Dr. Ulrich Wessels ist seit diesem Freitag der neue Präsident der BRAK. Der 59-jährige Rechtsanwalt und Notar war bislang einer von vier Vizepräsidenten der Kammer. Mit LTO sprach er über den Start des beA und Kernanliegen der Anwaltschaft.
LTO: Herr Wessels, wir gratulieren Ihnen zum Amtsantritt. Als neuer BRAK-Präsident vertreten Sie die beruflichen Interessen von rund 165.000 Anwälten in Deutschland. Nach dem, was sich ihr Vorgänger Ekkehart Schäfer in den vergangenen Monaten im Zusammenhang mit der Einführung des besonderen elektronischen Postdachs (beA) so gefallen lassen musste: Freuen Sie sich eigentlich auf Ihren neuen Posten?
Dr. Ulrich Wessels: Natürlich freue ich mich und ich bin mir auch der Verantwortung bewusst. Aber auf eines muss ich deutlich hinweisen: Die Tätigkeit der BRAK ist keine One-Man-Show, sondern sie ist geprägt von der Arbeit des Präsidiums und der Hauptversammlung, in der alle Kammerpräsidenten der Länder vertreten sind. Wir treten als Team an und bemühen uns auch, als solches aufzutreten.
Auch wenn meine Rolle als Präsident künftig vielleicht etwas hervorgehobener und arbeitsintensiver sein mag: Ich will das Amt weiterhin mit meiner Tätigkeit als Anwalt und Notar in Einklang bringen. Denn Grundlage für unsere ehrenamtliche Tätigkeit in der BRAK ist immer noch der Anwaltsberuf, die enge Bindung hierzu darf nicht verloren gehen.
Das beA war in den vergangenen Jahren wohl die größte Baustelle der BRAK. Wie froh sind Sie, dass das Postfach seit dem 3.September wieder am Start ist und Sie damit – sollte nun alles gut laufen – auch wieder andere Projekte in den Fokus rücken können?
Nun, wir sind alle in der BRAK erleichtert. Ein wesentlicher Schritt ist gemacht und wir blicken jetzt nach vorne. Das bedeutet selbstverständlich auch, dass wir den Prozess der Digitalisierung weiter begleiten werden. Ziel ist es, dass die Kolleginnen und Kollegen weiter Vertrauen in den elektronischen Rechtsverkehr gewinnen – auch wenn es eine hundertprozentige Sicherheit vielleicht nie geben wird.
"Wer das beA nicht aktiviert, geht Haftungsrisiko ein"
Haben Sie Sorge, dass beim beA weitere eklatante Sicherheitslücken zu Tage treten oder etwa die Klage der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) gegen das beA, die beim Anwaltsgerichtshof anhängig ist, erfolgreich sein könnte?
Zunächst: Wir sind zuversichtlich und haben einiges dafür getan, dass es keine weiteren Pannen beim beA geben wird. Ich vertraue da auch den Ergebnissen der Prüfung von secunet, die nur noch von kleineren, im laufenden Betrieb behebbaren Schwachstellen, ansonsten aber von einem eindeutig sicheren System sprechen. Und was die Klage der GFF anbelangt: Eine einstweilige Anordnung, um das beA zu stoppen, hat sie nicht beantragt. Deshalb gehe ich davon aus, dass die Vereinigung wohl selbst Bedenken hat, ob ihre Klage erfolgreich sein wird.
Nach unseren letzteren Erkenntnissen habe viele Anwälte das beA noch nicht wie vom Gesetzgeber verlangt installiert. Diejenigen, die das Postfach noch nicht nutzen, müssen aber gleichwohl schon in dieser Phase alle Schriftstücke gegen sich gelten lassen, die auf diesem Wege an sie verschickt werden. Ist diese passive Nutzungspflicht zumutbar?
Es ist ja eigentlich ein relativ gängiges Phänomen, das wir auch aus anderen Bereichen kennen: Wird ein neues Instrumentarium eingeführt, erledigen viele die notwendigen Schritte erst auf den letzten Drücker. Ich gehe aber davon aus, dass sich alle Anwälte auch aufgrund der umfassenden Informationen durch Kammern und Anwaltsvereine bewusst sind, dass es hier eine gesetzliche Pflicht zur Erstregistrierung und zur passiven Nutzung gibt und dass deshalb auch in Kürze tatsächlich alle Anwälte angemeldet sein werden. Wer sein beA bewusst nicht aktiviert, der muss sich im Klaren darüber sein, dass er damit für sich ein Haftungsrisiko eingeht.
