbekundungen ihrer Kollegen. Gegenüber LTO stellte sie aber auch klar: “Die Angriffe auf mich sind Angriffe auf die Anwaltschaft und den Rechtsstaat im Gesamten. Dies dürfen und werden wir nicht dulden. Die schnellen und eindeutigen Reaktionen der Anwaltsvereine aber auch der Bundesrechtsanwaltskammer zeigt, dass die Anwaltschaft zusammensteht. Wir leisten als Organe der Rechtspflege unseren Beitrag zum Rechtsstaat.”
In engem Kontakt steht die Frau nun mit den Strafverfolgsbehörden. Aktuell leite sie außerdem sowohl zivil- als auch strafrechtliche Schritte ein. Eine Kontaktaufnahme durch das sächsische Justizministerium oder das Bundesjustizministerium sei bisher noch nicht erfolgt, sagt sie.
"Identitäre" feinden Anwältin des Solingen-Attentäters an: . In: Legal Tribune Online, 05.09.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55345 (abgerufen am: 08.10.2024 )
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