Als einziges anwaltliches Versorgungswerk hatte das in Baden-Württemberg die Altersgrenze von 45 Jahren für die Pflichtmitgliedschaft bisher nicht aufgehoben. Jetzt hat es eingelenkt. Martin W. Huff über eine überfällige Satzungsänderung.
Das Versorgungswerk für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Baden-Württemberg war das letzte Versorgungswerk in Deutschland, das für eine Pflichtmitgliedschaft noch eine Altersgrenze von 45 Jahren vorsah. Aufgrund diverser verwaltungsrechtlicher Klagen hat das Versorgungswerk in Stuttgart nun aber (endlich) reagiert. Die Regelung wurde aufgehoben, sogar mit Wirkung zum 05.05.2018.
Angestellte Rechtsanwältinnen und Anwälte, egal ob niedergelassen oder als Syndizi, haben die Möglichkeit sich von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten des anwaltlichen Versorgungswerks befreien zu lassen, wenn neben der Mitgliedschaft in der regionalen Rechtsanwaltskammer die Pflichtmitgliedschaft in einem Versorgungswerk besteht.
Allerdings sahen viele Versorgungswerke bis zum Jahr 2018 eine Altersgrenze von 45 Jahren vor, die überwiegend aus der Zeit der Gründung der Versorgungswerke stammte. Diese Grenze hatte versicherungsmathematische Gründe, aber war auch deswegen geschaffen worden, weil man davon ausging, dass wer mit über 45 Jahren noch Rechtsanwältin oder -anwalt wurde, für sein Alter schon Vorsorge geschaffen habe. Und wer einmal Pflichtmitglied war, blieb dies in der Regel auch. Diese Sachlage hat sich heute sehr verändert, auch nach 45 wird noch die Kanzlei/das Unternehmen gewechselt.
Wer also über 45 Jahre alt war und seinen Kanzleisitz in ein Land mit einem Versorgungswerk wechselte, konnte dort kein Pflichtmitglied mehr werden und damit auch keine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung erreichen.
Rechtsanwälte wollten nicht nach Baden-Württemberg
Dies verhinderte den Wechsel vieler Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte nach Baden-Württemberg, denn die bisherige Altersversorgung zu wechseln und wieder Pflichtmitglied in der Deutschen Rentenversicherung Bund zu werden, hätte für viele Betroffene erhebliche Nachteile bei der Altersvorsorge mit sich gebracht.
Dieses unerfreuliche Ergebnis hatte der Gesetzgeber 2015 im Zusammenhang mit der Schaffung der Regelung zu den Syndikusrechtsanwält:innen gesehen und eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2018 geschaffen, mit der die Altersgrenze ohne Nachteile für die Betroffenen aufgehoben werden konnte.
Alle Versorgungswerke mit Altersgrenze hatte diese Frist genutzt, nur das Versorgungswerk Baden-Württemberg bis jetzt nicht. Das Versorgungswerk mit Sitz in Stuttgart stellte sich – ohne jede Begründung – quer.
Und das, obwohl der Landesgesetzgeber mit Gesetz vom 24. April 2018 in § 5 Abs. 3 des Rechtsanwaltsversorgungsgesetzes vorgeschrieben hatte, dass zumindest derjenige, der nach dem 5. Mai 2018 (Tag des Inkrafttretens der Änderung) Mitglied einer Anwaltskammer in Baden-Württemberg wird, auch Pflichtmitglied des Versorgungswerks wird. Doch das Versorgungswerk passte seine Satzung entgegen der klaren gesetzlichen Vorgabe nicht an. Eine Begründung wurde in den entsprechenden Bescheiden nicht gegeben, nur auf die nicht geänderte Satzung verwiesen, die weiterhin gelte.
Klagen vor den Verwaltungsgerichten
Vor diesem Hintergrund hatten einige Rechtsanwält:innen, denen das Versorgungswerk die Pflichtmitgliedschaft verweigert hatte, vor den Verwaltungsgerichten geklagt. Sie stellten sich auf den Standpunkt, dass das Versorgungswerk mit der nicht geänderten Satzung gegen höherrangiges Recht verstoße und daher sie einen Anspruch darauf hätten, Pflichtmitglied zu werden.
Nunmehr hat das Versorgungswerk endlich reagiert. Am 25.6.2021 hat die Vertreterversammlung die Altersgrenze abgeschafft. Nach der Genehmigung durch das Justizministerium in Stuttgart ist vor wenigen Tagen die Satzungsänderung in der Zeitschrift "Die Justiz"“, Ausgabe Oktober 2021, verkündet worden.
Die Satzung des Versorgungswerks hat nun in § 5 Abs. 3 folgende Regelung:
"(3) Mitglied des Versorgungswerkes wird, wer ab dem 05.05.2018 als natürliche Person Mitglied einer Rechtsanwaltskammer in Baden-Württemberg wird und zu diesem Zeitpunkt das 62. Lebensjahr noch nicht vollendet hat."
Dies bedeutet, dass zukünftig und auch rückwirkend eine Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte über 45 Jahren möglich wird. Angestellte Rechtsanwält:innen unter 62 können somit wieder Pflichtmitglied werden und müssen nicht mehr um ihre Befreiung fürchten. Auf ein Ausweichmodell zurückzugreifen und in einer anderen Rechtsanwaltskammer außerhalb von Baden-Württemberg Mitglied zu bleiben, ist jetzt nicht mehr nötig.
Versorgungswerk informierte Kammern über Satzungsänderung nicht
Insgesamt ist das Verhalten des baden-württembergischen Versorgungswerkes äußerst fragwürdig. Verständlich ist der gesamte Vorgang jedenfalls nicht. Und Erklärungen sind nicht zu erhalten. Andere Versorgungswerke, wie etwa Nordrhein-Westfalen und Hessen, haben fristgerecht gehandelt.
Erstaunlich ist auch das Verhalten des Versorgungswerks gegenüber den vier Rechtsanwaltskammern in Baden-Württemberg. Diese waren nach dem Beschluss der Vertreterversammlung über diese wichtige Änderung in der Satzung nicht informiert worden. Und auch in den Gerichtsverfahren war eine Übersendung der geänderten Satzung nach der Beschlussfassung verweigert worden. Es solle auf die offizielle Verkündung gewartet werden, hieß es.
Im Interesse der Anwaltschaft in Baden-Württemberg ist dieses Verhalten nicht. Jetzt bleibt zu hoffen, dass die anhängigen Gerichtsverfahren rasch abgewickelt werden.
Anwaltsversorgungswerk Baden-Württemberg: . In: Legal Tribune Online, 25.10.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46445 (abgerufen am: 06.11.2024 )
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