BGH zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach: "Berufs­aus­übungs­ge­sell­schaft wie Anwalt behan­deln"

von Martin W. Huff

17.10.2025

Rechtsfragen rund um das beA beschäftigen weiter die Gerichte. Jetzt hat der BGH klargestellt, wie Anwaltsschriftsätze aus dem Postfach einer anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft versandt werden dürfen. Martin W. Huff berichtet.

Zum 1. Januar 2025 gab es laut Statistik der Bundesrechtsanwaltskammer 5.126 zugelassene anwaltliche Berufsausübungsgesellschaften. Und die Zahl steigt. Sind diese Berufsausübungsgesellschaften bei der jeweiligen Rechtsanwaltskammer nach § 59f Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) zugelassen, dürfen sie wie ein Anwalt Rechtsdienstleistungen erbringen (§ 59k BRAO).

Die Gesellschaft kann also als Prozessbevollmächtigte im Gerichtsverfahren auftreten, muss dann aber durch einen zugelassenen Rechtsanwalt handeln. Gemäß § 31b BRAO erhält die bei der Rechtsanwaltskammer eingetragene Gesellschaft auch ein eigenes besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) – ergänzend zu den persönlichen Postfächern der in der Gesellschaft tätigen Rechtsanwälten.

Grundsätzlich dürfen aus einem beA-Postfach der Gesellschaft Schriftsätze formwahrend übersandt werden. Das steht in § 130a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Doch wie versendet die Gesellschaft einen fristwahrenden Schriftsatz über das beA an ein Gericht? Und wer ist dazu befugt? Mit dieser Frage hat sich jetzt ausführlich der Bundesgerichtshof (Beschl. v. 16.9.2025, Az. VIII ZB 25/25) befasst.

Vorinstanz verwirft Berufung als unzulässig

In einem mietrechtlichen Räumungsprozess legte die in erster Instanz unterlegene Vermieterin Berufung ein. Ein Rechtsanwalt der von ihr beauftragten Kanzlei, einer Rechtsanwaltsgesellschaft in Form einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung (PartG mbB), versandte über das beA der Gesellschaft die Berufungsbegründung. Er war zur Vertretung der PartG mbB berechtigt.

Den Schriftsatz hatte der Rechtsanwalt einfach signiert, d. h. mit seinem Namenszug versehen. Im Prüfvermerk der übermittelten Nachricht stand als Absender jedoch die Gesellschaft. Im Vermerk wurde bestätigt, dass die Nachricht auf einem sicheren Übermittlungsweg aus einem beA versendet wurde. Außerdem wurde ein vertrauenswürdiger Herkunftsnachweis erstellt. Wer allerdings den Schriftsatz über das Gesellschaftspostfach versendet hat, ließ sich zunächst nicht erkennen. Geschuldet ist dies technischen Gründen bei der Übermittlung über ein Gesellschaftspostfach. Im Prinzip ist dies auch nicht weiter problematisch. Schließlich lässt sich aus weiteren Dokumenten entnehmen, welcher Rechtsanwalt tatsächlich die Versendung vorgenommen hat.

Das Landgericht (LG) Frankfurt am Main indes verwarf die Berufung mangels formgerechter Begründung als unzulässig: Der Schriftsatz sei nicht, was unstreitig war, qualifiziert signiert (qualifizierte elektronische Signatur – qeS) gewesen. Er seit aber auch nicht – dies ist der zweite nach § 130a Abs. 3 ZPO zulässige Weg – mit einer einfachen Signatur auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden. Denn Unterschreibender und Absender seien nicht identisch gewesen. Es sei daher, so das LG, nicht möglich, die den Schriftsatz verantwortende Person zu identifizieren.

BGH mahnt zur Kontrolle des Nachrichtenjournals

Gegen die Entscheidung des LG wehrte sich die Vermieterin mit einer Rechtsbeschwerde zum BGH. Im Ergebnis mit Erfolg. Anders als das LG hat der BGH keine Bedenken gegen die Art und Weise, wie die Berufungsbegründung seitens der PartG mbB eingereicht wurde. Denn: Sowohl die ZPO als auch die BRAO sähen diesen ausdrücklich als einen der beiden zulässigen Wege vor.

Die Übermittlung sei nicht deshalb unwirksam, weil Signierender und ausgewiesener Absender nicht identisch seien. Inhaberin des Gesellschaftspostfachs und damit Absender sei die Berufsausübungsgesellschaft. Würde Identität verlangt, könnten keine einfach signierten Schriftsätze über ein Gesellschaftspostfach versendet werden, so der BGH. Dies widerspräche aber dem expliziten Willen des Gesetzgebers, Berufsausübungsgesellschaften die Einreichung einfach signierter Schriftsätze über das Gesellschaftspostfach zu ermöglichen.

Zudem sei aus dem sogenannten Nachrichtenjournal zu entnehmen, welcher Nutzer zum Zeitpunkt des Versands an dem Gesellschaftspostfach angemeldet unter welchem Benutzernamen der Versand erfolgte. Würde der Nachweis durch das Nachrichtenjournal versagt, schränkte dies den Zugang der Gesellschaft zur Berufungsinstanz unzumutbar ein, meint der BGH. Die Mühe das vorhandene Nachrichtenjournal zu kontrollieren, hätte sich das LG schon machen müssen.

Weiter weist der BGH darauf hin, dass der Gesetzgeber die Berufsausübungsgesellschaft genauso behandeln wollte, wie einen einzelnen Rechtsanwalt. Um dies festzustellen, so wird aus der BGH-Entscheidung deutlich, hätte wohl ein Blick in die Gesetzesbegründung genügt.

Deutlicher Hinweis an die Instanzgerichte

Damit ist jetzt geklärt, dass der vertretungsberechtigte Rechtsanwalt, der den Schriftsatz unterzeichnet hat und über eine Zugangsberechtigung für das Gesellschafts-beA verfügt, den Schriftsatz über dieses beA versenden darf.

Ungeklärt sei aber weiterhin, so der BGH, ob der Rechtsanwalt, der den Schriftsatz für die prozessbevollmächtigte Berufsausübungsgesellschaft einfach signiert, diesen auch persönlich über das Gesellschafts-beA versenden müsse. Der BGH neigt dazu, dies zu verneinen. Die Rechtsprechung zum persönlichen beA lasse sich nicht ohne weiteres auf die Übermittlung über das nicht personengebundene Gesellschaftspostfach einer prozessbevollmächtigten Berufsausübungsgesellschaft übertragen. Der Übermittlungsweg sei vielmehr mit der Übermittlung über ein Behördenpostfach vergleichbar, bei dem Sendender und Signierender nach der BGH-Rechtsprechung nicht identisch sein müssen. Daher ist wohl auch dieser Versendungsweg möglich.

Die entsprechende Formulierung – auch in seiner Ausführlichkeit – ist als deutlicher Hinweis an die Instanzgerichte zu verstehen, hier im Blick auf die Gewährung des effektiven Rechtsschutzes diese Möglichkeit anzuerkennen.

Für die anwaltliche Praxis ist der Beschluss des BGH eine deutliche Erleichterung. Auch über ein Gesellschafts-beA dürfen Schriftsätze ordnungsgemäß übermittelt werden.

Zitiervorschlag

BGH zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach: . In: Legal Tribune Online, 17.10.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/58412 (abgerufen am: 14.11.2025 )

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