Der wohl letzte Versuch, das beA vor Beginn der passiven Nutzungspflicht zu stoppen, ist in Karlsruhe gescheitert. Martin W. Huff analysiert die Entscheidung. Die BRAK meldet unterdessen, dass die Nutzer ein neues Zertifikat brauchen.
Es wird ernst: Ab dem 1. Januar 2018 besteht nach der Vorschrift des § 31a Abs. 6 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) die sogenannte passive Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Anwaltspostfaches (beA). Danach sind alle rund 166.000 deutschen Rechtsanwälte verpflichtet, die für die Nutzung erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten und über das Postfach zugehende Mitteilungen (von Gerichten oder Kollegen) zur Kenntnis zu nehmen. Nach Ansicht des Gesetzgebers stellt dieser Kommunikationsweg eine sichere Verschlüsselung da, die von den Beteiligten genutzt werden kann.
Rund um das beA hatte es erhebliche Auseinandersetzungen gegeben, erst spät waren unter erheblichem Zeitdruck hatte die verantwortliche Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) die technischen Möglichkeiten geschaffen, damit auch die Syndikusrechtsanwälte ihre Pflicht erfüllen können, das beA zu nutzen. Schon der Bundesgerichtshof (BGH) hatte die Klage eines Rechtsanwalts gegen die Umlage der für das beA notwendigen Kosten zurückgewiesen. Der Anwaltssenat hatte keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der gesetzlichen Regelungen und die Umlage der Kosten auf die einzelnen Anwälte erhoben.
Nun hat auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) den Weg frei gemacht für den tatsächlichen Start des beA mit seiner passiven Nutzungspflicht. Mit seinem am Freitag bekannt gewordenen Beschluss vom 20. Dezember 2017 (Az. 1 BvR 2233/17) hat die 1. Kammer des Ersten Senats des unter der Berichterstatterin Yvonne Ott die Verfassungsbeschwerde eines Anwalts als unzulässig verworfen. Während eventuelle rechtliche Stolpersteine damit aus dem Weg geräumt sind, meldet die BRAK, dass alle Nutzer ein neues Zertifikat herunterladen müssen.
Förderung des Elektronischen Rechtsverkehrs ist legitimer Zweck
Der hatte mit der Verfassungsbeschwerde und einem damit verbundenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung versucht, insbesondere die passive Nutzungspflicht zu stoppen. Er argumentierte, dass damit unzulässig in seine Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Grundgesetz (GG) eingegriffen werde, das beA nicht sicher sei und zudem zu einer übermäßigen Kostenbelastung führe.
In seiner Entscheidung hat sich das Gericht, obwohl nicht nötig, inhaltlich mit dem beA befasst und dargelegt, dass die Verfassungsrichter gegen die gesetzlichen Regelungen rund um das beA keine Bedenken haben.
Bei den gesetzlichen Regelungen insbesondere des § 31 a Abs. 6 BRAO handele es sich nicht um Vorschriften zur Zulassung zur Anwaltschaft, also um Fragen der Berufsfreiheit. Vielmehr seien die Vorschriften allein eine Berufsausübungsregelung. Solche Regelungen sind zulässig, wenn vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls sie als zweckmäßig erscheinen lassen und das Grundrecht der Berufsfreiheit nicht unverhältnismäßig eingeschränkt wird.
Warum der Schaffung des beA keine vernünftigen Erwägungen des Allgemeinwohls zugrunde liegen sollten, habe der Beschwerdeführer nicht dargelegt, so die Verfassungsrichter. Den elektronischen Rechtsverkehr zu fördern, einen rechtssicheren und schnellen Kommunikationsweg zu den Gerichten und anderen Anwälten sowie Porto- und Druckkosten zu sparen, erklären sie zu einem zulässigen Zweck.
2/2: Der Staat muss nicht auf altbekannten Wegen gehen
Seine Behauptung, das beA werde Kosten nicht reduzieren, sondern vielmehr steigern, habe der klagende Anwalt nicht substantiiert belegt. Eine konkrete Kostenaufstellung hatte er nicht vorgelegt.
Auch seine Behauptung, dass das System nicht sicher sei, habe der Beschwerdeführer nicht belegt, so die 1. Kammer des Ersten Senats. Mit den getroffenen Sicherheitsvorkehrungen habe er sich nicht auseinandergesetzt. Negative Erfahrung mit anderen elektronischen Systemen, die in der Vergangenheit von Hackern angegriffen worden sein, passten auf die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung des Anwaltspostfachs nicht. Ein Restrisiko bestehe immer und sei, auch im überwiegenden Interesse des Gemeinwohls, hinzunehmen.
