Verliert die BRAK beim Thema beA die Nerven? In einem Schreiben an den DAV zeigt sich deren Präsident Schäfer empört über die Kritik des Anwaltvereins an der Informationspolitik der BRAK zum beA. Der DAV weist die Kritik zurück.
Bei der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) liegen die Nerven offenbar blank: Auf kritische Worte des Deutschen Anwaltvereins (DAV), die dieser in einem LTO-Artikel zur aktuellen Entwicklung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) gegenüber der verantwortlichen BRAK geäußert hatte, reagiert ihr Präsident Ekkehart Schäfer ungehalten. In einem vom 30.05.2018 datierten Schreiben an den DAV-Präsidenten Ulrich Schellenberg, das auch an alle Regionalkammern zur Kenntnis verschickt wurde, bezichtigt BRAK-Präsident Schäfer den DAV-Vorstand Martin Schafhausen, "inhaltlose Kritik an der BRAK" geübt zu haben.
Schafhausen hatte unter anderem die Entscheidung der BRAK kritisiert, die Quelltexte der Software unter Umständen erst nach der Wieder-Inbetriebnahme des beA zu veröffentlichen: "Dann würde der Effekt verloren gehen. Schließlich gilt es, mögliche Sicherheitslücken vor Inbetriebnahme und nicht erst wieder danach zu schließen", so Schafhausen, der auch Vorsitzender des Ausschusses für den Elektronischen Rechtsverkehr (ERV) beim DAV ist. Außerdem hatte Schafhausen gegenüber LTO bedauert, "dass die BRAK den eingeschlagenen Weg der Transparenz nicht zügig weiterverfolgt." Nach fast sechs Monaten seit Abschaltung des beA werde es Zeit, den Schleier der Geheimhaltung zu lüften, so der IT-Anwalt.
Schafhausen bezog sich mit seinen Äußerungen auf das Gutachten der Secunet AG. Das externe Sicherheitsunternehmen, das die Sicherheitslücken des beA untersucht hat, auf welche Experten die BRAK in den vergangenen Monaten hingewiesen hatten, liegt der BRAK seit Mittwoch vor. Schafhausen und andere Anwälte plädieren für eine zügige Veröffentlichung, damit das Gutachten auch noch auf dem anstehenden Deutschen Anwaltstag (DAT) am kommenden Freitag diskutiert werden kann.
Schäfer: "Keine erhellenden und stichhaltigen Argumente"
BRAK-Präsident Schäfer reagierte nun in dem Schreiben, das LTO vorliegt, auf die Kritik des DAV: Die Äußerungen Schafhausens zur Offenlegung des Quellcodes gingen "in die falsche Richtung". Die Präsidenten der regionalen Kammern hätten in der vergangenen Präsidentenkonferenz ihre Entscheidung zu einer eventuellen Veröffentlichung des Gutachtens deshalb vertagt, weil ihnen die Vorteile des Einsatzes von Open Source nicht hinreichend erkennbar seien, so Schäfer. Auch habe "der Herr Kollege Schafhausen hierzu bislang keine erhellenden oder stichhaltigen Argumente geliefert, sondern beschränkt sich auf inhaltslose Kritik an der BRAK", heißt es in dem Brief an den DAV.
Weiter wies der BRAK-Präsident die im LTO-Artikel geäußerte Kritik des DAV am Umgang mit dem Secunet-Gutachten zurück: "Den im Artikel geäußerten Vorwurf, die BRAK agiere intransparent, weise ich zurück." Schäfer schrieb, die BRAK habe mehrfach betont, dass das Gutachten der Firma secunet veröffentlicht werde.
