Rund sechs Wochen vor der Bundestagswahl hat der Deutsche Anwaltverein (DAV) seine rechtspolitischen Forderungen für die kommende Legislatur vorgelegt. In "politisch unruhigen Zeiten" gehe es vor allem um den Erhalt des Rechtsstaats.
Das am Donnerstag in Berlin vorgestellte Eckpunktepapier beeinhaltet die aus Sicht der Anwaltschaft wichtigsten Forderungen an eine künftige Regierungskoalition. Es geht um die Sicherung der elementaren rechtsstaatlichen Rolle der Anwaltschaft, wie die Gewährleistung des Zugangs zum Recht, den Berufsgeheimnisträgerschutz, das anwaltliche Berufsrecht und die Vergütung.
Auch mahnt der DAV eindringlich die Wahrung von Bürger- und Freiheitsrechten an: "Der Erhalt des Rechtsstaats ist in politisch unruhigen Zeiten wie diesen von elementarer Bedeutung", erklärte DAV-Präsidentin Dr. Edith Kindermann.
Sicherung der anwaltlichen Berufsausübung
Zur Erfüllung der anwaltlichen Aufgaben sei das Bestehen eines Vertrauensverhältnisses zu den Mandanten unabdingbar. Das Berufsgeheimnis sei daher kein Privileg der Anwaltschaft, sondern eine Pflicht, die in erster Linie dem Schutz der Mandantschaft diene, so der DAV. Um die anwaltliche Berufsausübung umfassend zu sichern, müsse das Berufsgeheimnis der Anwaltschaft wirksam vor staatlicher Kontrolle geschützt werden. Hierzu bedürfe es eines einheitlichen Schutzes auf Bundes- und Landesebene. Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung beim Berufsgeheimnisträgerschutz lehnt der DAV ab, weil dies ein Einfallstor für staatliche Eingriffe bedeute.
Vehement setzt sich der DAV für den Erhalt von Sammelanderkonten ein. Diese sind für viele Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in der Praxis von großer Bedeutung, weil so auf ein und demselben Konto die Geldeingänge mehrerer Mandanten gleichzeitig geführt werden können. Allerdings stehen Sammelanderkonten für die Behörden unter pauschalem Geldwäscheverdacht, weswegen 2022 mehr als ein Fünftel der Banken Anwälten die Konten kündigten. Der DAV fordert daher schon länger von der Politik, eine Absicherung der Sammelanderkonten im anwaltlichen Berufsrecht zu verankern.
Generell wünscht sich der DAV eine regelmäßige Überprüfung seitens der Politik, ob das anwaltliche Berufsrecht noch den Anforderungen eines modernen anwaltlichen Berufsbildes entspricht.
Regelmäßige Anpassung der Rechtsanwaltsvergütung
Regelmäßig müssen aus Sicht des DAV natürlich auch die Rechtsanwaltsgebühren angepasst werden und zwar “mindestens” einmal in jeder Legislaturperiode. "Wir brauchen ein auskömmliches Einkommen, damit die Anwaltschaft ihre Aufgaben erfüllen kann", betonte Präsidentin Kindermann. Damit für die Mandanten der Zugang zum Recht jedoch nicht zu teuer wird, warnte Kindermann zugleich auch vor einer unverhältnismäßigen Erhöhung der Gerichtsgebühren. Hier sei Zurückhaltung angebracht, zumal Deutschland bereits die höchsten Gerichtskosten in Europa habe.
Dringenden Handlungsbedarf sieht der DAV bei der Digitalisierung der Justiz. Die Bundesregierung dürfe in ihren Bemühungen hier nicht nachlassen. So müssten die aus dem Digitalpakt zugesagten und bislang noch nicht abgerufenen Mittel auch in der nächsten Legislaturperiode zur Verfügung stehen. Bei der Digitalisierung sei die Anwaltschaft einseitig vorangegangen, sodass zu befürchten sei, dass die Justiz ihre selbst gesteckten Ziele nicht erreichen wird. Als Beispiel für offene Baustellen nennt Kindermann unüberlegte Einschränkungen, wie etwa die Ausnahme der Finanzverwaltung vom elektronischen Rechtsverkehr mit Anwälten (beA).
“Aktiver Schutz von Freiheitsrechten oberstes Gebot”
Von der künftigen Bundesregierung erwartet der DAV, dass sie die Freiheitsrechte mit den Sicherheitsrechten sorgsam auszutariert. “Sowohl auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene.” Bei Überwachungsinitiativen wie etwa dem Sicherheitspaket in Deutschland oder einer Neuauflage der europäischen Vorratsdatenspeicherung drohten unzulässige Grundrechtseingriffe, die bereits auf Ebene der Gesetzgebung verhindert und nicht erst durch deutsche und europäische Gerichte behoben werden sollten.
"Der aktive Schutz der Freiheitsrechte muss für die künftige Bundesregierung oberstes Gebot sein. Sie und der neu gewählte Bundestag dürfen sich nicht darauf verlassen, dass Gesetze später von den Verfassungsgerichten auf ein Niveau zurechtgestutzt werden, das mit dem Grundgesetz und der EMRK gerade noch vereinbar ist", heißt es im DAV-Papier.
Bestandteil der Gesetzgebung im Bereich der Inneren Sicherheit müsse die Durchführung bzw. Fortsetzung der von der Ampel initiierten Überwachungsgesamtrechnung sein. “Einzelne Maßnahmen erscheinen vielleicht sinnvoll. In der Summe können sie aber eine unerträgliche Überwachung unbescholtener Bürgerinnen und Bürger darstellen“, so Kindermann. Dies betreffe die Bereiche für anlasslose Datenspeicherung, der Chatkontrolle oder biometrischer Überwachungssysteme. Es sei daher notwendig, ”immer die Verhältnismäßigkeit der einzelnen Maßnahmen zu prüfen".
"Wir brauchen Resilienz 2.0"
Nicht zufrieden gibt sich der DAV mit der noch Ende Dezember beschlossenen Stärkung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Es gebe auch weiterhin "wichtige Aufgaben innerhalb der Rechtsstaatlichkeit”. Zwar sei es gelungen, das BVerfG vor Sperrminoritäten und politisch motivierten Übergriffen des Gesetzgebers zu schützen. Dies stelle alledings nur einen Schritt dar, erklärte Kindermann.
Sinnvoll bleibe etwa die Einführung einer Zustimmungspflicht des Bundesrates für künftige Änderungen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Außerdem müsse die Verwaltungsgerichtsordnung geändert werden, damit Entscheidungen der Verwaltungsgerichte gegenüber Behörden auch effektiv durchsetzbar seien. Und schließlich seien auch die Länder gefragt, ihre Landesverfassungsgerichte resilient auszugestalten."Wir brauchen Resilienz 2.0", so Kindermann.
Das vollständige Eckpunktepapier kann auf der DAV-Homepage abgerufen werden.
eh/hs/LTO-Redaktion
DAV präsentiert Eckpunkte zur Bundestagswahl: . In: Legal Tribune Online, 09.01.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56288 (abgerufen am: 18.01.2025 )
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