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Dritte Corona-Umfrage der BRAK: Anwalt­schaft noch immer "mitten in der Krise"

von Hasso Suliak

23.06.2021

Eine Frau am Schreibtisch kalkuliert (Symbolbild)

(c) Gina Sanders - stock.adobe.com

Von Entspannung kann keine Rede sein, noch immer leidet die Anwaltschaft massiv unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie: Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage der BRAK unter mehreren Tausend Berufsträgern.  

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Die deutsche Anwaltschaft ist weiter in erheblichem Masse von der Corona-Pandemie betroffen. Auch wenn Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte im Vergleich zum vergangenen Herbst jetzt wirtschaftlich etwas besser dastünden, sei ihre aktuelle Lage keineswegs als entspannt zu bezeichnen. "Die Anwaltschaft befindet sich – wenn auch nicht mehr so dramatisch wie zuvor – mitten in der Krise", lautet das Fazit der inzwischen dritten Umfrage zu den Auswirkungen der Corona-Krise auf die deutsche Anwaltschaft, die die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) am Mittwoch präsentierte. Ein nicht unerheblicher Teil der Anwaltschaft geht danach davon aus, die Krise wirtschaftlich nicht überwinden zu können. Besonders gefährdet sind Spezialist:innen auf dem Gebiet des Sozialrechts, Straf- und Straßenverkehrsrechtlerinnen sowie Insolvenzrechtler.

Zwischen Ende Mai und Anfang Juni 2021 hat die BRAK eine mittlerweile dritte Umfrage zu den Auswirkungen der Coronakrise auf die deutsche Anwaltschaft durchgeführt, um die sich durch die Pandemie ergebenden Entwicklungen weiter begleiten und den Unterstützungsbedarf innerhalb der Anwaltschaft besser ermitteln zu können. Ähnliche Umfragen veröffentlichte die Kammer bereits vergangenen Herbst und im April 2020.

An der aktuellen Befragung nahmen knapp 6.150 Anwältinnen und Anwälte teil, über 5.000 von ihnen hätten die 14 Fragen an sie vollständig beantwortet, so die BRAK. Der Kammer zufolge zeichnen die Umfrageergebnisse "aufgrund der Durchmischung der Teilnehmer vom Einzelanwalt bis zum Partner in der Großkanzlei ein repräsentatives Bild der aktuellen Situation der Anwaltschaft".

Abgefragt wurde dabei nicht nur die wirtschaftliche Situation der Anwältinnen und Anwälte, sondern auch ihre Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen im Verhältnis zur Justiz sowie dem eigenen Impffortschritt. Was die Digitalisierung in der Justiz anbelangt, so scheint diese zwar im Vergleich zur Herbst-Umfrage kleine Fortschritte zu machen. Allerdings beklagten nach wie vor viele Anwältinnen und Anwälte erhebliche Verfahrensverzögerungen. Beim Thema Impfen sei die Anwaltschaft in Teilen unzufrieden, resümiert die BRAK.

Existenznöte vor allem bei Straf- und Sozialrechtlern 

Leicht verbessert hat sich die wirtschaftliche Situation bei vielen Anwält:innen, was ihre Außenstände bei Mandanten und Mandantinnen anbelangt. Während bei der Herbst-Umfrage noch ein Drittel der Befragten mehr offene Rechnungen als vor der Pandemie zu beklagen hatte, sind dies nun nur noch knapp über 24 Prozent. Im Herbst hatten noch knapp 53 Prozent aller Umfrage-Teilnehmer:innen weniger neue Mandate zu verzeichnen; aktuell sind dies "nur" noch rund 35 Prozent.

Fast 53 Prozent aller Befragten hatten aufs Ganze gesehen allerdings Umsatzeinbußen zu verzeichnen. "Besorgniserregend" bleibt laut BRAK der Anteil derjenigen, die glauben, die Krise wirtschaftlich nicht überwinden zu können.  Von einem Zehntel der Befragten im Herbst verringerte sich der Anteil der Betroffenen nur minimal auf knapp 9 Prozent.

Besonders gut – also ohne Umsatzeinbußen - stehen Anwält:innen da, die im Verwaltungsrecht (47,3 Prozent), Steuerrecht (56 Prozent), Medizinrecht (48,5 Prozent) oder Handelsrecht (rund 59 Prozent) tätig sind. Besonders gefährdet scheinen dagegen andere Rechtsgebiete: 12,2 Prozent aller Sozialrechtler:innen, 15,9 Prozent der Straßenverkehrsrechtler:innen, 11,4 Prozent der Strafrechtler:innen und knapp 12 Prozent der Insolvenzrechtler:innen fürchten, sich überhaupt nicht von der Krise erholen zu können. Sie liegen mit ihren Rechtsgebieten deutlich über dem Durchschnitt von rund neun Prozent.

