Die Berliner Kammerversammlung hat nach dem Desaster um das Anwaltspostfach dem Präsidenten sowie dem Vizepräsidenten der BRAK ihr Misstrauen ausgesprochen. Die Anwaltskammer Berlin muss nun auf deren Rücktritt hinwirken.
Bei der Kammerversammlung in Berlin ging es auch im Jahr 2018 hoch her. Grund war in diesem Jahr nicht die Problematik rund um Status und Altersversorgung der Syndikusanwälte, die in den vergangenen Jahren für Furore gesorgt hatte.
Am Mittwoch diskutierten 532 Kammermitglieder aus der Hauptstadt in der Urania stattdessen das Desaster um das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA), das seit Ende Dezember offline ist, nachdem Mitglieder des Chaos Computer Clubs massive Sicherheitslücken aufgedeckt hatten. Frühestens Ende März soll es laut der für Umsetzung und Betrieb des beA verantwortlichen Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) weitere Informationen dazu geben, welche Umbaumaßnahmen erforderlich werden und wann das Postfach, zu dessen zumindest passiver Nutzung alle deutschen Anwälte seit dem 1. Januar 2018 eigentlich verpflichtet sind, wieder online gehen kann.
Wie ein Sprecher der Rechtsanwaltskammer (RAK) Berlin gegenüber LTO bestätigte, hat die Kammerversammlung daher am Mittwoch dem Präsidenten der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), Ekkehard Schäfer, und deren für die Einführung des beA zuständigen Vizepräsidenten, Dr. Martin Abend, ihr Misstrauen ausgesprochen. 89,11 Prozent der Anwesenden sprachen sich dafür, 10,89 Prozent dagegen aus.
Zudem hat die Kammerversammlung den Vorstand der RAK aufgefordert, auf den Rücktritt von Schäfer und Abend hinzuwirken. Dafür sprachen sich bei der Abstimmung 73,53 Prozent aus, 26,47 Prozent der anwesenden Anwälte waren dagegen. Der Vorstand muss diese Forderung der Kammerversammlung umsetzen.
Offenlegung der Quelltexte und Audits des Programmcodes*
Seitdem die BRAK das Postfach offline schalten musste, gibt es massive Kritik sowohl an der Umsetzung des IT-Großprojekts durch die Dachorganisation der Anwaltschaft als auch an deren Kommunikation gegenüber ihren Mitgliedern. Die Berliner Anwaltskammer unter Leitung von Präsident Dr. Marcus Mollnau hat dabei - wie auch die RAK Hamburg - stets aktiv und unabhängig von der Kommunikation der BRAK von den Sitzungen der Kammerpräsidenten zum Thema berichtet.
*Update, 17:44 Uhr: Auch auf der Kammerversammlung wurde die Kommunikation der BRAK massiv kritisiert. Bezüglich der Zukunft des Systems sprach sich mit 96 Prozent eine überwältigende Mehrheit der Anwälte für eine Offenlegung der Quelltexte der beA-Software unter Open-Source- oder Freie-Software-Lizenzen sowie für eine unabhängige Durchführung von Sicherheitsaudits des gesamten Programmcodes aus. Zugleich wurde die vollständige Veröffentlichung aller Testergebnisse gefordert. "Nur damit wird es gelingen, das zerstörte Vertrauen in das beA wieder herzustellen", äußerte sich Mollnau.
Eine Mehrheit der Versammlungsteilnehmer sprach sich am Dienstag grundsätzlich für den elektronischen Rechtsverkehr aus. Ein Antrag, der sich gegen die Nutzungspflicht des beA richtete, erhielt keine Mehrheit. Auch Anträge betreffend die immer wieder kritisierten Beiträge, die die Kammern für das beA erheben, obgleich dieses nicht funktioniert, wurden abgelehnt.
Pia Lorenz, Berliner Anwälte nach dem beA-Gate: . In: Legal Tribune Online, 08.03.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27401 (abgerufen am: 10.12.2024 )
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