BGH zum Berufsrecht: Ver­ur­teilter Jurist darf nicht wieder Anwalt werden

30.10.2025

17 Jahre nach einer Verurteilung wollte ein Jurist wieder Anwalt sein. Einfach Zeit verstreichen zu lassen, reicht aber nicht aus, um nach dem Berufsrecht wieder des Anwaltsberufs würdig zu sein, so der BGH. Man müsse es aufrichtig wollen.

Ein wegen Betrugs verurteilter Jurist wollte nach 17 Jahren zurück in den Anwaltsberuf, den er zuvor schon einmal ausgeübt hatte. Die Rechtsanwaltskammer entsprach seinen Zulassungsanträgen aber nicht und auch der Anwaltsgerichtshof (AGH) des Saarlands zeigte sich ebenfalls hart: Die Kammer müsse den Mann nicht wieder zur Anwaltschaft zulassen. Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte nun: Zeit kann vieles heilen, mangelnde Reue gehört aber nicht dazu (Beschl. v. 22.09.2025, Az. AnwZ (Brfg) 28/25).

1988 hatte der Mann erstmals seine Zulassung als Rechtsanwalt erhalten. Mehr als zwanzig Jahre lang übte er den Beruf ohne Auffälligkeiten aus. Doch 2010 endete seine Anwaltskarriere: Das Landgericht (LG) Saarbrücken verurteilte ihn wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs (§ 263 Abs. 1, 3 Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB)) in acht Fällen zu zwei Jahren Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung. Zusammen mit Komplizen hatte er erfundene Verkehrsunfälle abgerechnet und Versicherungen um rund 88.000 Euro geprellt. Daneben wurde ihm die Rechtsanwaltszulassung entzogen.

Bewerber muss des Anwaltsberufs würdig sein

Grundsätzlich gilt: Wird einem Anwalt die Zulassung entzogen, bedeutet das nicht zwingend das endgültige Aus. Er kann sie nach Überprüfung durch die Rechtsanwaltskammer erneut erhalten. Es gibt aber bestimmte Ausschlussgründe, von denen in diesem Fall § 7 S. 1 Nr. 5 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) die entscheidende Rolle spielte. Danach kann die Wiederzulassung versagt werden, wenn der Bewerber unwürdig erscheint, den Beruf eines Rechtsanwalts auszuüben. 

Diese Unwürdigkeit kann mit der Zeit schwinden, zum Beispiel dann, wenn sich der Betroffene über Jahre hinweg bewährt hat. Voraussetzung dafür ist eine sogenannte Wohlverhaltensphase, in der der Bewerber zeigt, dass das frühere Fehlverhalten seiner Persönlichkeit nicht mehr entspricht. Gerichte berücksichtigen dabei insbesondere die Schwere der damaligen Verfehlung, den Zeitablauf und die spätere Lebensführung.

Auf dieser Grundlage beantragte der heute 73-Jährige, der gerne wieder Anwalt sein möchte, 2018 erstmals seine Wiederzulassung, blieb damit aber erfolglos. Im Januar 2024 startete er einen zweiten Versuch. Sein Argument: Es sei mittlerweile genug Zeit vergangen, er führe inzwischen wieder ein untadeliges Leben. Er lebe außerdem in geordneten Verhältnissen und engagiere sich zudem gesellschaftlich. 

Doch die Rechtsanwaltskammer blieb genauso unbeeindruckt wie danach der AGH des Saarlands und jetzt auch der BGH. Sie alle sahen keinen Anlass, den verurteilten Juristen wieder zur Anwaltschaft zulassen zu müssen.

Zeit heilt nicht alles

Zwar könne eine frühere Verfehlung mit der Zeit an Gewicht verlieren, betonte der BGH noch einmal. Doch am Ende komme es immer auf die Gesamtwürdigung eines Falls an: Wie schwer wog das Fehlverhalten? Wie hat sich der Bewerber seither verhalten? Und ist das Vertrauen der Öffentlichkeit wirklich wiederhergestellt?

