E-Akte in Strafsachen: Was lange währt...

von Christopher Brosch und Peggy Fiebig

25.10.2017

2/2: Die neue Akteneinsicht

Die Einsichtnahme in elektronische Akten soll in sämtlichen von den Änderungen betroffenen Verfahrensordnungen künftig im Regelfall über ein von den Ländern bundesweit einzurichtendes Akteneinsichtsportal erfolgen. Dort soll der Inhalt der Akte bereitgestellt werden. Für Beweismittel gilt auch nach neuem Recht das Akteneinsichtsrecht nicht, sie können nach wie vor gemäß § 147 Abs. 1 StPO besichtigt werden.

Eine wichtige Änderung sieht die Neuregelung für unverteidigte Beschuldigte vor. Bisher galt, dass ihm auf seinen Antrag Auskünfte und Abschriften aus den Akten zu erteilen sind, soweit dies zu einer angemessenen Verteidigung erforderlich ist, der Untersuchungszweck nicht gefährdet werden kann und nicht überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter entgegenstehen.

Die wesentliche Rechtfertigung für diese Einschränkung, nämlich das Risiko, dass der Einsichtnehmende Manipulationen an der Akte vornehmen könnte, entfällt allerdings bei elektronischer Aktenführung. Deshalb erhält der unverteidigte Beschuldigte jetzt ein eigenes und unmittelbares Einsichtsrecht in die gesamte Akte. Die Beurteilung der Erforderlichkeit für eine angemessene Verteidigung soll künftig allein derjenigen Person obliegen, die sich verteidigt, heißt es in der Begründung zum Gesetzentwurf.

Auch Privatkläger und Verletzte können bislang nur durch einen Rechtsanwalt Einsicht in die Akten nehmen. Nach neuer Rechtslage bekommen auch sie ein eigenes Akteneinsichtsrecht – eine Schlechterstellung gegenüber dem Beschuldigten wäre, so die Gesetzesbegründung, nicht zu rechtfertigen.

Praktiker beklagen, dass detaillierter Regelungen für die Art und Weise der Akteneinsicht für den Angeklagten in Untersuchungshaft fehlten. Die Verwendung von Computern in den einzelnen Justizvollzugsanstalten sei stark unterschiedlich geregelt, etwa was die Mitnahme von Laptops durch Verteidiger angehe, heißt es beispielsweise in der Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer zum Gesetzentwurf. Strafverteidiger fordern deshalb, dass zumindest bundeseinheitlich festgelegt werden müsse, dass dem inhaftierten Beschuldigten die elektronische Akte durch technische Hilfsmittel zugänglich gemacht werden muss. Zu denken ist dabei beispielsweise an eine Art Terminallösung.

Besonderes Augenmerk auf Datenschutz

Laut der Entwurfsbegründung steht im Fokus des neuen Gesetzes besonders der Datenschutz. Die mit einer elektronischen Aktenführung einhergehende automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten ermögliche im Vergleich zur papierbasierten Aktenführung eine wesentlich einfachere und schnellere Durchsuchung, Filterung oder Verknüpfung von Daten, heißt es dort.

Um die damit verbundenen, gegenüber der herkömmlichen Papieraktenführung erheblich intensiveren Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verfassungskonform zu begrenzen, sind bereichsspezifische Regelungen zum Datenschutz vorgesehen. So wird beispielsweise die "Rasterfahndung", also die Suche nach bestimmten Namen, Schlagworten o. ä. über den gesamten Aktenbestand verboten. Nur einzelne vorher bestimmte Akten dürfen durchsucht werden.

Das neue Gesetz erlaubt eine Auftragsverarbeitung durch private IT-Dienstleister. Allerdings muss dabei sichergestellt werden, dass Zutritt und Zugang zu den Datenverarbeitungsanlagen, in denen die elektronischen Akten rechtsverbindlich gespeichert werden, tatsächlich und ausschließlich von einer öffentlichen Stelle kontrolliert werden. Außerdem verbietet § 497 Abs. 3 StPO-n.F. eine Pfändung von Einrichtungen, in denen eine nicht-öffentliche Stelle im Auftrag einer öffentlichen Stelle Daten verarbeitet. Das gilt beispielsweise im Fall der Insolvenz des Dienstleisters.  Eine Beschlagnahme solcher Einrichtungen ist nicht ausgeschlossen, setzt aber voraus, dass die öffentliche Stelle im Einzelfall eingewilligt hat.

Die flächendeckende verpflichtende Einführung der E-Akte in den meisten Verfahrensordnungen und damit auch im Strafrecht wird gemeinsam mit der schrittweisen Einführung der elektronischen Kommunikation die Abläufe in der Rechtspflege grundlegend verändern. So weitreichend der Justizalltag aber auch durch die Digitalisierung beeinflusst werden mag, die zugrundeliegenden Verfahrensprinzipen bleiben unangetastet. So zumindest die Absicht des Gesetzgebers.

Rechtsanwalt Christopher Brosch ist Referent bei der Bundesrechtsanwaltskammer und befasst sich hier mit der Umsetzung des elektronischen Rechtsverkehrs für Rechtsanwälte. Die Ausführungen geben ausschließlich seine persönliche Auffassung wieder.

Peggy Fiebig ist freie Journalistin in Berlin.

Zitiervorschlag

E-Akte in Strafsachen: Was lange währt... . In: Legal Tribune Online, 25.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25219/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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