Trotz Anhebung der Streitwertgrenze auf 10.000 Euro: Anwalt­ve­rein will am Anwalts­zwang ab über 5.000 Euro fest­halten

29.10.2025

Das Bundesjustizministerium möchte kleine Amtsgerichte erhalten und dafür die Streitwertgrenze anheben. Gehen den Anwälten so Mandate durch die Lappen? Der DAV ist dafür, Anwaltszwang und Zuständigkeitsstreitwert voneinander zu entkoppeln.

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) fordert, für den Anwaltszwang gemäß § 78 Zivilprozessordnung (ZPO) weiterhin an der bisherigen Grenze von 5.000 Euro festzuhalten, auch wenn das Bundesjustizministerium (BMJV) plant, den Zuständigkeitsstreitwert für die Amtsgerichte von 5.000 auf 10.000 Euro zu erhöhen. Dies sei im Sinne des Verbraucherschutzes und der Effizienz gerichtlicher Verfahren nötig, so der DAV.

Schon länger wird die Anhebung des Zuständigkeitsstreitwertes gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) diskutiert. Danach sind Amtsgerichte in der Regel nur für Fälle bis zu einem bestimmten Betrag zuständig. Noch zu Zeiten der Ampel-Koalition waren statt der bisher geltenden 5.000-Euro-Grenze einmal 8.000 Euro als Maximalwert angedacht. Mittlerweile plant das BMJV aber eine Anhebung auf 10.000 Euro. Ein entsprechender Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt bereits vor und wird im Bundestag beraten.

Hintergrund der geplanten Änderung sind sinkende Eingangszahlen an den Amtsgerichten, vor allem solchen in Flächengebieten der Bundesrepublik. Eine entsprechende Studie des BMJV mit diesen Zahlen liegt bereits seit 2023 vor. Durch die Anhebung sollen weiterhin ein leichter Zugang zur Justiz gewährleistet und insbesondere kleinere Amtsgerichte gestärkt werden, denen ansonsten möglicherweise die Schließung droht, wenn die Eingangszahlen noch weiter zurückgingen.

Große Bedeutung hat der Zuständigkeitsstreitwert auch für den Anwaltszwang gemäß § 78 ZPO. Denn unterhalb der Streitwertgrenze brauchen Bürger vor den Amtsgerichten nicht zwingend anwaltlichen Beistand. Der Entwurf des BMJV geht insoweit davon aus, dass durch die Zuständigkeitsverschiebung etwa 4.500 Fälle anwaltlicher Vertretung wegfallen könnten – mehrere Millionen Euro Rechtsanwaltsgebühren, die den Berufsträgern so durch die Lappen gehen, inklusive.

DAV befürchtet Überforderung juristischer Laien

Der DAV nimmt nun grundsätzlich Stellung zu dem Vorhaben. Am Mittwoch ließ er verlauten, der Anhebung auf 10.000 Euro nicht prinzipiell entgegenzustehen. "Doch ohne zwingende anwaltliche Vertretung bereits in Verfahren ab über 5.000 Euro wird den Parteien fälschlicherweise suggeriert, dass es sich um einfache Verfahren handele. Dies gefährdet auch das Kräftegleichgewicht zwischen Parteien untereinander und die Effizienz der Gerichtsverfahren", sagt DAV-Präsident und Rechtsanwalt Stefan von Raumer. 

Mit seinem aktuellen Vorhaben suggeriere der Gesetzgeber den Bürgern, sie bräuchten keinen anwaltlichen Beistand in Fällen bis 10.000 Euro Streitwert. Dabei könne dies in Wahrheit zu deren Nachteil werden: "In Zeiten von Google, ChatGPT und dergleichen erscheint Fachwissen viel greifbarer, als es wirklich ist. Juristische Laien überschätzen sich mitunter gewaltig", heißt es dazu deutlich in der Erklärung des DAV.

Der Anwaltverein fordere deshalb im Wege der geplanten Änderung auch eine Anpassung von § 78 ZPO, wobei Anwaltszwang und Zuständigkeitsstreitwert voneinander entkoppelt werden sollen. Mit anderen Worten: Streitwertgrenze rauf auf 10.000 Euro geht aus Sicht des DAV klar, ab Streitwerten von 5.000 Euro sollen sich Bürger aber wie bisher einen Anwalt nehmen müssen.

Das zweite Argument des DAV-Präsidenten: Man müsse sich klarmachen, "welche Bedeutung ein Gegenstandswert zwischen 5.000 und 10.000 Euro für das Leben vieler Menschen hat: Schaut man sich das Netto-Medianeinkommen in Deutschland an, kann so eine Summe leicht vier, fünf Monatsgehälter bedeuten". Insoweit bestehe eine staatliche Verantwortung gegenüber Verbrauchern.

Durch die anwaltliche Vertretung werde letztlich auch die Justiz vor einer Mehrbelastung geschützt, betont von Raumer. "An dem bekannten Werbespruch 'Fragen Sie jemanden, der sich damit auskennt' ist viel Wahres dran: Auch Gerichte sind froh, wenn sie nicht nur Naturalparteien vor sich haben, da Verfahren mit anwaltlicher Vertretung deutlich effizienter ablaufen und Ressourcen schonen." Deshalb sei eine Entkopplung von Gerichtszuweisung und Anwaltszwang für alle Beteiligten von Vorteil.

jb/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Trotz Anhebung der Streitwertgrenze auf 10.000 Euro: . In: Legal Tribune Online, 29.10.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/58486 (abgerufen am: 14.11.2025 )

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