Gerade bei Straftaten im Kernbereich anwaltlicher Tätigkeit – also wenn jemand, wie hier, in seiner Robe gehandelt und damit das besondere Vertrauen seines Berufsstandes gleich mitverwertet hat – hilft bloßes Zeitverstreichenlassen laut BGH nicht weiter. Ein Wartezeitraum von 15 bis 20 Jahren sei nach ständiger Rechtsprechung erforderlich, führe danach aber auch nicht automatisch zu einem Anspruch auf Wiederzulassung. Es müssten zusätzlich echte Reue und Wiedergutmachung erkennbar sein. Oder, wie der BGH nüchtern formuliert: Der Bewerber müsse sich seither "untadelig" verhalten haben.

Genau hier lag aus Sicht des BGH das Problem: Der auf Wiederzulassung klagende Jurist hatte lediglich rund 9.800 Euro des damals verursachten Schadens beglichen – also kaum mehr als zehn Prozent der Gesamtsumme. Und das auch nur, weil gegen ihn ein Titel bestand. Freiwillige Zahlungen? Fehlanzeige. Kontaktaufnahme zu den geschädigten Versicherungen? Ebenfalls nicht.

Zusätzlich missfiel dem BGH, wie der Jurist die Sache habe schleifen lassen, getreu dem Motto: Irgendwann ist auch mal gut. Dass der Jurist darauf verwiesen habe, die Versicherungen hätten sich nie gemeldet, nach all den Jahren werde dort wohl kaum noch jemand Unterlagen haben und überhaupt sei das alles verjährt, lässt laut BGH nicht gerade aufrichtige Reue für sein Fehlverhalten erkennen. Wer sich auf bloße Formalien beruft, statt ernsthafte Reue zu zeigen und sich beim Geschädigten (in diesem Fall die Versicherungen) um Wiedergutmachung zu bemühen, offenbart nach Ansicht des Senats vor allem eines: fehlende Einsicht.

Einkommen zu hoch angesetzt: selbst schuld

Der klagende Jurist versuchte noch, sich über einen angeblichen Rechenfehler aus der juristischen Klemme zu befreien. In der mündlichen Verhandlung vor dem AGH habe er sein Einkommen viel zu hoch angegeben und dabei Abzüge für Krankenversicherung und Darlehensraten schlicht vergessen. Nur deshalb sei der Anwaltsgerichtshof (AGH) davon ausgegangen, er könne den restlichen Schaden ohne Weiteres begleichen, was aber gar nicht der Realität entspreche.

Der BGH ließ das aber nicht gelten. Der AGH habe das Einkommen des Mannes nur berücksichtigt, als es um die Bewertung seiner Wiedergutmachungsbereitschaft ging. Entscheidend sei nicht, wie viel Geld dem Mann tatsächlich zur Verfügung stand, sondern dass er über Jahre hinweg einfach gar nichts unternommen habe, um den Schaden wenigstens ansatzweise wieder gutzumachen. Auch ein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht liege nicht vor: Wer selbst unvollständige Angaben macht, könne sich später nicht darauf berufen, das Gericht habe zu wenig nachgefragt.

Der BGH fasste zusammen: Es sei nicht erkennbar gewesen, dass der Jurist tatsächlich zahlen wollte, aber nur nicht konnte. Er habe stattdessen einfach kein ernsthaftes Interesse an einer Wiedergutmachung gezeigt.

Kein endgültiges Berufsverbot

Auch der Einwand des Mannes, die Entscheidungen der Anwaltskammer und des AGH verletzten seine Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG), verfing beim BGH nicht. Von einem lebenslangen Berufsverbot kann laut BGH gar keine Rede sein, denn die Ablehnung gelte lediglich für den jetzigen Zeitpunkt. Eine Wiederzulassung bleibe möglich – nämlich irgendwann, wenn der Jurist über längere Zeit ein tadelloses Verhalten zeigt.

Dass der Mann inzwischen 73 Jahre alt ist und die verbleibende Zeit für die notwendige Wohlverhaltensphase damit überschaubar ausfallen dürfte, ändere daran nichts, so der BGH. Entscheidend sei allein, ob irgendwann sämtliche Zweifel an seiner Integrität aus dem Weg geräumt sind.

xp/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH zum Berufsrecht: . In: Legal Tribune Online, 30.10.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/58498 (abgerufen am: 14.11.2025 )

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