Die Rechtsanwaltskammer München öffnet ihre Spendenschatulle für Anwälte, die in der Coronakrise Liquiditätsprobleme bekommen. Bei anderen Kammern gucken betroffene Anwälte dagegen in die Röhre: Verwiesen werden sie dort auf Staatshilfen.
In München greift die Anwaltskammer Mitgliedern unter die Arme, denen "aufgrund der Coronakrise jetzt oder absehbar der Großteil der Einnahmen wegbricht", wie Michael Then, Präsident der Rechtsanwaltskammer (RAK) München, am Donnerstag erklärte. Anwälte, die nicht über die nötigen Rücklagen verfügen, um Corona-bedingte Ausfällte auf gewisse Dauer auszugleichen, könnten bei ihrer RAK nunmehr Mittel aus einem separaten Unterstützungsfonds beantragen. Wie Rolf Pohlmann, Schatzmeister der Münchner RAK gegenüber LTO bestätigte, stünden dafür rund eine Millionen Euro zur Verfügung.
Betroffene Anwälte hätten die Möglichkeit, entweder einen Zuschuss in Höhe von 3.000 Euro oder ein Darlehen in Höhe von bis zu 25.000 Euro zu beantragen. Die Gewährung des Zuschusses – eine Soforthilfe, die nicht zurückgezahlt werden muss – sei, so Pohlmann, an engere Voraussetzungen geknüpft als das Darlehen. Er diene "der schnellen Unterstützung zur Abmilderung sehr akuter finanzieller Notlagen zur Deckung des dringendsten Bedarfs".
Die Darlehen dagegen sollen zur Deckung fälliger fortlaufender wichtiger Verbindlichkeiten dienen; sie würden in Abhängigkeit vom Umsatzeinbruch in Folge der Covid-19-Pandemie gewährt. Laut RAK-Schatzmeister hätten bisher 30 Anwälte entsprechende Anträge eingereicht.
Spenden aus der Weihnachtszeit
Die RAK München unterhält ihren Fonds gemäß § 89 Abs. 2 Nr. 3 Bundesrechtsanwaltsordnung schon seit vielen Jahren. Er speist sich nicht aus Kammermitgliedsbeiträgen, sondern hauptsächlich aus dem jährlichen Weihnachtsspendenaufruf. Ursprünglich sollte mit dem Fonds älteren Anwälten oder deren Angehörigen geholfen werden, die unverschuldet bzw. durch Krankheit in wirtschaftliche Not geraten sind.
Das Vorgehen der RAK München ist bundesweit in diesem Ausmaß einzigartig. Andere RAK verfügen entweder über keinen Fonds oder - wenn überhaupt - nur über Fürsorgeeinrichtungen, die finanziell nicht ansatzweise so gut aufgestellt sind wie die in München. So befinden sich beispielsweise in der der Kasse der RAK Sachsen gerade einmal 5.000 Euro. Der Betrag stammt aus Kammervermögen, Spendenaufrufe gibt es dort nicht - allerdings laut Angaben von Sachsens RAK-Geschäftsführerin Jacqueline Lange auch bislang keine Corona-bedingten Anfragen von Anwälten.
Bei der RAK Stuttgart verfügt man etwa über einen sogenannten Sterbegeld- und Unterstützungsfonds. Dieser leistet allerdings nur an bedürftige Hinterbliebene verstorbener Anwälte. "Eine Unterstützung für von der aktuellen Pandemie wirtschaftlich betroffenen Kolleginnen und Kollegen gibt es nicht und wäre vom Zweck des Fonds nicht gedeckt", so Heidi Milsch, Geschäftsführerin der RAK zu LTO.
Düsseldorf, Berlin und Frankfurt ebenfalls ohne vergleichbare Fonds
In Düsseldorf würde die Kammer einem notleidenden Anwalt wohl ebenfalls nicht aushelfen können, wie der Geschäftsführer der RAK Düsseldorf, Thiemo Jeck, gegenüber LTO bestätigt. "Entsprechende Hilfen durch die Rechtsanwaltskammer Düsseldorf gibt es nicht. Dies hängt insbesondere damit zusammen, dass es keinen Unterstützungsfonds wie bei der Rechtsanwaltskammer München gibt."
Genauso ist es auch in Berlin. "Die RAK Berlin verfügt nicht über einen Unterstützungsfonds, sodass Soforthilfen für die Kammermitglieder leider nicht gewährt werden können", sagt Kammerpräsident Dr. Marcus Mollnau. Er hofft, "dass unsere Kammermitglieder bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten die bundesweiten sowie die vom Land Berlin bereitgestellten Corona-Zuschüsse erhalten haben und noch erhalten können." Auch bei der RAK Frankfurt/Main wird der hilfesuchende Anwalt wohl leer ausgehen. Auf der RAK-Homepage verweist man unter dem Stichwort "Finanzielle Soforthilfe" lediglich auf staatliche Hilfsgelder.
Hülfskasse der Anwaltschaft berät Mitte Mai
Und selbst bei einer Einrichtung wie der Hülfskasse der Deutschen Rechtsanwälte, die explizit "seit 135 Jahren für Solidarität innerhalb der Anwaltschaft" steht, dürfte es im Zusammenhang mit Liquiditätshilfen wegen COVID-19 mit einer Unterstützung eher schwer werden. So unterstützt die Hülfskasse nach Worten ihrer Geschäftsführerin Christiane Quade die Anwälte und deren Familienangehörige zwar mit finanziellen Hilfen im Falle von Krankheit, Alter oder schweren Schicksalsschlägen. Auch sei eine Sonderzahlung in Höhe von 600 Euro, die bestimmte notleidende Anwälte sonst erst im Mai erreicht hätte, "aufgrund der Coronakrise" vorgezogen worden. Indes: Ob darüber hinaus Corona-bedingte Hilfen gewährt werden, kann laut Quade erst Mitte Mai auf der nächsten Vorstandssitzung der Hülfskasse beraten werden.
Unterdessen zeigte sich der Deutsche Anwaltverein (DAV) von der exklusiven Hilfsaktion der RAK München durchaus angetan: "Das Engagement der RAK München ist vorbildlich", so DAV-Hauptgeschäftsführerin Sylvia Ruge. Sie verweist allerdings darauf, dass in diesem Kontext auch weiter die öffentliche Hand gefordert sei. "Das Engagement der Anwaltschaft selbst kann nur komplementär sein", so Ruge.
Die Bundesrechtsanwaltskammer wollte auf Nachfrage von LTO die Initiative der RAK-München nicht kommentieren.
Anwälte in der Coronakrise: . In: Legal Tribune Online, 24.04.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41408 (abgerufen am: 10.12.2024 )
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