BGH schafft Klarheit für Unternehmensjuristen: Syn­di­kus­zu­las­sung auch in Eltern­zeit, Krank­heit und Urlaub

Gastbeitrag von Martin W. Huff

15.04.2019

Wer als Syndikusrechtsanwalt in Elternzeit geht, lange krank ist oder seinen Urlaub nimmt, verliert nicht seine Zulassung, entschied der BGH. Er kann diese in dieser Zeit sogar beantragen und erhalten, erklärt Martin W. Huff.

Bei der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt, die rund 17.000 Juristen mittlerweile bundesweit erhalten haben, ist eine der Besonderheiten, dass diese ihre Tätigkeit "ausüben" müssen. Dies schreibt § 46 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) so vor. Das ist ein erheblicher Unterschied zu den "niedergelassenen Rechtsanwälte", also solchen Rechtsanwälten, die in eigener Kanzlei oder als angestellte Rechtsanwälte tätig sind. Bei ihnen ist dieses Merkmal nicht erforderlich.

Was unter dem Begriff "ausüben" bei Syndikusrechtsanwälten zu verstehen ist, war insbesondere zwischen der Deutschen Rentenversicherung Bund und den regionalen Rechtsanwaltskammern heftig umstritten. Hintergrund des seit Jahren in unterschiedlichen Konstellationen schwelenden Konflikts ist, dass, wer als Syndikusanwalt zugelassen ist, ins Rechtsanwaltsversorgungswerk einzahlen kann, also nicht an die DRV Bund zahlt.

Die Deutsche Rentenversicherung Bund vertrat bisher die Auffassung, dass, wer im Zeitpunkt der Entscheidung über seinen Antrag (dieses Datum ist verwaltungsrechtlich maßgeblich) seine Tätigkeit aus welchen Gründen auch immer nicht mehr wahrnimmt, nicht als Syndikusrechtsanwalt zugelassen werden kann bzw. sogar seine bereits erteilte Zulassung durch Widerruf verlieren kann. Denn Syndikusrechtsanwalt könne nur sein, wer tatsächlich tätig ist.

Das sollte laut der Deutschen Rentenversicherung Bund auch für Unternehmensjuristen gelten, die zwar eine Syndikustätigkeit ausübten, sich aber im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung in Elternzeit befanden. Auch dann würde eine Tätigkeit nicht mehr ausgeübt, meinte die Deutsche Rentenversicherung Bund und ließ sich davon auch mit Hinweis auf Art. 6 des Grundgesetzes und den Schutz von Ehe und Familie nicht abbringen.

Anwaltskammer ließ Syndika in Elternzeit zu

Dieser Ansicht hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun eine klare Absage erteilt. Im Leitsatz seiner kürzlich veröffentlichten Entscheidung vom 18. März 2019 (Az. AnwZ (Brfg) 6/18) formuliert der Anwaltssenat eindeutig: "Entspricht die vom Antragsteller zuletzt ausgeübte Tätigkeit den Anforderungen des §46 Abs.2 bis 5 BRAO, kann der Antrag auf Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nicht allein deshalb abgelehnt werden, weil der Antragsteller im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung Elternzeit in Anspruch nimmt".

Entschieden haben die Anwaltsrichter dies im Fall einer Anwältin aus dem Bezirk der Rechtsanwaltskammer Stuttgart. Diese war als Rechtssekretärin einer Gewerkschaft beschäftigt und erfüllte nach Ansicht der Rechtsanwaltskammer für diese Tätigkeit alle Merkmale für die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin. Als das neue Recht zum 1. Januar 2016 in Kraft trat und während der Übergangsfrist zur Antragstellung bis zum 1. April 2016 übte die Anwältin allerdings ihre Tätigkeit gerade nicht aus, weil sie sich bereits seit Mitte 2015 in Elternzeit befand.

Die Rechtsanwaltskammer Stuttgart erteilte ihr dennoch die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin, weil sie auf die letzte ausgeübte Tätigkeit abstellte. Und diese sei die einer Syndikusrechtsanwältin. Dass im Augenblick das Arbeitsverhältnis aufgrund der Elternzeit ruhe, könne an der auszusprechenden Zulassung nichts ändern. Ein Widerruf der Zulassung käme nur dann in Betracht, wenn die betroffene Rechtsanwältin nach ihrer Rückkehr aus der Elternzeit nicht mehr dieselbe Tätigkeit ausüben und sich daher die Frage stellen würde, ob die neue Tätigkeit eine Syndikustätigkeit sei oder nicht. Die Rechtsanwältin kam also in den Genuss der raschen Zulassung und auch der Rückwirkung in rentenrechtlicher Hinsicht auf den Beginn ihrer Tätigkeit.

