Endet der Strafprozess mit einem Freispruch, trägt der Staat die Verteidigerkosten. Anders sieht es aus, wenn die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren einstellt. Nicht überzeugend finden das Samuel Strauß und Patrick Scheerer.
Gute Strafverteidigung kostet Geld. Weil aber das moderne Ermittlungsverfahren in seinen Strukturen äußerst komplex ist, wird der Beschuldigte häufig gut beraten sein, möglichst frühzeitig mit einem berufsmäßigen Strafverteidiger zusammenzuarbeiten. Schließlich steht Einiges auf dem Spiel. Die Strafprozessordnung (StPO) regelt in § 137 Abs. 1 das Recht des Beschuldigten, in jeder Lage des Verfahrens auf die Hilfe eines Verteidigers zurückzugreifen. Dabei geht es nicht (immer) darum, die Unschuld des eigenen Mandanten zu beweisen. Vielmehr steht der Gedanke im Vordergrund, dem Beschuldigten einen Unterstützer an die Seite zu stellen, um ein gerechtes Strafverfahren zu gewährleisten.
Am Ende bleibt aber stets eine Frage: Wer muss für die Kosten des Strafverteidigers aufkommen?
Kostenverteilung bei Verurteilung und Freispruch
Steht am Ende eines Strafprozesses die Schuld des Angeklagten fest und wird dieser verurteilt, erscheint es nur gerecht, diesen mit den finanziellen Folgen zu belasten (§ 464 StPO). Immerhin war es sein strafbares Verhalten, das Ermittlungsmaßnahmen und Kosten verursacht hat. Der Verurteilte muss seinen Pflicht- oder Wahlverteidiger also selbst bezahlen – und zwar in voller Höhe.
Ebenso überzeugend ist es, dass die StPO der Staatskasse die Kostentragung zuweist, wenn das Gericht den Angeklagten freispricht (§ 467 StPO). Dahinter steht die Unschuldsvermutung aus Art. 6 Abs. 2 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Allerdings werden dabei nur die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts erstattet (vgl. § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO). Vereinbart der Beschuldigte mit seinem Verteidiger ein darüber hinausgehendes Honorar, bleibt er jedenfalls auf einem Teil der Anwaltskosten sitzen.
Kostenverteilung bei eingestelltem Ermittlungsverfahren
Vergeblich sucht man nach einer Vorschrift, die sich zur Verteilung der Kosten äußert, wenn die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren einstellt. Für den Beschuldigten erscheint die Einstellung auf den ersten Blick "günstig": Er muss sich vor Gericht nicht verantworten und bleibt von einer Anklage verschont. Handelt es sich darüber hinaus um ein Verfahren, das die Medien grundsätzlich interessieren könnte, so dürften diese an einem eingestellten Ermittlungsverfahren weniger Interesse zeigen als an einem eröffneten Hauptverfahren.
Zieht man monetäre Gesichtspunkte in die Bewertung mit ein, ist diese nicht mehr so eindeutig, wie es zunächst scheint. Denn der Beschuldigte bleibt auf den Kosten eines von ihm beauftragten Wahlverteidigers sitzen. Ein Erstattungsanspruch gegen den Staat steht ihm nicht zu. Obwohl insoweit eine ausdrückliche Regelung fehlt, ist diese Ansicht weitgehend etabliert.
Lässt sich der Beschuldigte hingegen einen Pflichtverteidiger beiordnen, trägt wiederum die Staatskasse die anfallenden Kosten, wenn die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren einstellt. Insoweit handelt es sich nämlich nicht um Auslagen des Beschuldigten, sondern um echte Verfahrenskosten. Diese hat der Beschuldigte nur im Fall einer Verurteilung selbst zu tragen (§ 464 StPO). Freilich kommt eine Pflichtverteidigerbestellung nicht in allen Strafverfahren in Betracht, da diese an spezifische Voraussetzungen geknüpft ist.
Motiv: Schonung der Staatskasse
Begibt man sich auf die Suche nach den Gründen für diese Rechtslage, stößt man unweigerlich auf fiskalpolitische Gesichtspunkte. Die Argumentation ist trivial: Wenn der Staat, konkret der Justizhaushalt des jeweiligen Bundeslandes, nicht mit den Wahlverteidigerkosten belastet wird, spart er schlichtweg Geld. Ein Betrag, der vor dem Hintergrund zahlreicher Ermittlungsverfahren, die ohne eine Anklage enden, durchaus ins Gewicht fallen dürfte.
