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37301

Fremdgelder falsch ausgezahlt: BGH vern­eint Ver­zugs­zinsen für Rechts­schutz­ver­si­cherer

Gastbeitrag von Martin W. Huff

28.08.2019

Schutzschild mit Paragraphen-Zeichen

© vegefox.com - stock.adobe.com

Ein Anwalt muss der Rechtsschutzversicherung keine Verzugszinsen zahlen, weil er Vorschüsse versehentlich an den Mandanten ausgezahlt hat. Warum der BGH die BRAO-Norm nicht als Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB sieht, erklärt Martin W. Huff.

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Für die Anwaltschaft ist die Zusammenarbeit mit den Rechtsschutzversicherern wichtig, denn noch immer decken die Versicherer die Kosten vieler Prozesse ab. Doch nicht immer klappt die Zusammenarbeit so, wie sie eigentlich sollte.

So auch in dem Fall, über den nun der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden hat. Ein Rechtsschutzversicherer hatte die Deckungszusage für ein Verfahren im Bankrecht erteilt und anschließend Gerichtskosten und Vorschüsse in Höhe von rund 6.200 Euro geleistet. Der Anwalt gewann den Prozess für den Mandanten, im November 2012 erstattete der Gegner ihm rund 8.000 Euro.

Diese Summe überwies der Rechtsanwalt aber versehentlich, wie sich ausdrücklich aus dem Sachverhalt ergibt, nicht an die Rechtsschutzversicherung, sondern an seinen Mandanten. Allerdings geht gemäß § 86 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) der Anspruch auf den Versicherer über, soweit dieser den Schaden ersetzt hat. Drei Jahre lang fiel das niemandem auf.

Als der Rechtsschutzversicherer sich dann nach dem Sachstand des Verfahrens erkundigte, überwies der Mandant, also der Versicherungsnehmer, ihm das Geld. Von dem Rechtsanwalt verlangt der Versicherer nun den Zinsschaden in Höhe von rund 1.100 Euro ersetzt; schließlich hätte er, so die Argumentation der Versicherung, das Geld direkt an sie überweisen müssen.

In allen drei Instanzen hatte die Klage keinen Erfolg. Auch der BGH hat diese mit eine jetzt veröffentlichten Urteil (v. 23.07.2019, Az. VI ZR 307/18) abgewiesen. Der Anwalt muss keine Zinsen an den Versicherer zahlen. Denn die berufsrechtliche Vorgabe, Fremdgelder unverzüglich auszuzahlen, sei kein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB.

§ 43 Abs. 5 S. 2 BRAO schützt jedenfalls nicht die Rechtsschutzversicherung

Der Rechtsanwalt wäre zwar aufgrund der berufsrechtlichen Vorschrift des § 43a Abs. 5 S. 2 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) verpflichtet gewesen, das Geld direkt an die Rechtsschutzversicherung zu zahlen.

Diese Norm, konkretisiert noch durch § 4 der Berufsordnung, verpflichtet den Anwalt, Fremdgelder unverzüglich auszukehren oder aber auf einem Anderkonto zu verwahren, wenn eine Auszahlung nicht unverzüglich möglich ist. Aber diese Vorschrift, so der BGH, sei kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.

Voraussetzung für die Annahme eines Schutzgesetzes, so der BGH, sei, dass zum Schutz Betroffener ein  individueller Schadensersatzanspruch sinnvoll ist. Dieser Anspruch muss auch im Lichte des haftungsrechtlichen Gesamtsystems tragbar sein und es muss ein enger Zusammenhang zwischen Schutzzweck und möglichem Schaden bestehen. Nur dann lassen sich nach Ansicht des BGH deliktische Ansprüche begründen.

Diese Voraussetzungen erfülle die Vorschrift des § 43a Abs. 5 S. 2 BRAO nicht. Es sei nicht erkennbar, dass der Empfangsberechtigte besonders geschützt werden sollte und ein etwaiger Verstoß dagegen nicht nur einen berufsrechtlichen Verstoß darstellen, sondern einen Schadensersatzanspruch auslösen sollte, meint der BGH.

Zumindest aber erkennt der Senat keine schützende Wirkung zugunsten der Rechtsschutzversicherung. Zwar habe der Rechtsanwalt gegenüber dem Mandanten besondere Pflichten. Diese seien aber nicht auf alle Empfangsberechtigten neben dem Mandanten, hier die Rechtsschutzversicherung, zu übertragen. Zwar deutet der BGH an, dass § 43a Abs. 5 BRAO als Schutzgesetz zugunsten des Mandanten anzusehen sei. Er lässt diese Frage aber ausdrücklich offen.  So stellen die Karlsruher Richter nur fest, dass das jedenfalls nicht zugunsten der Rechtsschutzversicherung gelte. Daher bestehe aus Deliktsrecht kein Schadensersatzanspruch der Versicherung gegen den Anwalt.

Mehr Nachfragen von den Versicherern zu erwarten

Vertragliche Ansprüche kamen hier nicht in Betracht, da der Rechtsanwalt sich mangels Mahnung, so der BGH, nicht in Verzug befand. Einen Verzug ohne Mahnung gem. § 286 Abs.2 BGB habe die Versicherung nicht vorgetragen.

So ganz befriedigend ist der Ausgang des Verfahrens nicht. Zum einen hätte der BGH klarstellen können, ob § 43a Abs. 5 S. 2 BGB ein Schutzgesetz gem. § 823 Abs. 2 BGB zugunsten des Mandanten ist, dies wäre ohne Probleme möglich gewesen.

Und auch ein schützenswertes Interesse der Rechtsschutzversicherung könnte man aus guten Gründen annehmen. Denn an sich wäre der Rechtsanwalt auch verpflichtet gewesen, von sich aus die Rechtsschutzversicherung über den Ausgang des Verfahrens zu informieren. Das gehört eigentlich zum Alltag in einer Kanzlei, jedenfalls aus einer nebenvertraglichen Pflicht aus dem Anwaltsvertrag kann es hergeleitet werden. Aus der Akte ist schließlich erkennbar, dass es eine Deckungszusage gab und wer die Vorschüsse gezahlt hat.

Für Rechtsschutzversicherer bedeutet das, dass sie die Rechtsanwälte in Zukunft öfter nach dem Stand des Verfahrens fragen werden, damit sie Rückzahlungen rechtzeitig erhalten. Für die Anwälte sei darauf hingewiesen, dass die BGH-Entscheidung bloß die zivilrechtliche Frage von Verzugszinsen betrifft. An dem berufsrechtlichen Verstoß durch die falsche Auszahlung, die entgegen § 43a Abs. 5 BRAO nicht an den Berechtigten erfolgte, ändert das BGH-Urteil nichts. Mehr Sorgfalt ist daher angebracht, von beiden Seiten.

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Fremdgelder falsch ausgezahlt: . In: Legal Tribune Online, 28.08.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/37301 (abgerufen am: 15.05.2025 )

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