Abstimmungsfehler korrigiert, Entscheidung geändert: BRAK will nun doch, dass BGH-Anwälte unter sich bleiben

von Hasso Suliak

22.01.2025

Auf der BRAK-Versammlung im September bekam ein Antrag gegen die BGH-Singularzulassung und auf Einführung einer Fachanwaltschaft für Revisionsrecht eine knappe Mehrheit. Ein Fehler bei der damaligen Auszählung führte jetzt zur Korrektur.

Das Thema anwaltliche Singularzulassung beim Bundesgerichtshof (BGH) ist seit Jahren ein Dauerbrenner und auch innerhalb der Anwaltschaft umstritten.

Hintergrund ist, dass am BGH für den Berufsstand strenge Zulassungsregeln gelten. Am obersten deutschen Zivilgericht können gemäß § 78 Abs. 1 S. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) nur Rechtsanwält:innen auftreten, welche vor diesem zugelassen sind. An allen anderen obersten Gerichtshöfen existiert eine solche besondere Zulassung nicht. Derzeit sind 36 Rechtsanwält:innen beim BGH zugelassen. Sie bilden die Rechtsanwaltskammer beim BGH, der Brunhilde Ackermann als Präsidentin vorsteht. Der Kreis der BGH-Rechtsanwält:innen ist männlich dominiert, lediglich fünf Frauen sind als Rechtsanwältinnen beim BGH zugelassen.  

Zugelassen werden kann auch nur, wer das 35. Lebensjahr vollendet und den Beruf eines Rechtsanwalts mindestens fünf Jahre ohne Unterbrechung ausgeübt hat sowie durch den Wahlausschuss für die Rechtsanwälte bei dem Bundesgerichtshof benannt wird. Die Zulassung selbst erfolgt durch den Bundesminister der Justiz. Die auserwählten 36 haben ihren Kanzleisitz alle im Stadt- oder Landkreis Karlsruhe.

Spezielle Revisionskenntnisse gefragt 

Eines der Hauptargumente derjenigen, die an der Singularzulassung rütteln, ist, dass das Institut der BGH-Anwaltschaft gegen die Freiheit des Rechtssuchenden verstößt, sich seine Rechteanwält:innen selbst auszusuchen. Auch verweisen Sie auf den hohen Spezialisierungsgrad, den es in der Anwaltschaft mittlerweile gebe.

Befürworter der Singularzulassung verweisen dagegen in erster Linie darauf, dass es am BGH weniger auf besondere Kenntnisse einer (materiellen) Rechtsmaterie ankomme, sondern vielmehr auf besonderes Fachwissen im Revisionsrecht. Bei den betreffenden Verfahren gehe es nicht um hohe wirtschaftliche Bedeutung des Rechtsstreits, sondern die Bedeutung der Rechtsfrage. Diese eröffne unter den Bedingungen der Zulassungsrevision den Weg zum BGH. 

"Die Singularzulassung stellt sicher, dass auch Fälle mit niedrigem Streitwert wissenschaftlich gründlich aufbereitet werden", verteidigt etwa Prof. Dr. Christian Wolf die Rechtslage. Auch beim Bundesverfassungsgericht teilte man bislang diese Ansicht. Immer wieder erteilte es den Kritikern der Singularzulassung in seinen Entscheidungen eine Absage, zuletzt im Jahr 2017.

Fehler bei der Konfiguration des elektronischen Wahlsystems

Auf der jüngsten Hauptversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) am 20. September in Chemnitz bekamen die Kritiker jedoch Rückenwind – vermeintlich, wie sich nun herausstellte. Denn auch wenn das Bundesministerium der Justiz beziehungsweise der Gesetzgeber an das Votum der BRAK-Mitglieder nicht gebunden sind, so schien es doch zunächst so, dass die Zeichen für eine Abschaffungs-Initiative gut stehen: Einem Antrag der RAK Berlin auf Abschaffung der Singularzulassung beim BGH folgte die Hauptversammlung mit 48 zu 46 Stimmen. Einher ging dies mit dem Wunsch, dass die BRAK sich für eine revisionsrechtliche Fachanwaltschaft anstelle der Singularzulassung einsetzen solle.

Indes: Die Freude der Singularzulassungsgegner sollte nicht lang währen. Denn im Nachgang zur Hauptversammlung stellte sich heraus, dass bei der Konfiguration des elektronischen Wahlsystems ein Fehler unterlaufen war. Versehentlich waren die Mitgliederzahlen einschließlich der Berufsausübungsgesellschaften zugrunde gelegt worden, die eigentlich nach § 190 I 2 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) für die Stimmgewichtung nicht zu berücksichtigen sind. Dieser Fehler wirkte sich im September nur bei den Rechtsanwaltskammern Frankfurt am Main und Berlin aus, denen dadurch jeweils ein zu hohes Stimmgewicht (acht statt sieben beziehungsweise neun statt acht) zukam.

Berliner Antrag mit 39 zu 55 Stimmen gescheitert

Vor diesem Hintergrund stimmten die Präsident:innen der 28 Rechtsanwaltskammern am Mittwoch erneut über eine BGH-Fachanwaltschaft ab und hoben den fehlerhaften Beschluss von Chemnitz auf. Ergebnis laut Pressemitteilung der BRAK diesmal: "Für den Berliner Antrag stimmten 9 Kammern (39 gewichtete Stimmen), 18 Kammern (55 gewichtete Stimmen) dagegen und eine Kammer (9 gewichtete Stimmen) enthielt sich. Der Antrag der Kammer Berlin wurde damit abgelehnt."

Das korrigierte Abstimmungsergebnis dürfte ganz im Sinne von BRAK-Präsident Dr. Ulrich Wessels sein. Der hatte schon 2019, als schon einmal eine Initiative zur Abschaffung zur Abstimmung stand und bei einer Abstimmung ebenfalls scheiterte, erklärt, dass sich aus seiner Sicht das bisherige System der Singularzulassung beim BGH bewährt habe. Das gelte für das Wohl der Rechtspflege wie für die Mandant:innen: "Es ist nicht zuletzt der Sachkunde und dem Erfahrungsschatz der Revisionsanwälte aufgrund ihrer ausschließlichen Tätigkeit geschuldet, dass sich – auch im Sinne der Mandantschaft – keine Mehrheit für eine Abschaffung finden ließ."

Zitiervorschlag

Abstimmungsfehler korrigiert, Entscheidung geändert: . In: Legal Tribune Online, 22.01.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56404 (abgerufen am: 15.05.2025 )

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