Druckversion
Freitag, 9.06.2023, 12:54 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/juristen/b/bgh-izr11320-vertragsgenerator-smartlaw-legal-tech-keine-unzulaessige-rechtsdienstleistung-rdg-rechtsberatung/
Fenster schließen
Artikel drucken
45963

BGH sieht keinen Verstoß gegen Rechtsdienstleistungsgesetz: Digi­taler Ver­trags­ge­ne­rator ist zulässig

von Pauline Dietrich

09.09.2021

Mann hält Tablet in der Hand.

Eugenio Marongiu - stock.adobe.com

Der Vertragsgenerator Smartlaw erstellt mittels eines Frage-Antwort-Katalogs Verträge und andere Rechtsdokumente. Das ist keine unzulässige Rechtsdienstleistung, hat nun der BGH entschieden.

Anzeige

Die Legal-Tech-Anwendung Smartlaw des Informationsdienstleisters Wolters Kluwer, zu dem auch die LTO gehört, ist zulässig. Der digitale Vertragsgenerator stelle keine wettbewerbswidrige Rechtsdienstleistung dar, sondern sei eher mit einem Formularhandbuch vergleichbar, so der Bundesgerichtshof (BGH, Urt. v. 09.09.2021, Az. I ZR 113/20).

Der streitgegenständliche Generator wendet sich an Verbraucher und kleinere Unternehmen und erstellt mithilfe eines Frage-Antwort-Katalogs im Multiple-Choice-Verfahren Rechtsdokumente, insbesondere Verträge zu Rechtsthemen. Die klagende Hanseatische Rechtsanwaltskammer (RAK) Hamburg sah darin einen wettbewerbswidrigen Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG). Die von dem Vertragsgenerator erbrachte Dienstleistung falle unter § 2 RDG und dürfe nur von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten erbracht werden, argumentierte die RAK.

Zunächst entschied das Landgericht (LG) Köln im Jahr 2019 zugunsten der klagenden RAK. Die Nutzung des Vertragsgenerators sei wie eine Dienstleistung eines Rechtsanwalts einzustufen. Vor dem LG hatte die RAK außerdem die Werbung von Wolters Kluwer für Smartlaw erfolgreich beanstandet. Die damals streitgegenständlichen Formulierungen sind jedoch mittlerweile geändert worden.

Liegt eine "Tätigkeit" eines Rechtsdienstleisters vor?

Im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht (OLG) Köln ging es deshalb nur noch um die Frage des Verstoßes gegen das RDG. Das OLG entschied hier anders als die Vorinstanz. Der RAK stehe kein Unterlassungsanspruch zu, weil die Software als solche keine "Tätigkeit" eines Rechtsdienstleisters nach § 2 Abs. 1 RDG sei. Die Tätigkeit liege vielmehr in der Entwicklung und Bereitstellung der Software. Nutzt ein Anwender dann die Software sei das der Beklagten nicht zuzurechnen.

Außerdem laufe das Programm nach einer festen Routine ab und füge einen Sachverhalt lediglich in ein vorgegebenes Raster ein. Eine Einzelfallprüfung, wie § 2 Abs. 1 RDG sie fordert, finde daher gar nicht statt. Der Vertragsgenerator erweitere das bestehende Hilfsangebot der anwaltlichen Tätigkeit lediglich, wie Formularhandbücher es auch tun.

Der BGH stimmt dem OLG zu und wies die Revision der RAK nun zurück. Wolters Kluwer werde nicht in einer konkreten Angelegenheit des Nutzers des Vertragsgenerators tätig, sondern habe diesen lediglich auf Grundlage von denkbaren typischen Sachverhaltskonstellationen programmiert und im Vorgriff auf die vorgegebenen Antworten standardisierte Vertragsklauseln entwickelt. Der Nutzer erwarte auch keine rechtliche Prüfung seines konkreten Falls, so der BGH.

Wird der Gesetzgeber für Rechtssicherheit sorgen?

Die RAK Hamburg erklärte in ihrer Pressemitteilung, sie sehe es nach dieser Entscheidung "mit Sorge, dass der Schutz des Rechtsdienstleistungsgesetzes vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen leerläuft, sobald die Ausarbeitung komplexer Verträge, für die die Inanspruchnahme anwaltlichen Rates durchweg unerlässlich ist, von jedermann erbracht werden darf, wenn dies automatisiert erfolgt". Entsprechende Angebote großer juristischer Fachverlage mögen geeignet sein, die Bedürfnisse von Verbrauchern und Unternehmen im Einzelfall zu befriedigen und den Gang zum Anwalt zu ersparen, so die RAK weiter, der Schutz gegen unqualifizierte Angebote, insbesondere unseriöser und keiner Aufsicht unterliegender Anbieter, werde hierdurch jedoch nicht gewährt.

Wolters Kluwer begrüßte die Entscheidung in einer Pressemitteilung. Kristina Schleß, Assistant General Counsel Legal & Regulatory Europe bei Wolters Kluwer sagte: "Wir freuen uns über die Bestätigung unserer Rechtsauffassung durch den BGH." Eine für viele Standardfälle programmierte Software könne keine Rechtsberatung im Sinne des Gesetzes sein und diese auch nicht ersetzen, betonte Schleß – zumindest so lange sie, wie Smartlaw, lediglich auf einem Algorithmus basiere, der vordefinierte Entscheidungsbäume abarbeitet, und nicht etwa auf künstlicher Intelligenz.

