Die Fortbildungspflicht für alle Anwälte könnte ebenso scheitern wie das verpflichtende Berufsrecht für Anfänger. Die Regierungskoalition will die Pläne aus dem BMJV nicht umsetzen, dafür aber der BRAK ein Recht auf Intransparenz einräumen.
Einen Tag, bevor das Gesetz den Bundestag passieren sollte, ist es erneut von der Tagesordnung verschwunden. Auch der Rechtsausschuss wird am Mittwoch nicht wie geplant über die geplanten Änderungen für Anwälte sprechen. Es könnte sein, dass es weiterhin auch im Deutschland des 21. Jahrhundert nicht mehr als die beiden juristischen Staatsexamina brauchen wird, um lebenslang die Berufsbezeichnung "Anwalt" führen zu dürfen.
Dabei sollte sich das, ginge es nach dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV), eigentlich schon zum Ende des Jahres 2016 ändern. Im Zuge eines "Gesetzes zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe" wollte das BMJV die Satzungsversammlung ermächtigen, die allgemeine anwaltliche Fortbildungspflicht zu konkretisieren und Nachweispflichten einzuführen, bußgeldbewehrt bis zu 2.000 Euro pro Verstoß.
Am 25. Januar sollte der Rechtsausschuss des Bundestags über diese sog. kleine BRAO-Reform beraten, am Donnerstag sollte sie in zweiter und dritter Lesung im Bundestag beschlossen werden. Dazu wird es nun nicht kommen. Nach dem Bundestag hat nach LTO-Informationen auch der Rechtsausschuss das Thema von der Tagesordnung genommen. Die allgemeine Fortbildungspflicht könnte ebenso kippen wie der Plan, eine minimale Pflichtausbildung im Berufsrecht zur Voraussetzung für die Zulassung zur Anwaltschaft zu machen. Und es gibt einen ganz neuen Vorschlag, den man als zumindest erstaunlich bezeichnen kann.
Union und SPD: doch keine Fortbildungspflicht und kein Berufsrecht
Die Fraktionen von CDU/CSU und SPD sehen laut einem Änderungsantrag vom 23. Januar, der LTO vorliegt, kein Bedürfnis mehr für die "Ermöglichung einer generellen Festlegung konkreter Fortbildungspflichten für alle Rechtsanwälte durch die Satzungsversammlung bei der Bundesrechtsanwaltskammer".
Damit hätte die Anwaltschaft keinen Einfluss mehr auf die Gestaltung der Anwaltsfortbildung, das von der Satzungsversammlung bereits intensiv diskutierte und erneut in die Ausschüsse geschickte Konzept zur Fortbildungspflicht wäre obsolet. Dabei war es für Ulrich Schellenberg "nur konsequent", dass der Entwurf zur kleinen BRAO-Reform die Ermächtigungsgrundlage für die Satzungsversammlung enthält. "Dort und nirgendwo anders kann im Rahmen der Selbstverwaltung entschieden werden, wie wir als Anwaltschaft mit diesem Thema umgehen wollen", sagte der Präsident des Deutschen Anwaltvereins (DAV) am Mittwoch in Berlin.
Im Änderungsantrag ist die Streichung eines weiteren Punktes vorgesehen, der bislang von Befürwortern wie auch Kritikern als zentral betrachtet wurde: Der Gesetzentwurf sah eine Fortbildungspflicht im Berufsrecht für Berufsanfänger vor, der junge Juristen spätestens mit der Zulassung nachkommen müssten.
Im Änderungsantrag wird zwareingeräumt, dass diesbezüglich gerade bei neu zugelassenen Rechtanwälten häufig tatsächlich erhebliche Defizite bestünden. Eine Fortbildungspflicht soll es nach dem Antrag, der nach LTO-Informationen vor allem von einer Gruppe junger Abgeordneter stammt, aber dennoch nicht geben. Die Mängel sollten vielmehr durch eine verbesserte Ausbildung im Studium oder insbesondere im Referendariat abgestellt werden. Eine verpflichtende Fortbildungsveranstaltung könnte Berufsanfänger, deren zeitliche und finanzielle Möglichkeiten zu Beginn ihrer Tätigkeit sehr begrenzt seien, über Gebühr belasten, heißt es dort.
2/2: Intransparenz für die BRAK per Gesetz verordnet?
Noch auffälliger ist ein anderes Thema, das sich erstmals im Änderungsantrag findet: Der Ausschuss fordert die Bundesregierung auf, zu überprüfen, ob die BRAK aus dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) herauszunehmen ist.
Die Abgeordneten begründen diese Aufforderung damit, dass die BRAK keine Behörde des Bundes sei und keine öffentlich-rechtlichen Verwaltungsaufgaben wahrnehme. Das nimmt eine Argumentation des Dachverbands der Rechtsanwälte auf. Erst vor wenigen Monaten wehrte die BRAK sich vor dem Verwaltungsgericht (VG) Berlin gegen die Auskunftsklage eines Anwalts, der u.a. Einsicht in die Beschlüsse der Hauptversammlung nehmen wollte mit der Begründung, sie sei keine Behörde im Sinne des IFG.
Die Regierungskoalition begründet ihre Bitte um Überprüfung zudem damit, dass die BRAK als berufsständische Selbstverwaltungskörperschaft nur der Rechtsaufsicht und damit einer nur beschränkten Unterrichtungspflicht gegenüber dem BMJV unterliege. Es dürfe nicht dazu kommen, dass Dritte – wie zunehmend mehr Anwälte - durch ein allgemeines Auskunftsbegehren nach dem IFG mehr Informationen bekämen als das Ministerium im Rahmen der Rechtsaufsicht.
Erfolgreich war die BRAK vor dem VG Berlin übrigens nicht. Die Berliner Richter halten sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts für verpflichtet, jedem nach Maßgabe des IFG Zugang zu Informationen zu gewähren. Ihre Berufung gegen das Urteil läuft. DAV-Präsident Schellenberg kommentierte das am Mittwoch in Berlin mit einem Hinweis, dass eine starke Selbstverwaltung Transparenz brauche. Ohne Transparenz gebe es keine Akzeptanz. Und er wurde noch deutlicher: „Soll denn wirklich der Eindruck entstehen, dass der Gesetzgeber sich über die Rechtsprechung hinwegsetzen will?“ Und an den BRAK-Präsidenten gewandt: "Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass Sie, lieber Herr Kollege Schäfer, das anders sehen."
Pia Lorenz, Koalition will BRAO-Reform stoppen: Doch keine Fortbildungspflichten für Anwälte? . In: Legal Tribune Online, 25.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21882/ (abgerufen am: 18.04.2024 )
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