Der Gesetzgeber hat deshalb die Erhebung der öffentlichen Klage als maßgebliches Kriterium auserkoren: Vor diesem Zeitpunkt muss der Beschuldigte die Gebührenforderungen seines Wahlverteidigers stets selbst erfüllen. Hinsichtlich dieser Kostentragungspflicht steht er so, als hätte ein Strafgericht ihn verurteilt.
Ermittlungsverfahren kein allgemeines Lebensrisiko
Überzeugend ist das nicht – auch wenn die Einstellung des Ermittlungsverfahrens nicht mit einem gerichtlichen Freispruch gleichzusetzen ist. Schließlich kann die Staatsanwaltschaft die Spurensuche jederzeit wieder aufnehmen; eine endgültige Entscheidung über Schuld oder Unschuld erfolgt mit der Einstellung gerade nicht.
Gleichwohl ist es nur gerecht, dem Beschuldigten auch vor der Anklageerhebung einen Kostenerstattungsanspruch einzuräumen. Denn die Konfrontation mit einem staatlichen Ermittlungsverfahren gehört nicht zum allgemeinen Lebensrisiko, sondern verlangt dem Betroffenen ein Sonderopfer ab. Dieses ist unter Umständen mit tiefgreifenden Grundrechtseingriffen und Kosten, vor allem für die eigene Verteidigung, verbunden.
Stellt sich dann aber am Ende der Beweismittelsuche heraus, dass die gewonnenen Erkenntnisse eine Anklage nicht stützen, ist es schlichtweg angemessen, den Beschuldigten jedenfalls in finanzieller Hinsicht zu entlasten. Schließlich hat der mit dem Strafverfolgungsmonopol ausgestattete Staat den Beschuldigten dazu veranlasst, einen Wahlverteidiger zu konsultieren, um die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu entkräften.
Gesetzgeber in der Pflicht
Die aktuelle Rechtslage kann auch zu absurden Ergebnissen führen: Will der Beschuldigte die Anwaltskosten nach einer Einstellung sparen, könnte es für ihn unter Umständen vorteilhaft sein, aussagekräftige Beweismittel im Ermittlungsverfahren zunächst nicht anzubieten und sich auf sein Aussageverweigerungsrecht zu berufen. Nach der Anklageerhebung könnte er dann die erhobenen Vorwürfe ausräumen und auf diese Weise einen Freispruch erzielen. Die notwendigen Auslagen des Beschuldigten trüge die Staatskasse.
Es bedarf keiner näheren Erklärung, dass diese grundsätzlich zulässige Verfahrenstaktik das Gebot einer effektiven Strafverfolgung geradezu konterkariert und staatliche Ressourcen schlichtweg verschwendet. Aber nach der aktuellen Rechtslage steht der Beschuldigte kostenrechtlich schlechter, wenn es ihm mithilfe seines Wahlverteidigers gelingt, das Strafverfahren vor Anklageerhebung zu beenden.
Der Gesetzgeber steht nach alledem in der Verantwortung, diesen Zustand zu beseitigen. Ein gesetzlich angeordneter Kostenerstattungsanspruch zugunsten des Beschuldigten würde dabei auch nicht zu einer unverhältnismäßigen Überbelastung der Staatskasse führen. Zu erstatten wäre schließlich nicht das gesamte Honorar des Wahlverteidigers, sondern lediglich die gesetzlichen Gebühren (§ 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO).
Nimmt die Verfolgung von Straftaten für den Staat wirklich einen so gewichtigen Stellenwert ein, den vor allem Sicherheitspolitiker immer wieder betonen, so sollte er sich diese auch etwas kosten lassen.
Autor Dr. Samuel Strauß ist Habilitand und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Deutsches und Europäisches Straf- und Strafprozessrecht, IT-Strafrecht und Rechtsphilosophie von Prof. Dr. Andreas Popp, M.A. an der Universität Konstanz. Autor Patrick Scheerer ist Rechtsreferendar am Landgericht Konstanz.
Bei dem Text handelt es sich um eine Zusammenfassung eines wissenschaftlichen Beitrags mit Literatur- und Rechtsprechungsbelegen, der Ende November in der Zeitschrift "StV – Strafverteidiger Spezial", Heft 4, 2024, erscheinen wird. Die Zeitschrift wird wie LTO von Wolters Kluwer herausgegeben. Sie ist als Einzelausgabe und als Abo hier erhältlich.
Bei Einstellung des Ermittlungsverfahrens: . In: Legal Tribune Online, 25.11.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55943 (abgerufen am: 09.12.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag