Verbotene Anwaltswerbung mit Dieselskandal: 150 Euro für eine Wei­ter­emp­feh­lung

von Martin W. Huff

07.10.2019

Eine Kanzlei zahlt Versicherungsvermittlern Geld, wenn diese ihre durch VW geschädigten Kfz-Kunden an die Anwälte weiterverweisen. Noch offensichtlicher kann man kaum gegen Berufsrecht verstoßen, meint Martin W. Huff.

Vor wenigen Tagen war Prozessauftakt im Musterfeststellungsklageverfahren gegen die Volkswagen vor dem OLG Braunschweig. Doch manche Anwaltskanzleien führen lieber individuelle Klagen und versuchen entsprechend, möglichst viele Mandate zu erhalten. Das dabei nicht immer mit zulässigen Mitteln gearbeitet wird, zeigt jetzt der Fall einer Kanzlei, die versucht, über Versicherungsvermittler an neue Mandate zu kommen.

Im Juli 2019 erreichte eine Vielzahl von Versicherungsvermittlern auch großer Versicherungskonzerne ein ungewöhnliches Schreiben einer Anwaltskanzlei aus Rheinland-Pfalz. "Wir sind eine der marktführenden Rechtsanwaltskanzleien in Deutschland zu den Themengebieten Diesel-Abgasskandal und Autokredit-Widerruf", heißt es da. Und weiter: "In diesen beiden Bereichen arbeiten wir bereits mit mehreren Versicherungsmaklern erfolgreich zusammen, indem Ihre Kollegen Empfehlungen an unsere Kanzlei vermitteln".

Dann kommt die Kanzlei in dem Schreiben auf den Punkt: "Als Versicherungsmakler verfügen Sie über zahlreiche Kfz-Versicherungskunden, die vom Diesel-Abgasskandal betroffen sind. Wir möchten Ihnen nun die Möglichkeit geben, weiteres Geschäft aus Ihrem Versicherungsbestand zu generieren. Für jede Empfehlung, die durch Sie vermittelt wird, zahlen wir Ihnen einen Tippgeberbetrag in Höhe von 150 Euro".

Beigefügt ist eine ausführliche "Tippgebervereinbarung" der Kanzlei. In dieser ist geregelt, dass der Versicherungsvermittler mit dem Einverständnis seines Kunden diesen auf die Kanzlei aufmerksam macht und die Daten an die Kanzlei weitergibt. Bevor allerdings die Vergütung gezahlt wird, müssen umfangreiche Daten zu dem versicherten Auto etc. mitgeteilt werden. Zudem wird Vertraulichkeit vereinbart.

Ein Fall für die Generalstaatsanwaltschaft

Dass es solche "Vermittlungen" gibt, ist in der Anwaltsbranche nicht nur im Zusammenhang mit den Dieselautos, sondern auch bei den Auseinandersetzungen mit Banken um den Widerruf von Krediten aller Art (Stichwort "ewiges Widerrufsrecht") immer wieder vermutet worden. Das Schreiben der Kanzlei belegt, dass es diese Art der Werbung tatsächlich gibt.

Berufsrechtlich ist diese Art der Werbung nach der Gesetzeslage und der Rechtsprechung unzulässig und sicherlich ein Fall für die zuständige Generalstaatsanwaltschaft, weil eine Rüge der örtlichen Anwaltskammer gem. § 74 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO; Rügerecht des Vorstands bei geringer Schuld des Anwalts) nicht ausreicht.

Zum einen verstößt die Kanzlei mit jeder Zahlung der von ihr angebotenen Tippgebervergütung gegen §49 b Abs. 3 S. 1 BRAO. Dort heißt es: "Die Abgabe und Entgegennahme eines Teils der Gebühren oder sonstiger Vorteile für die Vermittlung von Aufträgen, gleichviel ob im Verhältnis zu einem Rechtsanwalt oder Dritten gleich welcher Art, ist unzulässig." Im vorliegenden Fall wird für die Vermittlung von Aufträgen eine Vergütung gezahlt. Die Generalstaatsanwaltschaft verfügt dabei über die nötigen Ermittlungsmöglichkeiten, um genau herauszufinden zu können, wie viele Vergütungen gezahlt wurden.

Auch keine sachliche Werbung

Aber auch das Anschreiben selbst dürfte einen Verstoß gegen Berufsrecht darstellen, denn es ist eine Werbung dafür, mit der Kanzlei eine berufsrechtswidrige Vereinbarung zu treffen. Dabei ist dem Rechtsanwalt gem. § 43b 1. Hs. BRAO ausdrücklich nur die sachliche Werbung erlaubt. Die Werbung mit dem Angebot, einen Vertrag über die Vereinbarung der Zuführung von Mandanten abzuschließen, und das Versprechen, dafür jeweils 150 Euro zu zahlen, kann nicht sachlich sein, weil der Vertrag gegen ein gesetzliches Verbot verstößt - und damit gem. § 134 BGB nichtig ist.

Zudem liegt auch ein Verstoß gegen §43b 2. Halbsatz BRAO vor ("Nicht auf Erteilung eines Auftrags gerichtet"). Ganz im Gegenteil: Denn die Kanzlei wirbt gezielt bei Dritten um die Erteilung eines einzelnen Mandats, nämlich die Vermittlung von Kunden angeschriebener Versicherungsvermittler.

Trotz der liberalen Linie des Bundesgerichtshofs, die auch der Anwaltssenat zuletzt vertreten hat, überschreitet die Kanzlei auch hier die Grenzen zu einer verbotenen Einzelmandatswerbung. Sie nutzt eine Notlage des Kunden des Versicherungsvermittlers aus, der eine Empfehlung seines Vertragspartners erhält - und dabei aller Voraussicht nach nicht einmal wissen wird, dass sein Versicherungsvermittler für diese Empfehlung auch noch eine Vergütung erhält.

Vermittler verdient nicht wirklich, Ansehen der Anwälte beschädigt

Hinzuweisen ist auch noch darauf, dass der Versicherungsvermittler seinen Kunden auf die Zahlung der 150 Euro hinweisen müsste, so er ihn an die Anwälte verweist. Diese Vergütung für den Vermittler wäre zudem als Einnahme zu versteuern, aus der er auch noch die Mehrwertsteuer abzuführen hat, da diese wohl nicht zusätzlich gezahlt wird. Viel bleibt dem Vermittler von dem Tipp dabei nicht einmal übrig.

Es ist schon erstaunlich, dass eine Kanzlei, die sich selbst als einen der Marktführer auf diesem Rechtsgebiet versteht, diese Art der verbotenen Werbung nötig hat. Sie schadet der gesamten Anwaltsbranche, weil damit in erheblichem Maße Grenzen für die Werbung überschritten werden. Sowohl der Anwaltssenat als auch der Wettbewerbssenat des BGH erlauben viel bei der Werbung um Mandate. Der hier eingeschlagene Weg der Kanzlei ist aber weit weg von dem, was noch erlaubt ist.

Der Autor Martin W Huff ist Rechtsanwalt in der Kanzlei LLR Rechtsanwälte in Köln und Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln.

Zitiervorschlag

Verbotene Anwaltswerbung mit Dieselskandal: 150 Euro für eine Weiterempfehlung . In: Legal Tribune Online, 07.10.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38019/ (abgerufen am: 19.03.2024 )

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