Anwälte genießen in der Gesellschaft nicht unbedingt den besten Ruf. Suchen Verbraucher jedoch Rechtsrat, würden sie ganz überwiegend trotzdem lieber einen Anwalt als ChatGPT & Co. befragen. Auch das Menschliche zählt in der Rechtsberatung.
Die Vorstellung, bei rechtlichen Problemen nicht mehr den Weg in die Kanzlei antreten zu müssen, sondern sich stattdessen auf Künstliche Intelligenz (KI) zu verlassen, gewinnt an Attraktivität. Laut einer Befragung des Digitalverbands Bitkom, durchgeführt von der hauseigenen Bitkom Research, würde sich jeder siebte Befragte lieber digital statt von einem Anwalt helfen lassen. Sogar jeder Achte glaubt, dass KI die Anwälte weitgehend überflüssig macht.
Für die Umfrage wurden im letzten Quartal 2024 in drei Wochen 1.004 Personen ab 16 Jahren in Deutschland telefonisch befragt. Die Fragestellungen lauteten dabei:
- "Wenn Sie vor einem rechtlichen Problem stehen – zum Beispiel bei Mietstreitigkeiten, Bußgeldern im Straßenverkehr, verspäteten oder ausgefallenen Flügen oder allgemein Vertragsproblemen – würden Sie lieber als Erstes einen Anwalt oder Anwältin kontaktieren oder auf ein Online-Tool bzw. eine App zurückgreifen?"
- "Welche Vorteile sehen Sie bei der Nutzung digitaler Lösungen bei rechtlichen Problemen?"
- "Welche Nachteile sehen Sie bei der Nutzung digitaler Lösungen bei rechtlichen Problemen?"
Etwas über ein sattes Viertel der Umfrageteilnehmer könnte sich demnach vorstellen, bei rechtlichen Problemen Hilfe bei einer KI zu suchen anstatt einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Wenn es dann aber konkret wird, machen viele einen Rückzieher: Nur zwölf Prozent würden das auf jeden Fall auch wirklich tun, 14 Prozent höchstens bei einfachen Fragestellungen.
Interessanterweise variiert die Bereitschaft zur Nutzung von KI im Rechtsbereich mit dem Alter. Während 81 Prozent der über 65-Jährigen keine rechtliche Hilfe bei einer KI suchen würden, sind es bei den 16- bis 29-Jährigen nur noch 64 Prozent. Bei den 30- bis 49-Jährigen kommt die Umfrage auf 63 Prozent und bei den 50- bis 64-Jährigen auf 69 Prozent.
Mehr Vertrauen in den Menschen als in die KI
Als größten Vorteil einer KI sehen die Befragten, dass sie rund um die Uhr verfügbar (61 Prozent) und bequem (57 Prozent) ist. Auch die Schnelligkeit (47 Prozent) und der leichte Zugang (44 Prozent) können überzeugen. Etwa ein Drittel der Befragten hält KI für kostengünstig.
Jedoch sind 47 Prozent der Meinung, dass Online-Tools bei Rechtsfragen zu unpersönlich seien. Etwas mehr als die Hälfte (54 Prozent) der Befragten glaubt, dass eine KI sich nicht in die Betroffenen hineinversetzen kann und deshalb schlechter berät. Genau die Hälfte der Befragten ist überzeugt, dass ein Mensch rechtliche Fragen besser erklären kann als eine KI. Lediglich 21 Prozent sind überzeugt, dass die KI mehr Fachwissen zu einzelnen Rechtsgebieten hat als ein Mensch. 46 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass ein Mensch komplexe rechtliche Zusammenhänge besser versteht als eine KI.
Die Mehrheit der Deutschen würde bei Rechtsfragen aber weiterhin als Erstes einen Anwalt konsultieren. 42 Prozent würden dies vor Ort persönlich tun, 26 Prozent per Telefon und 12 Prozent online, etwa per Videocall.
Markus Scheufele von Bitkom sagt anlässlich der Umfrage: "KI wird bereits heute in Rechtsabteilungen von Unternehmen, in Kanzleien und Gerichten erfolgreich eingesetzt. Wir müssen die rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen verbessern, damit KI in der Rechtspflege als unterstützendes Werkzeug eingesetzt werden kann und wird".
eh/LTO-Redaktion
Umfrage zu digitalem Rechtsrat: . In: Legal Tribune Online, 30.01.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56465 (abgerufen am: 08.02.2025 )
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