"Mit Blick auf die Zukunft und eine Weiterentwicklung der Technologien bleibt das Thema allerdings spannend. Es wird abzuwarten sein, ob der Gesetzgeber hier mit einer klaren Vorgabe für Rechtssicherheit sorgt", so Schleß weiter. Christian Lindemann, Geschäftsführer und Leiter des Geschäftsbereichs Legal & Regulatory, erklärte: "Aus unserer Sicht sind 'Legal Tech'-Angebote für Verbraucher und kleine/mittlere Unternehmen eine gute Ergänzung zur individuellen Rechtsberatung durch einen Anwalt". Er begrüße die grundsätzliche Klärung durch den BGH und sehe das Urteil als Stärkung für einen wachsenden Markt, der mithilfe von Legal Tech juristische Prozesse automatisiert.

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

BGH sieht keinen Verstoß gegen Rechtsdienstleistungsgesetz: Digitaler Vertragsgenerator ist zulässig . In: Legal Tribune Online, 09.09.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45963/ (abgerufen am: 09.06.2023 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Gewerblicher Rechtsschutz
    • Anwaltsberuf
    • BGH
    • Digitalisierung
    • Legal Tech
    • Verlage
    • Vertragsrecht
  • Gerichte
    • Bundesgerichtshof (BGH)
08.06.2023
Anwaltsberuf

BGH zur Arbeitnehmerüberlassung von Juristen:

Aus­ge­lie­hene Pro­jekt­ju­risten dürfen keine Anwälte sein

Wer als Jurist an eine Kanzlei ausgeliehen ist und für diese nach außen auftreten soll, kann weder als Rechtsanwalt noch als Syndikus zugelassen werden. Das stellte der BGH jetzt in einem Grundsatzurteil klar. Martin W. Huff erläutert.

Artikel lesen
06.06.2023
Justiz

Gesetzesentwurf des BMJ für bessere Prozessökonomie:

Sch­nelle Lei­t­ent­schei­dungen des BGH

Nach einem Gesetzesentwurf des BMJ soll der BGH künftig Leitentscheidungen in Massenverfahren treffen können, auch wenn eine Revision bei ihm gar nicht mehr anhängig ist. Dadurch sollen Gerichte entlastet und Verfahren beschleunigt werden.

Artikel lesen
09.06.2023
Wahlrecht

Abstrakte Normenkontrolle angekündigt:

Linke und Uni­on­s­par­teien wollen gegen neues Wahl­recht vor­gehen

Linke und CSU bald nicht mehr im Bundestag? Nach dem neuen Wahlrecht zumindest ein mögliches Szenario. Die ohnehin umstrittene Reform hat der Bundespräsident nun unterzeichnet, jetzt könnte das BVerfG entscheiden.

Artikel lesen
09.06.2023
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)

70 Jahre Bundesverwaltungsgericht:

Hier geht es gegen die Bun­des­re­pu­blik Deut­sch­land

Zu seinem 70. Geburtstag muss sich das BVerwG mit zahlreichen Beschleunigungsvorhaben und einem holprigen Geschichtsprojekt auseinandersetzen. Seine Rolle als Gericht, das die Durchsetzung von Grundrechten mitgestaltet, wird unterschätzt.

Artikel lesen
08.06.2023
Medien

Schertz Bergmann übernimmt Vertretung:

Till Lin­de­mann geht in den Angriffs­modus über

Mehrere Frauen erheben schwere Vorwürfe gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann. Es geht um K.O.-Tropfen, Alkohol und sexuelle Handlungen. Der Sänger kündigt nun mit Schertz Bergmann Rechtsanwälten rechtliche Schritte wegen der Vorwürfe an.

Artikel lesen
07.06.2023
Diskriminierung

Diskriminierungsvorwurf in München:

Jura­fa­kultät der LMU dis­tan­ziert sich von Semina­ran­kün­di­gung

An der LMU sorgt eine Seminarankündigung zum Arbeitsrecht für Aufsehen. Die zu diskutierenden Rechtsfragen darin seien diskriminierend und herablassend formuliert worden. Nun distanziert sich das Professorium von den Passagen seines Kollegen.

Artikel lesen

Jobsuche

Suchoptionen
TopJOBS
As­so­cia­tes (m/w/x) für den Be­reich Un­ter­neh­mens­recht (Ver­trags­recht, IP,...

Freshfields Bruckhaus Deringer , Frank­furt am Main

As­so­cia­tes (m/w/x) für den Be­reich Geis­ti­ges Ei­gen­tum und...

Freshfields Bruckhaus Deringer , Frank­furt am Main

Voll­ju­ris­ten (m/w/d) – Ih­re Zu­kunft in der hes­si­schen Jus­tiz

Hessisches Ministerium der Justiz , Wies­ba­den

Ju­rist*in (m/w/d) für die in­ter­ne Rechts­be­ra­tung im Rechts­ge­biet...

Stadt Köln , Köln

Rechts­an­walt (m/w/d) im Ge­werb­li­chen Rechts­schutz, IT- und Me­di­en­recht ...

weber • sauberschwarz , Düs­sel­dorf

Stu­den­ti­sche Aus­hil­fen (w/m/d)

Johlke Niethammer & Partner , Ham­burg

Wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter (m/w/x)

Freshfields Bruckhaus Deringer , Mün­chen

Se­nior Di­gi­tal Pro­duct Ma­na­ger - WKO (m/w/d)

Wolters Kluwer Deutschland GmbH , Hürth

Sta­ti­ons­re­fe­ren­da­re (m/w/x)

Freshfields Bruckhaus Deringer , Mün­chen

Sala­ry Part­ner (w/m/d) Pa­t­ents & Tech­no­lo­gy

Taylor Wessing , Mün­chen

Alle Stellenanzeigen
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH