In der Coronakrise: Was Anwälte jetzt wissen müssen

von Maximilian Amos und Hasso Suliak und Pia Lorenz

20.03.2020

Die Krise trifft auch Anwälte hart, vor allem kleinere Kanzleien fürchten ums Überleben. BRAK und DAV geben Infos, bieten Vernetzung untereinander und appellieren an die Politik – von Systemrelevanz bis finanzielle Unterstützung. 

Auch für Juristen sind diese Tage vor allem von Unsicherheit geprägt. Was darf ich noch tun? Wie überstehe ich die Coronakrise nicht nur gesundheitlich, sondern auch beruflich und finanziell? Dazu trägt vor allem die weiterhin offene Frage bei, mit welchen Maßnahmen die Regierung noch auf die Ausbreitung des COVID-19-Virus reagieren wird.

In Bayern hat Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Freitag Ausgangssperren verkündet. Für die vorläufige Dauer von zwei Wochen dürfen die Bürger – von Ausnahmen abgesehen – nur unter Auflagen ihr Haus oder ihre Wohnung verlassen. Erlaubt soll es weiterhin bleiben, arbeiten zu gehen. Am Wochenende soll auf Bundesebene ebenfalls über Ausgangssperren beraten werden. Wie diese aussehen würden und was sie für die Anwaltschaft bedeuten könnten, ist noch unklar.

Anwälte müssten von einer Ausgangssperre unbedingt ausgenommen werden, erklärte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Anwaltvereins (DAV) Swen Walentowski im Gespräch mit LTO. Zu diesem Zweck appelliere der DAV an die Politik: "Unter anderem die Bundeskanzlerin haben wir aufgefordert, klarzustellen, dass im Falle einer Ausnahmesperre diese nicht für die Anwaltschaft und ihre Mitarbeiter gelten soll." Der Zugang zum Recht müsse auch unter den Bedingungen einer Ausgangssperre gewährleistet sein.

DAV: Anwälte müssen für systemrelevant erklärt werden

Zudem forciert der DAV aktuell seine Bemühungen, die Anwaltschaft zum Kreis der systemrelevanten Berufe erklären zu lassen, so dass ihnen das Recht zustünde, ihre Kinder in Schulen und Kitas betreuen zu lassen, um damit mehr Zeit für die Anliegen der Mandantschaft zu haben. "Nur die Justiz als systemrelevant zu erklären, greift jedenfalls viel zu kurz," betonte Walentowski. "Es sind die Anwältinnen und Anwälte, die den Zugang der Bürgerinnen und Bürger zum Recht gewährleisten", so Walentowski. Schließlich gingen die Rechtsuchenden in der Regel nicht alleine zum Gericht.

Da die Einstufung als systemrelevant Ländersache ist, hat der Anwaltverein sich daher an die Ministerpräsidenten sowie die Finanz-, Wirtschafts-, Justiz- und Gesundheitsministerien der Länder gewandt. Erste, zaghaft positive Reaktionen lägen bereits vor. Auch die Landesverbände der Anwaltvereine sind laut Walentowski in Gesprächen mit den Ländervertretungen. 

BRAK schaltet Info-Seite

Die Arbeit für Rechtsanwälte ist derzeit, auch von zuhause aus, nur eingeschränkt möglich. Das besondere elektronische Anwaltspost (beA) läuft noch immer nicht wieder störungsfrei. Seit Beginn der Hochzeit der Coronakrise am vergangenen Montag haben die Anwälte praktisch nicht die Möglichkeit, sich digital mit der Justiz zu verständigen. Es gibt – Stand Freitagmittag – noch immer Probleme bei der Anmeldung am System, die für den Betrieb des beA verantwortliche Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) informiert wie üblich in ihren aktuellen Meldungen

Der Dachverband der Anwälte informiert auch über andere Themen rund um die Coronakrise auf einer eigenen Seite. Dort finden sich Tipps und Leseempfehlungen zu steuerlichen Erleichterungen für betroffene Anwälte, arbeits- und berufsrechtliche Hinweise sowie aktuelle Informationen über den weiterlaufenden Betrieb der Justiz, etwa an welchen Gerichten mündliche Verhandlungen bereits gestrichen wurden.

Auf ihrer Themenseite deckt die BRAK auch den ALG-II-Bezug für Freiberufler ab und greift damit eine wichtige Frage auf. Denn während die Aktienkurse weltweit fast stetig fallen und die Bundesregierung bereits ein Maßnahmenpaket für Unternehmen und Freiberufler schnürt, geht auch unter Juristen die Angst um die berufliche Existenz um. Aus diesem Grund forderte die BRAK am Donnerstag eine "schnelle und unbürokratische Liquiditätssicherung" für die Anwaltschaft.

BRAK fordert: Zuschüsse, Steuerstundung, Kredite einfach und schnell

Mandanten blieben in der nahen Zukunft vielerorts aus, befürchtet der Dachverband. Dies könne sich mittelbar zu einer Gefahr für den Rechtsstaat auswachsen, wenn Kanzleien in finanzielle Probleme kämen. In der Zeit nach Corona könnten Anwälte fehlen: "Die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sind als Organe der Rechtspflege elementar für das Funktionieren unseres Rechtsstaates", erklärte BRAK-Präsident Dr. Ulrich Wessels. "Der Zugang zum Recht für Bürgerinnen und Bürger ist massiv gefährdet, wenn wir jetzt bei Maßnahmenpaketen von Bund und Ländern die Anwaltschaft nicht berücksichtigen. Gerade kleine Kanzleien werden in den nächsten Wochen um ihr Überleben kämpfen müssen."

Als konkrete Maßnahmen forderte er, neben Liquiditätssicherstellung für die Anwaltschaft, "Zuschüsse für Selbstständige, Stundung von Steuern, erleichterte Einräumung von Krediten oder rasche Bearbeitung von bei Behörden gestellten Anträgen, z. B. für ALG II". Auch Banken könnten mit unbürokratischer Kreditvergabe und günstigen Konditionen einen Beitrag leisten.

Zudem hake es derzeit schon an der Information, monierte Wessels: "Die vom Bund eingerichteten Hotlines zu Fördermöglichkeiten, Kurzarbeitergeld und wirtschaftlichen Fragen sind ständig überlastet. Hier muss dringend nachgebessert werden."

DAV: Praxisinformationen und eine Plattform zum Austausch 

Neben der BRAK informiert auch der DAV auf einer eigenen FAQ-Seite aktuell zur Coronakrise. Darin geht es um Fragen wie: Was mache ich, wenn ich oder meine Mitarbeiter erkranken? Sollte ich vorsorglich einen Vertreter bestellen? Was mache ich mit anstehenden Gerichtsterminen? Habe ich Anspruch auf eine staatliche Entschädigung, wenn ich infolge einer behördlichen Anordnung nicht mehr arbeiten kann?

Zudem hat der DAV für seine Mitglieder ein Online-Forum eingerichtet, das den "unkomplizierten kollegialen Austausch" von Anwälten während der Coronakrise unterstützen solle, wie der Verein am Freitag auf Twitter mitteilte.

Zitiervorschlag

In der Coronakrise: . In: Legal Tribune Online, 20.03.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40997 (abgerufen am: 13.12.2024 )

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