BSG zu Rückerstattung von Rentenversicherungsbeiträgen: Selbst­stän­dige Rechts­an­wälte müssen bis zur Rente warten

von Martin W. Huff

08.09.2017

2/2: Nur zum Besten der Anwälte?

Die Differenzierung bei der Zulassung zur vorzeitigen Beitragserstattung ist unter gruppen- und versicherungsspezifischer Berücksichtigung der jeweiligen typisierten sozialen Schutzbedürftigkeit bei der Alterssicherung inner- und außerhalb des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung sachlich gerechtfertigt, schreiben die Richter in ihrem Terminsbericht.

Im Kern verfolge der Gesetzgeber mit der Beschränkung des zur Beitragserstattung vor Erreichen der Regelaltersgrenze nach § 210 Abs. 1a S. 1 SGB VI berechtigten Personenkreises in zulässiger Weise das Ziel, lediglich solchen Versicherten das Recht auf eine vorzeitige Erstattung der auf sie entfallenden Rentenversicherungsbeiträge einzuräumen, bei denen ausreichend sichergestellt ist, dass sie außerhalb der GRV eine hinreichende Alterssicherung aufbauen - also etwa eine gleiche Altersversorgung errichten wie gesetzlich Versicherte. Dies zum Beispiel dann, wenn sie gleiche Beiträge statt an die DRV an ihr Versorgungswerk abführen, meinen die Richter.

Insoweit bezieht sich der verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstab nicht nur auf die Gruppe der von der Versicherungspflicht befreiten angestellten Rechtsanwälten im Vergleich zu den nicht versicherungspflichtigen selbstständigen Rechtsanwälten. Zu den Vergleichsgruppen gehören die von der Versicherungspflicht Befreiten, die sich anders adäquat und vergleichbar abgesichert haben, und auch diejenigen Nicht-Versicherungspflichtigen, bei denen (bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze) nicht zwangsläufig eine anderweitige (Alters-) Sicherung möglich und/oder vorgeschrieben ist. Das ist aber bei einem Großteil der über 4,5 Millionen Selbstständigen der Fall. Damit sind die faktische Intensität und die Auswirkung der Ungleichbehandlung - selbst bei den von dem klagenden Anwalt betrachteten Vergleichsgruppen – nach Auffassung des BSG regelmäßig gering und den betroffenen selbstständig tätigen Rechtsanwälten zumutbar. Einen Verstoß gegen Art 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vermochte der Senat ebenfalls nicht zu erkennen.

Gute Aussichten für Verfassungsbeschwerde

Die Entscheidung der Richter begegnet doch massiven verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie übersieht zum einen, dass der selbständige Rechtsanwalt ebenfalls Pflichtbeiträge für seine Altersvorsorge zahlen muss, nämlich an das Versorgungswerk der Rechtsanwälte aufgrund seiner konkreten Einkommenssituation. Damit ist er bei dem Argument des Aufbaus einer hinreichenden Altersversicherung mit dem angestellten Rechtsanwalt gleichzustellen.

Auch nicht von der Hand zu weisen ist das Argument des klagenden Anwalts, dass er einen erheblichen Wertverlust erleide, wenn er die geleisteten Beiträge erst bei Erreichen der Regelaltersgrenze erstattet bekommt. Denn diese Beiträge werden nicht verzinst, eine Inflation schlägt damit voll zulasten des Betroffenen durch. Gleichzeitig könnte der Rechtsanwalt die früher erstatteten Beiträge zum Beispiel für eine Erhöhung seiner Beiträge zum anwaltlichen Versorgungswerk verwenden und sich damit schon während seiner Tätigkeit besser nicht nur für seine Rente, sondern auch für die Berufsunfähigkeit absichern.

Eine Ungleichbehandlung zu den angestellten Kollegen oder Syndizi ist auch deswegen gegeben, weil der selbstständige Rechtsanwalt, sofern er zunächst noch zwei Jahre als angestellter Rechtsanwalt gearbeitet hätte, von der Versicherungspflicht befreit worden wäre – und entsprechend nach zwei Jahren die Auszahlung seiner Beiträge hätte verlangen können. Beim sofortigen Wechsel in die selbständige Tätigkeit kann er dies aber nicht. Eine logische Erklärung dafür gibt es nicht.

Eine Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht böte sich damit durchaus an. Dort könnte eine Verletzung der Art. 3 und 14 GG gerügt werden.

Der Autor Martin W. Huff ist Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln und Rechtsanwalt in der Kanzlei Legerlotz Laschet Rechtsanwälte in Köln.

Zitiervorschlag

Martin W. Huff, BSG zu Rückerstattung von Rentenversicherungsbeiträgen: Selbstständige Rechtsanwälte müssen bis zur Rente warten . In: Legal Tribune Online, 08.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24407/ (abgerufen am: 23.04.2024 )

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