BGH: Syndikuszulassung auch in Elternzeit, Urlaub und Krankheit

Gegen diese Zulassung klagte die Deutsche Rentenversicherung Bund. Und verlor sowohl vor dem Anwaltsgerichtshof in Baden-Württemberg als auch vor dem Anwaltssenat in Karlsruhe.

Die Richter stellen in ihrer ausführlichen Urteilsbegründung dar, dass dann, wenn eine Tätigkeit vorübergehend nicht ausgeübt wird, obwohl das Arbeitsverhältnis weiter besteht, kein Grund gegeben ist, die Syndikuszulassung nicht zu erteilen oder eine erteilte Zulassung zu widerrufen.

Sie sprechen dabei, obwohl nicht entscheidungserheblich, nicht nur die Fälle der Elternzeit, sondern auch die Fälle von Erkrankungen und Urlaub an. In allen Fällen bestehe das Arbeitsverhältnis fort, bloß wird die Tätigkeit vorübergehend nicht ausgeübt.

Diese Fälle seien von dem Fall des "freigestellten Betriebsrats" zu unterscheiden, der nicht mehr seine eigentliche Tätigkeit ausübt, sondern als Betriebsrat eine andere Tätigkeit, wenn auch eine ehrenamtliche. Dies hatte der Bundesgerichtshof so am 29. Januar  2018 so entschieden (Az. AnwZ (Brfg) 12/17).

Anders womöglich bei anderem Nebenjob in der Elternzeit

Allerdings stellen die Richter klar, dass es auch Unterschiede gebe zwischen Erholungsurlaub sowie Erkrankung einerseits und der Elternzeit andererseits.

Die Elternzeit dauere länger oder kann jeweils länger dauern als ein Erholungsurlaub oder eine vorübergehende Erkrankung (vgl. § 15 Abs. 2 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, BEEG). Während der Elternzeit darf der Arbeitnehmer zudem bis zu 30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats erwerbstätig sein; mit Zustimmung seines Arbeitgebers kann er auch eine Teilzeitarbeit bei einem anderen Arbeitgeber oder eine selbständige Tätigkeit aufnehmen (§ 15 Abs. 4 BEEG).

Die Aufnahme einer Tätigkeit, die nicht derjenigen entspricht, für welche die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt beantragt oder erteilt worden ist, schließt die Zulassung aus und erfordert den Widerruf einer bereits erteilten Zulassung (§ 46b Abs. 2, 3 BRAO), schreiben die Richter.

Eine geringfügige Tätigkeit in der Syndikustätigkeit bleibt dennoch grundsätzlich möglich. Entscheidend ist laut dem BGH, ob und in welcher Weise der jeweilige Antragsteller oder Syndikusrechtsanwalt von dieser Möglichkeit Gebrauch macht. Dies sei der Unterschied zum Fall des freigestellten Betriebsrats, der von seiner Syndikustätigkeit eben gänzlich freigestellt ist.

Auch auf Altersteilzeit im Blockmodell übertragbar

Diese völlig zutreffende Entscheidung der Karlsruher Richter hat große praktische Bedeutung, gerade auch angesichts des hohen Frauenanteils unter den Syndikusrechtsanwälten. Sie stellt zu Recht Syndikusrechtsanwälte in diesen Punkten den niedergelassenen Anwälten gleich. Auch bei ihnen käme keiner auf die Idee, bei Urlaub, Krankheit oder Elternzeit die Zulassung zu widerrufen.

Wer also als Syndikusrechtsanwalt in Elternzeit geht, seinen Urlaub nimmt oder länger krank ist, der kann seine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt erhalten und behalten, mit einem Widerruf durch die Rechtsanwaltskammer muss er nicht mehr rechnen.

Diese Wertung dürfte auch auf die Altersteilzeit im sogenannten Blockmodell übertragbar sein, denn auch hier besteht der Arbeitsvertrag weiterhin.

Der Autor Martin W. Huff ist Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln und Rechtsanwalt in der Kanzlei Legerlotz Laschet Rechtsanwälte in Köln. Er befasst sich seit Jahren mit Fragen des anwaltlichen Berufsrechts.

Zitiervorschlag

BGH schafft Klarheit für Unternehmensjuristen: . In: Legal Tribune Online, 15.04.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34901 (abgerufen am: 01.11.2024 )

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