Ein Zeugnisverweigerungsrecht für zusammenlebende Paare, der Einsatz englischsprachiger Dokumente ohne Übersetzung - und ein Pflichtverteidiger ohne Antrag “ab der ersten Stunde”: Das BMJ will die StPO moderner machen.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) will Beschuldigten bei schweren Tatvorwürfen im Ermittlungsverfahren bereits bei der ersten polizeilichen Vernehmung einen Pflichtverteidiger zur Seite stellen. Das sieht ein Entwurf des Bundesjustizministeriums (BMJ) vor, über den das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtet.
Die Änderung ist Teil eines 55 Seiten umfassenden Referentenentwurf zur "moderneren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens", das laut RND in die Ressortabstimmung der Bundesregierung gegeben wurde.
Zeugnisverweigerungsrecht für zusammenlebende Paare
Laut Entwurf, der auch LTO vorliegt, sollen Beschuldigte, gegen die sich ein Ermittlungsverfahren richtet, künftig bei schweren Tatvorwürfen spätestens mit Beginn der ersten Vernehmung bei der Polizei rechtlichen Beistand erhalten - auch wenn sie keinen entsprechenden Antrag gestellt haben. Bisher erhalten sie so früh im Verfahren nur auf Antrag eine Pflichtverteidigung. Viele Beschuldigte nutzen das Antragsrecht aber nicht.
Das BMJ schreibt von einer “Verteidigung ab der ersten Stunde”, denn bereits im Ermittlungsverfahren würden bedeutende Weichen für das weitere Verfahren gestellt, heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs. Verbessert werden soll auch die Durchsetzung des Rechts auf Akteneinsicht.
Buschmann will zudem im Strafprozessrecht das seit 1877 stammende Zeugnisverweigerungsrecht für Verlobte streichen. Eine Verlobung habe nicht mehr die gleiche soziale Bedeutung wie früher, heißt es zur Begründung. Stattdessen soll Paaren ein Zeugnisverweigerungsrecht zustehen, wenn sie in einem gemeinsamen Haushalt zusammenleben oder es bereits einen Termin zur Eheschließung beim Standesamt gibt. Ein neues Zeugnisverweigerungsrecht ist auch bei Patchwork-Familien vorgesehen - insoweit setzt sich auch hier die Familienpolitik der Ampel fort. Auch der Zeugenschutz soll beispielsweise durch die verpflichtende Aufzeichnung von Vernehmungen insbesondere bei Minderjährigen verbessert werden.
Englischsprachige Dokumente ohne Übersetzung als Beweismittel
Weiterhin soll das Strafverfahren durch Verfahrenserleichterungen effizienter und zeitgemäßer gestaltet werden. Die maximale Dauer der Unterbrechung der Hauptverhandlung soll von drei Wochen auf zwei Monate erhöht werden. Auch sollen englischsprachige Urkunden ohne Übersetzung als Beweismittel zugelassen werden, was insbesondere in Wirtschaftsstrafverfahren von Bedeutung ist. Weitere Änderungen betreffen die Verlesung elektronischer Dokumente auch ohne vorherigen Ausdruck und die Bezugnahme im Urteil nicht nur auf Abbildungen, sondern auch auf Videodateien.
Im Jugendstrafrecht soll ferner der Erziehungsgedanke gestärkt werden. So soll weiteren Straftaten entgegengewirkt werden, heißt es aus dem BMJ. Soweit auch im Jugendstrafrecht bisher die Vermögensabschöpfung ausnahmslos gilt, sollen den Jugendgerichten zukünftig Ausnahmen in Härtefällen ermöglicht werden. Wiederum soll die Entscheidung über psychiatrische Unterbringung bzw. Sicherungsverwahrung dem Erwachsenenstrafrecht angeglichen werden, indem künftig hierfür die Jugendkammer stets mit drei Richtern besetzt sein muss.
jb/hs/LTO-Redaktion
Mit Materialien der dpa
BMJ-Entwurf zur StPO-Modernisierung: . In: Legal Tribune Online, 31.10.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55755 (abgerufen am: 04.12.2024 )
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