Wer als Rechtsanwalt zum Insolvenzverwalter bestellt ist, muss Schriftsätze an Gerichte im elektronischen Rechtsverkehr einreichen. Entscheidend sei die berufliche Tätigkeit als Anwalt, so der BGH. Erläuterungen von Martin W. Huff.
Seit 1. Januar 2022 besteht für Rechtsanwälte, Behörden und andere Einrichtungen die Pflicht Schriftsätze bei den Gerichten im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs einzureichen. So sehen es insbesondere § 130d Zivilprozessordnung (ZPO) und nahezu gleiche Regelungen in den anderen Prozessordnungen ausdrücklich vor. Für die Anwaltschaft bedeutet dies in der Regel die Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA), wie es in § 31a der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO geregelt ist. Doch seit der Neuregelung stellen sich immer wieder Fragen nach dem Begriff der "anwaltlichen Tätigkeit", die zur Pflicht der elektronischen Kommunikation führt.
Anschaulich ist die am Montag vom BGH veröffentlichte Entscheidung, die einen anwaltlichen Insolvenzverwalter betraf (Beschl. v. 24. 11. 2022, Az. IX ZB 11/22). Der Rechtsanwalt war zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden. Er beantragte eine bestimmte Vergütung für seine Tätigkeit beim Insolvenzgericht. Als das Insolvenzgericht die Vergütung deutlich niedriger festsetzte als von ihm beantragt, legte er gegen den am 21.12.2021 zugestellten Beschluss am 4.1.2022 per Fax und im Original Beschwerde beim Insolvenzgericht ein.
Das Gericht akzeptierte diese in dieser Form jedoch nicht, sondern wies den Mann darauf hin, dass er zu einer elektronischen Einreichung verpflichtet sei. Bei dem Anwalt stieß dies auf Unverständnis: In seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter sei er zur Nutzung eines elektronischen Weges nicht verpflichtet.
Rechtsbeschwerde erfolglos
Und so kam es, wie es kommen musste: Das Landgericht (LG) Landau wies die Beschwerde des Insolvenzverwalters ab. Und nun blieb auch seine Rechtsbeschwerde zum BGH erfolglos.
Der BGH schloss sich der Auffassung des LG an, wonach der Insolvenzverwalter als zugelassener Rechtsanwalt gemäß § 130 d ZPO in Verbindung mit § 4 Satz 1 Insolvenzordnung (InsO) verpflichtet ist, den elektronischen Rechtsverkehr bei der Korrespondenz mit den Gerichten zu nutzen. Die Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs gelte auf jeden Fall für den Rechtsanwalt dann, wenn er im Insolvenzverfahren Rechtsmittel einlegt.
Der BGH weist in seiner Begründung ausdrücklich darauf hin, dass die Gerichte von Amts wegen im Rahmen der Zulässigkeit prüfen müssen, ob eine Prozesserklärung wirksam erfolgt ist oder nicht. Ist die vorgeschriebene Form nicht eingehalten, dann ist die Prozesserklärung unwirksam.
Der BGH stellt klar, dass über die Verweisung des § 4 Satz 1 InsO auf die ZPO zur Anwendung der ZPO auch in Bezug auf den elektronischen Rechtsverkehr führt. Abgelehnt wird dabei das zum Teil in der Literatur verwendete Argument, dass es hier zu einer Ungleichbehandlung gegenüber dem nichtanwaltlichen Insolvenzverwalter kommt, der keine Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs hat. Schließlich, so der BGH, bedeute die Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs auch in diesem Fall für den Rechtsanwalt keinen Nachteil, da er sowieso die technischen Möglichkeiten dafür gemäß § 31a BRAO vorhalten müsse. Auch für eine einschränkende Auslegung sahen die Richter keinen Anlass. So hatte der Insolvenzverwalter argumentiert, dass § 130d ZPO nur für die Vertretung einer Partei im gerichtlichen Verfahren gelte und zum Beispiel nicht, wenn der Rechtsanwalt sich selbst vertrete.
BGH: Zulassung als Anwalt entscheidend
Schließlich verweist der BGH auch auf die Gesetzesbegründung, die von einer umfassenden Verpflichtung zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs ausgehe. Das Bestreben des Gesetzgebers, den elektronischen Rechtsverkehr mit der Justiz möglichst weitgehend durchzusetzen, führe auch dazu, die Vorschriften grundsätzlich auf alle Rechtsanwälte und ihre Tätigkeiten anzuwenden. Weiter besäßen auch die wenigen nichtanwaltlichen Insolvenzverwalter über das neue elektronische Bürgerpostfach (EBO) die Möglichkeit, elektronisch mit den Gerichten zu kommunizieren. Ab 1.1.2024 bestehe für sie sogar eine passive Nutzungspflicht "zur Ermöglichung elektronischer Zustellungen der Gerichte".
Der BGH liegt damit grundsätzlich auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung, die auf die Anwaltseigenschaft und das Auftreten nach außen abstellt. So hatte seinerzeit etwa das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm einen bei einem Arbeitgeberverband tätigen Syndikusrechtsanwalt verpflichtet, dann wenn er als Syndikusrechtsanwalt gegenüber einem Gericht auftritt, den elektronischen Rechtsverkehr zu nutzen (Beschl. v. 27. 9. 2022, Az. 10 Sa 229/22). Auch das LAG verwarf das Argument, dass ja der Verband als solches nicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs verpflichtet sei.
Wer also als Rechtsanwalt zugelassen ist und in dieser Eigenschaft auch andere Tätigkeiten ausübt und ausüben darf, der muss in Zukunft damit rechnen, dass von ihm grundsätzlich die Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs verlangt wird. Sich auf den Standpunkt stellen, in der Eigenschaft etwa als Insolvenzverwalter oder als Vertreter eines Arbeitgebers sei man nicht verpflichtet elektronisch mit den Gerichten zu kommunizieren, verfängt nicht mehr.
Wer den elektronischen Rechtsverkehr nicht nutzt, riskiert nicht nur, dass seine Prozesserklärungen als unzulässig angesehen werden. Es blühen unter Umständen auch ganz erhebliche Haftungsprobleme.
BGH zu Anwalt als Insolvenzverwalter: . In: Legal Tribune Online, 03.01.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50645 (abgerufen am: 04.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag