Die gestiegenen Kosten machen auch den Anwälten zu schaffen. Vom Gesetzgeber fordern sie daher "dringend" eine Anhebung ihrer Vergütung. Das BMJ reagiert zurückhaltend.
Die Folgen des Ukraine-Krieges bekommen zunehmend auch die Anwältinnen und Anwälte zu spüren. In einer Sitzung des Gebührenausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) Anfang Juli kam man daher überein, dass eine Anhebung der Anwaltsgebühren angesichts der hohen Inflation "dringend" mit der Politik zu besprechen sei. Bereits zu Beginn der Legislaturperiode hatte die BRAK von der neuen Koalition eine regelmäßige Anpassung der RVG-Gebühren durch eine Indexierung gefordert, in etwa vergleichbar mit der Koppelung der Diäten der Bundestagsabgeordneten an die Entwicklung des Nominallohnindexes.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Teuerungen spielt man nach LTO-Informationen in der BRAK deshalb mit dem Gedanken, zusammen mit anderen Verbänden wie dem Deutschen Anwaltverein (DAV) eine Initiative für eine Gebührenerhöhung zu starten, um den Gesetzgeber zeitnah zum Handeln zu bewegen. "Die Thematik soll über die BRAK und weitere Anwaltsverbände dringlich mit dem Gesetzgeber besprochen werden", bestätigte die Geschäftsführerin der Rechtsanwaltskammer (RAK) Sachsen, Jacqueline Lange, gegenüber LTO. "Das Vorstandsmitglied der RAK Sachsen, Roland Gross aus Leipzig, ist Mitglied des BRAK-Gebührenausschusses. Aus der Sitzung Anfang Juli berichtet er, dass Konsens über eine zunehmend dringende Gebührenanpassung gesehen wird, einmal strukturell hinsichtlich der 2021 noch nicht geregelten Gesetzeslücken, aber auch linear", so Lange.
DAV-Präsidentin: "Anwaltschaft fordert permanent Anpassung der Vergütung"
Die Forderung nach einer linearen Anpassung der Gebühren - angelehnt an die Verbraucherpreise und die allgemeine Einkommensentwicklung - steht schon seit längerem auf der Wunschliste der Anwaltsverbände. "Die Anwaltschaft fordert permanent nicht nur eine Anpassung der Anwaltsvergütung auf gesetzlicher Grundlage an die Entwicklung der Löhne und der Preisentwicklung, sondern auch die zeitnahe Durchführung derartiger Anpassungen", erläutert DAV-Präsidentin Edith Kindermann gegenüber LTO.
In einem gemeinsamen Katalog hatten DAV und die BRAK bereits 2018 neben strukturellen Verbesserungen eine regelmäßige Anpassung der Rechtsanwaltsvergütung gefordert. Schon damals hieß es, dass diese zwingend sei, weil steigende Kosten u.a. für Gehälter und Gewerbemieten die Kostenbelastung der Kanzleien immens erhöhten. Jetzt drückt die Kostenlast die Anwaltschaft umso mehr: "Dass die derzeitige überhohe Inflation die Kosten in den Kanzleien in die Höhe treibt, führt mehr als eindrucksvoll vor Augen, wie dringlich und berechtigt unsere diesbezügliche Forderung ist“, sagt BRAK-Präsident Ulrich Wessels zu LTO.
Dabei liegt die bisher letzte Anhebung der RVG-Gebühren noch gar nicht so lange zurück. Ende 2020 reagierten die Anwaltsverbände erleichtert, als der Gesetzgeber sich nach mehr als sieben Jahren zu einer Gebührenanhebung zum 1.Januar 2021 durchringen konnte und nach einem zähen Hick-Hack mit den Bundesländern eine Kombination aus strukturellen Verbesserungen sowie einer linearen Anpassung von zehn Prozent (bzw. 20 Prozent im Sozialrecht) beschlossen wurde. Bereits damals mahnten DAV und BRAK, dass nicht weitere sieben Jahre oder mehr ins Land bis zur nächsten Anhebung vergehen dürften. "Die Politik ist gefordert, eine Anpassung der gesetzlich geregelten Rechtsanwaltsvergütung in jeder Legislaturperiode vorzunehmen."
"Auch Anwaltskanzleien müssen geheizt werden"
Dass der Zeitpunkt hierfür jetzt gekommen ist, davon sind Kammern und Anwälte überzeugt:
Der Wertverlust von Anwaltsgebühren in den vergangenen Jahren sei durch die 2021er Gebührenanpassung im RVG bei weitem nicht ausgeglichen worden, klagt RAK-Geschäftsführerin Lange aus Leipzig. "Viele Kanzleien konnten keine staatlichen Coronahilfen in Anspruch nehmen, erlitten aber durch massiv eingeschränkte und verzögerte Gerichtsverfahren sowie coronabedingtem Ausfall von Anwälten und Personal zusätzlich erhebliche Einbußen. Nunmehr kommen durch die hohe Inflation auch noch erhebliche Kostensteigerungen auf die Anwaltschaft zu; nicht zuletzt werden im kommenden Winter auch Anwaltskanzleien geheizt werden müssen, um den Beschäftigten zumutbare Arbeitsbedingungen zu bieten."
Zum Handeln drängen auch einzelne Anwälte, etwa der Göppinger Fachanwalt für Steuer- und Verkehrsrecht Marc-Torsten Canestrini. Er wandte sich vergangene Woche sowohl an die BRAK als auch an das Bundesjustizministerium (BMJ) und erläuterte, wie bei ihm aktuell die Kosten u.a. für Energie, EDV oder Dienstleistungen, aber auch im privaten Bereich explodieren – im Vergleich zum Vorjahr um circa 39 Prozent. Die BRAK antwortete dem Anwalt daraufhin, dass man nun eine entsprechende Initiative erwäge und sich auch das BRAK-Präsidium des Themas annehmen werde.
Berliner RAK-Präsident: "Erbärmliches Geschacher in der Vergangenheit"
Dem Präsidenten der Berliner RAK, Dr. Marcus Mollnau, würde eine derartige BRAK-Offensive gefallen: Die RAK Berlin, so Mollnau gegenüber LTO, vertrete schließlich seit Jahren die Auffassung, dass die gesetzliche Verankerung einer regelmäßig wiederkehrenden RVG-Erhöhung erforderlich sei, um auf Inflationsentwicklungen sowie allgemeine Kostensteigerungen rechtzeitig und sachgerecht zu reagieren.
Und wirklich "sachgerecht" ist es nach Auffassung des Rechtsanwaltes und Notars bei diesem Thema in der Vergangenheit nicht zugegangen: "An den bisherigen RVG-Erhöhungen wird deutlich, dass immer erst viel zu spät und nach einem teilweise nur erbärmlich zu nennenden Geschacher zwischen BMJ, Justizminister:innen der Länder und BRAK/DAV eine RVG-Erhöhung umgesetzt wird."
Mollnau kritisiert vor allem das Verhalten der Bundesländer. Das von diesen immer wieder eingebrachte Junktim der RVG-Erhöhung mit einer Erhöhung der Gerichtskosten führe nicht nur zu erheblichen Zeitverzögerungen, sondern sei auch falsch. "Die Bundesländer verkennen, dass es ein solches Junktim nicht geben darf, da ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin kostendeckend durch die Gebühren arbeiten muss, während die Gerichtskosten nicht zu einer vollständigen Deckung der Justizkosten führen müssen. Justizgewährung ist ureigene Aufgabe des Staates, dafür hat er eigene Mittel zur Verfügung zu stellen."
BMJ: "Zeitpunkt für Erhöhung steht noch nicht fest"
Ob sich indes das BMJ für eine zeitnahe Anpassung der Anwaltsvergütung erwärmen und zeitnah einen entsprechenden Gesetzentwurf ausarbeiten wird, ist eher unwahrscheinlich. Anwalt Canestrini wurde vom Ministerium am Mittwoch daran erinnert, dass eine Anhebung der Rechtsanwaltsgebühren doch "erst im vorigen Jahr" erfolgt sei. "Wann eine erneute Erhöhung erfolgen soll, ist noch nicht entschieden", heißt es in dem BMJ-Schreiben an ihn, datiert vom 13. Juli. Das Ministerium versicherte aber, die Entwicklung der Verbraucherpreise und die allgemeine Einkommensentwicklung "im Blick" zu haben.
Und auch bei der BRAK ist man offenbar wenig optimistisch. In der Juli-Sitzung des zuständigen Ausschusses wurde anscheinend erörtert, welches Signal man aussenden würde, wenn sich für die Bürgerinnen und Bürger neben vielem anderen jetzt auch noch der Zugang zum Recht verteuern soll.
Es habe die Einschätzung bestanden, "dass eine lineare Gebührenerhöhung bei den momentanen Belastungen auf allen Ebenen kaum durchsetzbar sein dürfte; Anwälte wollen auch keinesfalls unsolidarisch erscheinen", so Sachsens RAK-Geschäftsführerin Lange.
Hohe Inflation belastet die Kanzleien: . In: Legal Tribune Online, 15.07.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49065 (abgerufen am: 06.10.2024 )
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