DAV-Mann Schafhausen reagierte unterdessen erstaunt über die harschen Worte des scheidenden BRAK-Präsidenten: "Der DAV hat von vornherein stets Offenheit und Transparenz beim beA angemahnt. Dazu gehört auch, dass die BRAK die Gutachten zur Sicherheit des beA veröffentlichen soll. Dies hat sie selbst angekündigt und daran halten wir sie jetzt fest", sagte er zu LTO. Transparenz bei Fragen der Sicherheit sei ein ganz wesentliches Thema für den DAV, so der Anwalt. "Wir vertreten hier die Interessen der Anwaltschaft". Nur mit absoluter Transparenz und Offenheit werde es laut Schafhausen gelingen, "das Vertrauen der Anwaltschaft in die Sicherheit des Anwaltspostfaches und den elektronischen Rechtsverkehr zurückzugewinnen". Schafhausen hielt den Worten des BRAK-Präsidenten entgegen: "Wir haben der BRAK immer angeboten, beim beA zusammenzuarbeiten. Auch in einem unabhängigen Beirat."
beA-Diskussion auf dem DAT – auch mit der BRAK
Von den Ergebnissen des Gutachtens der Firma Secunet erwartet man sich Aufschluss darüber, wann das beA endlich wieder an den Start gehen kann. Das beA ist seit kurz vor Weihnachten trotz Nutzungspflicht der Anwälte offline. IT-Experten hatten massive Sicherheitslücken entdeckt. Ob das Gutachten am Freitag auch Grundlage für eine bereits seit langem angesetzte Diskussion über das beA auf dem Anwaltstag in Mannheim sein wird, ist weiter offen. Das Präsidium der BRAK wird sich am heutigen Montag noch mit dem Gutachten befassen und gegebenenfalls Rückfragen an die Firma Secunet stellen. Vor einer Veröffentlichung des Gutachtens behalte man sich vor, "das Gutachten erst einmal selbst zu lesen und Verständnisrückfragen mit Secunet zu klären", hatte die BRAK der LTO vergangenen Dienstag mitgeteilt.
Schäfer zeigte sich in seinem Schreiben an den DAV-Präsidenten allerdings "erstaunt" darüber, dass das von der BRAK in Auftrag gegebene Gutachten Gegenstand der Diskussion auf dem DAT sein sollte. "Davon war mir nichts bekannt", so Schäfer in dem Brief. Außerdem hätte er dann auch "mit einer Einladung des DAV gerechnet oder zumindest mit der Anfrage, wann er das Gutachten erhalten könne."
Was Schäfer möglicherweise nicht weiß: Zu der DAV-Veranstaltung zum beA auf dem DAT hat auch die BRAK-Geschäftsführerin, Julia von Seltmann, längst ihr Kommen zugesagt und ist sogar als Diskutantin auf dem Podium eingeplant. Der DAV kann daher auch in diesem Punkt die Kritik des BRAK-Präsidenten nicht nachvollziehen: Das Programm des Anwaltstages sei seit März öffentlich. Zu der Veranstaltung mit dem Titel "Der aktuelle Stand bei beA und Co. – Und wie geht es jetzt weiter?" sei von Anfang an die zuständige Geschäftsführerin der BRAK eingeladen gewesen, so Schafhausen. Und dass sich die Veranstaltung auch mit dem Gutachten befassen werde, scheine ihm selbstverständlich. "Natürlich werden die Gutachten in interessierten Kreisen erörtert und bewertet. Was hat die BRAK denn anderes erwartet, als sie angekündigt hat, die Gutachten zu veröffentlichen?"
Unterdessen steht der DAV mit seiner Kritik an der Informationspolitik der BRAK längst nicht mehr alleine dar. Zuletzt hatte der Vizepräsident der RAK-Sachsen, Franz-Josef Schillo, gegenüber LTO seinen Unmut über die Öffentlichkeitsarbeit der BRAK zum Ausdruck gebracht. Die BRAK sieht diesbezüglich offenbar selbst Handlungsbedarf: Sie sucht seit dem 20.April in einer öffentlichen Ausschreibung einen Kommunikationsreferenten für die "kommunikative Begleitung des beA gegenüber den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten in Deutschland und zur Unterstützung der Arbeit der Geschäftsführung in diesem Bereich". Besetzt ist die Stelle in Berlin bislang nicht.
Hasso Suliak, Brandbrief nach Kritik am Umgang mit beAGate: . In: Legal Tribune Online, 04.06.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28941 (abgerufen am: 03.10.2024 )
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