Die Richter machen in ihrem Beschluss auch noch einen berufsrechtlichen Schlenker. Sie stellen klar, dass es sich bei dem Posteingang im beA um einen ganz normalen "Posteingang" handele, den der Rechtsanwalt im Rahmen seiner Berufs- und haftungsrechtlichen Pflichten bearbeiten müsse. Eine sofortige Kenntnisnahme und auch Bearbeitung seien überhaupt nicht erforderlich.
Die Verfassungsrichter wenden sich mit ihrem Beschluss gegen viele diffuse Ängste der Rechtsanwälte in Bezug auf den modernen und dringend notwendigen neuen Kommunikationsweg. Der Staat dürfe neue Kommunikationswege schaffen, welche die Gerichte und weitere am Rechtsverkehr Beteiligte entlasten, aber nach heutigen Erkenntnissen sicherer seien offen versandte, unverschlüsselte Mails.
Auch der BGH hatte schon einmal einem Richter ins Stammbuch geschrieben, dass er verpflichtet sei, Einträge im Handelsregister elektronisch zu bearbeiten und zur Kenntnis zu nehmen. Es gibt keine Verpflichtung des Staats, nur auf altbekannten Wegen - wie dem Ausdruck auf Papier - zu gehen.
beA-Konfiguration muss geändert werden
Das beA wird also zum 1. Januar 2018 Realität. Das bedeutet nur, dass jeder Rechtsanwalt dortige Posteingänge zur Kenntnis nehmen muss. Auf der sicheren Seite ist man, wenn man auf jeden Fall die Benachrichtigungsfunktion einrichtet, mit der man per Mail auf eine beliebige Mailadresse unterrichtet wird, dass ein Posteingang vorliegt. Den kann man sich dann ansehen.
Erforderlich ist dafür noch eine Änderung der beA-Konfiguration. Per Sondernewsletter teilte die BRAK am Freitag mit, dass alle beA-Nutzer ein zusätzliches Zertifikat installieren müssen. Die BRAK sei am 21. Dezember 2017 darüber informiert worden, dass ein für die Anwendung notwendiges Zertifikat ab dem 22. Dezember nicht mehr gültig ist, heißt es zur Begründung. Eine Anleitung zur Anpassung der Konfiguration stellt die BRAK hier zur Verfügung (Anm. der Red.: Die Seite für den Download ist allerdings zum Zeitpunkt der Veröffentlichung offline, Fehlermeldung 404).
Wenn in den ersten Januar-Tagen trotz aktuell noch gemeldeter Schwierigkeiten auch die Schnittstellen der großen Anbieter von Anwaltssoftware funktionieren werden, wird sich der neue Kommunikationsweg rasch durchsetzen.
Auch übers beA: Pflicht zur Annahme von Zustellungen von Anwalt zu Anwalt
Eines ist sicher: Der von vielen Rechtsanwälten benutzte Weg der offenen E-Mail, um mit Mandanten und Kollegen zu kommunizieren, der in den vergangenen Monaten von Datenschützern immer wieder kritisiert worden war, wird durch eine sicherere Kommunikation mit Anwälten, Gerichten und rasch auch mit weiteren Behörden ersetzt werden.
Dabei geht der Rechtsanwalt bei der Nutzung dieses Weges keinerlei berufsrechtliches Risiko ein. Beim beA handelt es sich um einen vom Gesetzgeber eröffneten Weg, der auch genutzt werden darf, ohne dass Anwälte sich sorgen müssten, dass Sicherheitsprobleme – wenn sie denn auftreten sollten - ihnen negativ angerechnet werden könnten.
Ebenfalls zum 1. Januar 2018 sind alle Rechtsanwälte gemäß § 14 BRAO übrigens auch (wieder) berufsrechtlich verpflichtet, die Zustellung von Anwalt zu Anwalt entgegenzunehmen. Auch deshalb sollte man den Posteingang gut kontrollieren. Jetzt ist abzuwarten, ob das beA funktioniert. Bei den Notaren jedenfalls läuft der elektronische Rechtsverkehr bereits seit einigen Jahren sehr gut.
Rechtsanwalt Martin W. Huff ist Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln und in der Sozietät Legerlotz Laschet Rechtsanwälte (LLR) in Köln tätig
Martin W. Huff, Verfassungsbeschwerde erfolglos, aber technische Probleme: Das Anwaltspostfach kann kommen - nach einer Neu-Konfiguration . In: Legal Tribune Online, 22.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26177/ (abgerufen am: 28.09.2023 )
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