BGH zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach: beA noch immer "keine sich auf­drän­gende Alter­na­tive"

von Hasso Suliak

16.11.2021

Anwälte sind vor dem Start der aktiven beA-Nutzungspflicht zum 01. Januar 2022 nicht verpflichtet, sich mit den Anforderungen und der Funktionsweise des Versands elektronischer Dokumente auseinanderzusetzen. Das bestätigte der BGH erneut.

Anwältinnen und Anwälte kann bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze derzeit nicht zugemutet werden, nach einem gescheiterten Übertragungsversuch, z.B. per Fax, zwingend auf eine Übermittlung des Schriftsatzes durch das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) zurückzugreifen. Dies entschied der Bundesgerichtshof (BGH) per Beschluss, der am Dienstag veröffentlicht wurde (Beschl.v. 29.09.2021, Az. VII ZB 12/21).

Die Karlsruher Richter:innen konkretisierten damit ihre Rechtsprechung vom Dezember (Beschl. v. 17. 12. 2020, Az.III ZB 31/20). Auch damals hatte der BGH entschieden: Wenn das Faxgerät bei Gericht streikt, muss ein Anwaltsschriftsatz zur Fristwahrung nicht zwingend mittels beA verschickt werden - jedenfalls solange noch keine aktive Nutzungspflicht für das beA gilt.

Im nunmehr zugrunde liegenden Fall war die fristgerechte Übermittlung einer Berufungsbegründung durch einen Anwalt am Abend des Ablaufs der Frist erneut an einem defekten Faxgerät des Gerichts gescheitert. Den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lehnte das Berufungsgericht (4. Zivilkammer des Landgerichts Aurich) mit der Begründung ab, dem Anwalt könne im Falle einer technischen Störung des Empfangsgeräts "nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs" nicht nur abverlangt werden, den Versand eines fristgebundenen Schriftsatzes ggf. über eine weitere Telefaxnummer des Gerichts zu versuchen, sondern auch über das beA.

BGH: beA-Nutzung unter Umständen für Anwälte zu aufwendig  

Dieser Rechtsauffassung schloss sich der BGH indes nicht an, sondern interpretierte seine eigene Rechtsprechung etwas anders als das LG und gab der Rechtsbeschwerde des Berufungsklägers statt. Von einem Rechtsanwalt könne beim Scheitern der gewählten Übermittlung infolge eines Defekts des Empfangsgeräts oder wegen Leitungsstörungen nicht verlangt werden, dass er innerhalb kürzester Zeit eine andere als die gewählte, vom Gericht offiziell eröffnete Zugangsart sicherstellt. Er habe schließlich sich und seine organisatorischen Vorkehrungen darauf eingerichtet, einen Schriftsatz weder selbst noch durch Boten oder per Post, sondern durch Telefax zu übermitteln. Wenn der Rechtsanwalt daraufhin feststelle, dass das Empfangsgerät gestört sei, sei es allenfalls zumutbar, im gewählten Übermittlungsweg nach Alternativen zu suchen, die sich aufdrängen.

Die Wahl eines anderen Übertragungsweges – wie im konkreten Fall z.B. das beA - käme, so der BGH, zwar nach bisheriger BGH-Rechtsprechung prinzipiell auch in Betracht, allerdings nur, wenn dieser Übertragungsweg sich auch aufdränge oder der Aufwand hierfür geringfügig sei. Eine Versendung über das beA käme jedenfalls dann nicht in Frage, "wenn der Prozessbevollmächtigte mit seiner Nutzung nicht hinreichend vertraut ist".

Dass Änwältinnen und Anwälte auch wenige Wochen vor Start der aktiven beA-Nutzungspflicht nicht mit dem beA vertraut sein müssen, unterstreicht der BGH zudem noch einmal mit aller Deutlichkeit: Rechtsanwältinnen und –anwälte seien derzeit nach § 31a Abs.6 Bundesrechtsanwaltsordnung nur zur passiven Nutzung des beA verpflichtet (§ 31a Abs. 6 BRAO).

Elf Prozent der niedergelassenen Anwälte noch ohne beA-Zugang

Bis zum Eintritt der aktiven Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs spätestens ab dem 01. Januar 2022 bestehe für die Rechtsanwaltschaft nun einmal keine allgemeine Pflicht, sich mit den Anforderungen und der Funktionsweise der Erstellung und des Versands elektronischer Dokumente auseinanderzusetzen. "Dieser Übermittlungsweg stellt für einen Rechtsanwalt, der das besondere elektronische Anwaltspostfach bisher nicht aktiv genutzt und hierüber keine Dokumente versandt hat, keine sich aufdrängende, mit geringfügigem Aufwand nutzbare Alternative dar, wenn am Tag des Fristablaufs die von ihm gewählte Übermittlung mittels Telefax aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen scheitert", formuliert der BGH.

Ob allerdings zum 01. Januar 2022 nun die gesamte Anwaltschaft hinreichend mit der Funktionsweise des beA vertraut sein wird, erscheint fraglich. Nach aktuellen Zahlen der Bundesrechtsanwaltskammer waren am 31.Oktober noch elf Prozent der niedergelassenen Anwältinnen und Anwälte ohne beA-Zugang. Bei den Syndizi liegt deren Zahl sogar bei 32 Prozent.

Zitiervorschlag

BGH zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach: beA noch immer "keine sich aufdrängende Alternative" . In: Legal Tribune Online, 16.11.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46665/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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