"Werden für hohe Kontrolldichte sorgen"
Welche Lehren ziehen Sie aus den beA-Vorkommnissen? Es gab Kritik am angeblich fehlenden IT-Sachverstand der BRAK, aber auch an einer, wie Ihr Vorgänger Schäfer bereits zugab, zeitweise suboptimalen Öffentlichkeitsarbeit. Schäfer warf einigen Medien vor, bei dem Thema "toxische" Kritik geäußert zu haben. Teilen Sie diese Einschätzung?
Ein Projekt wie das beA, das wir nun einmal nicht alleine entwickeln können, steht uns erst einmal sobald nicht mehr bevor. Und keine Frage: Selbstverständlich benötigen wir auch in der BRAK ein bestimmtes Maß an IT-Sachverstand. Aber ganz ehrlich: Geeignetes Personal zu finden, ist gar nicht so leicht, wir haben aber unsere für die Projektsteuerung notwendigen IT-Kompetenzen durch weitere Kollegen kontinuierlich aufgestockt. Wir sind auch keine IT-Schmiede und werden auch in Zukunft auf externe Dienstleister zurückgreifen.
Zum Begriff "toxisch" eine Erläuterung: Ich denke, es ging gar nicht nur um die Medien. In der Zusammenfassung haben uns auch sehr pauschale Äußerungen von Kolleginnen und Kollegen gestört, die in einer Art und Weise kritisiert haben, ohne sich inhaltlich mit den Problemen wirklich auseinanderzusetzen. Jetzt aber blicken wir in die Zukunft. Wir sind froh, dass das beA am Start ist und funktioniert. Aufgabe der BRAK wird es nun sein, die Funktionalität des beA weiterzuentwickeln. Und wir werden für eine hohe Kontrolldichte sorgen, sodass Unstimmigkeiten oder neu entstehende, technische Risiken schon im Keim erkannt werden.
"Pakt für den Rechtsstaat zu justizlastig"
Das beA hat einiges, was der BRAK wichtig ist, in den vergangenen Monaten überschattet. Bei welchen Themen wird sich die Kammer in der Zukunft vielleicht auch öffentlich stärker positionieren?
Sie haben Recht, es gibt Kernthemen der Anwaltschaft, die wir in der nächsten Zeit verstärkt in den Vordergrund rücken wollen und nun auch können. Zum Beispiel der Pakt für den Rechtsstaat. Der ist uns als BRAK bislang von der Bundesregierung eindeutig zu justizlastig geplant. Wir werden darauf drängen, dass die Anwaltschaft in diesen Pakt miteinbezogen wird. Nur dadurch wird gewährleistet, dass auch die Interessen der Mandanten berücksichtigt und ihr Zugang zum Recht erhalten bleibt und gestärkt wird. Die Anwaltschaft trifft in diesem Zusammenhang übrigens auch aus meiner Sicht mehr und mehr die Pflicht, den Mandanten zu erklären, was der Begriff des Rechtsstaats wirklich bedeutet.
Und wo wir schon dabei sind: Auch wir als BRAK werden genau hinsehen, wenn die Koalition demnächst das Thema "beschleunigtes Strafverfahren" angeht. Niemand hat etwas gegen mehr Effizienz im Strafverfahren; aber wenn dabei wichtige Verteidigerrechte eingeschränkt werden sollen, werden wir unsere Stimme erheben. Genauso beim Thema Verschwiegenheitspflichten: Wir werden uns gegen die Aushöhlung des Mandatsgeheimnisses, z.B. durch Meldepflichten bei Steuergestaltungsmodellen, zur Wehr setzen.
Für die Kollegen in den Kanzleien ist und bleibt das Thema Datenschutz wichtig. Unser Ziel ist, einen Datenschutzbeauftragten für die Anwaltschaft zu installieren. Wir sind der festen Überzeugung, dass eine solche unabhängige Institution – ähnlich wie die Schlichtungsstelle der Anwaltschaft – den Bedürfnissen der Anwälte und damit auch der Zielsetzung des Datenschutzes besser gerecht wird.
Vielen Dank für das Gespräch.
Interview mit dem neuen Präsidenten der BRAK: . In: Legal Tribune Online, 14.09.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30933 (abgerufen am: 03.12.2024 )
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