"Besorgniserregende Zustände in Thüringen" 

Partner:innen in Kanzleien mit mehr als 20 Anwält:innen haben nur zu zwei Prozent Sorgen um ihre Existenz, der Einzelanwalt dagegen in 11,8 Prozent aller Fälle. Auf die Länder gesehen steht Schleswig-Holstein besonders gut da. Hier bangen "nur" 6,4 Prozent um ihre Zukunft. Schlechter sieht es in Rheinland-Pfalz (12,2 Prozent) aus und "besorgniserregend", so die BRAK, sei die Situation in Thüringen: Dort bangten rund 22 Prozent um ihre Zukunft.

Unzufrieden sind viele Anwält:innen mit den Corona-getriebenen Digitaliserungsfortschritten in der Justiz, der Anteil an Videoverhandlungen sei immer noch äußerst gering: Fast 74 Prozent der Befragten gaben an, an überhaupt keinen derartigen Verhandlungen teilgenommen zu haben. 19 Prozent vermeldeten einen Anteil von Videoverhandlungen von fünf bis 15 Prozent. Von mehr als 50 Prozent Videoverhandlungen können noch nicht einmal zwei Prozent der Anwält:innen berichten.

Neu abgefragt wurde im Rahmen der Dritten Corona-Umfrage nunmehr die Einschätzung der Anwaltschaft nach der technischen Ausstattung der Gerichte: Knapp 60 Prozent gaben dabei an, dass die Ausstattung ihrer Wahrnehmung nach auch während der Pandemie gleich geblieben sei. Lediglich 15 Prozent hatten den Eindruck, dass sich die Ausstattung der Gerichte verbessert habe und deshalb deutlich mehr Videoverhandlungen durchgeführt wurden. 26 Prozent meinten, dass sich die Ausstattung zwar verbessert, aber gleichwohl nicht mehr Videoverhandlungen stattgefunden hätten.

BRAK-Präsident, Rechtsanwalt und Notar Dr. Ulrich Wessels zeigte sich in diesem Zusammenhang enttäuscht: "Insbesondere im Hinblick auf den Pakt für den Rechtsstaat und die Forderungen der BRAK ist dies mehr als bedauerlich, hätte doch eine rasche Aufrüstung der Gerichte helfen können, Verfahrensverzögerungen und damit einen zumindest vorübergehenden Stillstand der Rechtspflege zu vermeiden. Hier muss dringend nachgebessert werden!"

Verzögerte Gerichtsverfahren, schleppende Corona-Impfungen   

Auswirkungen hat die Pandemie auch weiterhin auf die Dauer der Gerichtsverfahren:  Rund 41 Prozent aller Befragten gaben an, dass es zu Verfahrensverzögerungen von durchschnittlich mehr als acht Wochen gekommen sei. Besonders stark betroffen sind davon u.a. die Rechtsgebiete Strafrecht, Sozialrecht, Miet- und Familienrecht. Im Medizinrecht müssen aktuell sogar 48,17 Prozent der Befragten mit besonders langen Verzögerungen kämpfen, im Verwaltungsrecht gaben dies mehr als 51 Prozent der Befragten an.

Mit Blick auf die Bundesländer nimmt auch hier Thüringen mit 62,5 Prozent einen unrühmlichen Spitzenplatz ein. Überdurchschnittlich viele Verzögerungen von mehr als acht Wochen vermeldeten aber auch knapp 49 Prozent der Befragten für Berlin und 46,5 Prozent für Brandenburg.

Da sich zahlreiche Anwältinnen und Anwälte in diesem Jahr wegen Fragen zur Impfpriorisierung an die Kammer gewandt hatten, stellte die BRAK nunmehr erstmals auch eine Frage zur Impfung - und zwar zu einem Zeitpunkt, als die Priorisierung noch nicht - wie seit dem 7. Juni bundesweit geltend - aufgehoben war.

Probleme, einen Impftermin als Anwältin oder Anwalt zu bekommen, gab es danach vor allem in Thüringen (16 Prozent), NRW (20,3 Prozent) und Sachsen-Anhalt (16,67 Prozent). In anderen Bundesländern ging die Impfung der Anwaltschaft dagegen besonders gut voran, wie die BRAK-Umfrage ergibt: Die zweite Impfung hatten zum Zeitpunkt der Befragung bereits knapp 53 Prozent in Sachsen, 38,8 Prozent in Baden-Württemberg, 35,41 Prozent in Bayern und rund 33 Prozent in Schleswig-Holstein erhalten.

Die vollständigen Umfrageergebnisse hat die BRAK hier veröffentlicht.

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Dritte Corona-Umfrage der BRAK: . In: Legal Tribune Online, 23.06.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45277 (abgerufen am: 24.05.2025 )

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