Bundesjustizminister Marco Buschmann wollte von den Anwälten per Umfrage wissen, ob sie für eine Lockerung des Verbots von reinen Kapitalbeteiligungen an Anwaltskanzleien sind. Ergebnis: Die Mehrheit lehnt diese ab.
Rückschlag für diejenigen, die auf eine Liberalisierung des anwaltlichen Berufsrechts gehofft hatten: Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) veröffentlichte am Donnerstag das Ergebnis einer Umfrage zum geltenden Fremdbesitzverbot für Anwaltskanzleien. Mehr als 7.000 Anwältinnen und Anwälte machten mit, die Mehrheit zeigte sich gegenüber der Beteiligung von externen Kapitalgebern skeptisch. Fast 63 Prozent sprachen sich sogar explizit gegen eine Lockerung des Verbotes aus. Sie befürchten vor allem eine sachfremde Einflussnahme zu Lasten der anwaltlichen Unabhängigkeit.
Der Hintergrund: Anwältinnen und Anwälten ist es derzeit in Deutschland nicht möglich, reine Kapitalgeber als Gesellschafter in ihre Kanzlei zu holen. Sowohl die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) als auch die Patentanwaltsordnung (PAO) erlauben nur eine gemeinsame Berufsausübung mit bestimmten, abschließend festgelegten Berufsgruppen. Und die gemeinsame Berufsausübung setzt voraus, dass alle Gesellschafter ihren Beruf aktiv ausüben. Eine reine Kapitalbeteiligung ohne Berufsausübung (Fremdbesitz) ist ausgeschlossen.
Um abzuklären, ob es in der anwaltlichen Praxis ein Bedürfnis gibt, diese Regeln zu ändern, hatte das BMJ mit technischer Unterstützung der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) im Oktober eine Umfrage gestartet und den Bedarf für eine Liberalisierung abgefragt. Im Rahmen der Umfrage hatten in den letzten Monaten alle Anwältinnen und Anwälte die Möglichkeit, sich zu diesem Thema zu äußern und Ideen einzubringen.
Weniger als zehn Prozent pro Lockerung
Per Pressemitteilung informierte das Ministerium nun am Donnerstag über die Ergebnisse der Umfrage: Insgesamt hätten 7.598 Personen aus allen Bundesländern an der Umfrage teilgenommen (93,5 Prozent Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie 6,6 Prozent Patentanwältinnen und Patentanwälte). 7.084 Personen hätten die Umfrage vollständig beantwortet. Eine erste Auswertung der Umfrage zeige, dass die Mehrheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gegenüber der Beteiligung von externen Kapitalgebern skeptisch seien. 62,6 Prozent der Teilnehmenden sprachen sich gegen eine Lockerung aus.
Stimmen, die sich für eine Öffnung aussprachen, befinden sich nach den Ergebnissen der Umfrage deutlich in der Minderheit: So würden nur 6,8 Prozent eine Lockerung zum Erhalt der (internationalen) Wettbewerbsfähigkeit als Chance begrüßen, 7,2 Prozent halten sie sogar für erforderlich. Am größten sei die Ablehnung einer Lockerung des Fremdbesitzverbotes bei Einzelanwältinnen und -anwälten, die mit 57,8 Prozent den größten Teilnehmerkreis ausmachen, informierte das BMJ.
Einer Lockerung offener gegenüber stünden Partnerinnen und Partner und angestellte Anwältinnen und Anwälte von mittleren und großen Kanzleien, für die das Thema von größerer praktischer Relevanz sei. "Von den Einzelanwälte und Einzelanwältinnen, die an der Umfrage teilgenommen haben, lehnen 64,8 Prozent eine Lockerung des Fremdbesitzverbots ab, von den Partnerinnen und Partnern in einer Kanzlei mit mehr als 20 Anwälten hingegen nur 53 Prozent", so das BMJ.
Entscheidung des EuGH steht noch aus
Neuen Schwung bekommen hatte die Diskussion um eine Lockerung zuletzt nach einer Entscheidung des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs (AGH, Beschl. v. 20.4.2023, Az. BayAGH III-4-20/21). Der AGH äußerte erhebliche Bedenken, ob das deutsche Fremdkapitalverbot europarechtlich mit der Freiheit des Kapitalverkehrs sowie der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit in Einklang steht. Die Münchner Richter legten daraufhin dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die entsprechenden Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vor. Wann der EuGH entscheidet, steht noch nicht fest.
Auch hatten Äußerungen von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) zuletzt Gerüchte genährt, das BMJ plane eine Lockerung des Fremdbesitzverbotes. So verwies Buschmann auf dem Anwaltstag des Deutschen Anwaltvereins (DAV) auf die Entscheidung des AGH. Diese gebe "Anlass", sich mit Fragen der Finanzierung von Anwaltskanzleien näher zu beschäftigen. Einige Tage später wurde er nach Meinung von Teilnehmern auf einer anderen Veranstaltung konkreter: Die Überprüfung des Fremdbesitzverbotes für Rechtsanwaltskanzleien befinde sich "auf der To-do-Liste seines Hauses". Teilnehmer der Veranstaltung interpretierten auch weitere Äußerungen Buschmanns so, dass eine Liberalisierung des Fremdbesitzverbotes nur noch eine Frage der Zeit sei.
Das Thema Fremdbesitzverbot bei Anwaltskanzleien beschäftigt die Anwaltschaft seit Jahren. Mit der großen Reform der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) zum 1. August 2022 hatte es bereits eine gewisse Liberalisierung gegeben. Seither dürfen sich Rechtsanwälte mit Angehörigen anderer freier Berufe zusammenschließen. Kapitaleigner mit rein finanziellen Interessen, ohne eigene aktive Mitarbeit also, und solche, die schlicht Unternehmer sind, ohne einem freien Beruf anzugehören, sind weiterhin ausgeschlossen. Kritiker halten dieses strikte Verbot für überholt, da es die Anwaltschaft im Wettbewerb mit Legal-Tech-Unternehmen benachteilige. Diese dürfen sich für ihre Geschäftsmodelle Kapital von außen beschaffen.
Nach dem Ergebissen der Umfrage dürfte im BMJ nun jedoch die Bereitschaft gesunken sein, eine Liberalisierung zeitnah anzupacken. Allerdings ist es nicht ausgeschlossen, dass der EuGH Marco Buschmann alsbald zum Handeln zwingt.
Umfrage zum anwaltlichen Fremdbesitzverbot: . In: Legal Tribune Online, 21.12.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53477 (abgerufen am: 10.11.2024 )
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