Mandantengelder nicht ausgezahlt: Anwalt wegen Unt­reue aus­ge­sch­lossen

15.07.2019

Ein Rechtsanwalt, der eingegangene Gelder aus Verkehrsunfallsachen nicht an seine Mandanten auszahlte und erst durch Vollstreckungsmaßnahmen dazu bewegt werden konnte, verliert nun seine Zulassung. Das entschied der AGH NRW.

Was nützt es, vor Gericht eine hohe Schadensersatzsumme zugesprochen zu bekommen, wenn diese nie den Weg ins eigene Portemonnaie findet? Gar nichts. Deshalb sollen Anwälte für ihre Mandanten nicht nur Gelder einklagen, sondern diese - selbstverständlich - auch an sie weiterleiten. Geschieht das nicht, macht sich der Advokat wegen Untreue strafbar - und kann auch aus der Anwaltschaft ausgeschlossen werden, wie ein nun bekannt gewordener Fall vor dem Anwaltsgerichtshof (AGH) des Landes Nordrhein-Westfalen (Urt. v. 01.03.2019, Az. 2 AGH 15/18) zeigt.

Ein Kölner Rechtsanwalt hatte für seine Mandanten Schadensersatzzahlungen aus Verkehrsunfällen erstritten, diese aber nicht oder nur zum Teil an sie weitergeleitet. Im ersten Fall hatte er zunächst eine bei einem Verkehrsunfall geschädigte Frau im Rechtsstreit mit der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners vertreten. Dies auch mit Erfolg, denn die Versicherung überwies in den folgenden Jahren immer wieder Gelder an ihn, die er an seine Mandantin weiterleitete. Allerdings unterhielt er dazu kein Treuhandkonto (ein sogenanntes Anderkonto), wozu Rechtsanwälte eigentlich verpflichtet sind, sondern ließ die Gelder über sein eigenes (Geschäfts-)Konto laufen.

2010 überwies der Versicherer dann noch einmal 10.000 Euro an den Juristen, der aber nur noch 2.000 Euro an seine Mandantin weitergab. Diese forderte ihn wiederholt auf, die restliche Summe zu überweisen, was er aber nicht tat, weshalb sie schließlich Klage erhob. Nachdem sie ein rechtskräftiges Versäumisurteil und eine Zwangsvollstreckung erwirkt hatte, übergab er 2013 schließlich 11.000 Euro in bar an den neuen Anwalt seiner früheren Mandantin.

Im zweiten Fall, ebenfalls ein Verkehrsunfall, lag es ähnlich. Auch hier erstritt er Zahlungen an seinen Mandanten, wovon er noch den zunächst überwiesenen Vorschuss der Versicherung i. H. v. 3.000 Euro weitergab. Im Jahr 2011 allerdings erhielt er weitere 5.000 Euro, später noch einmal 9.000 Euro, die er nicht mehr weiterleitete. Auch hier musste er erst durch ein Gerichtsverfahren zur Zahlung gezwungen werden. Ein weiterer Fall betraf ein Ehepaar, das von der Versicherung seines Unfallgegners 17.000 Euro erhalten sollte. Der Anwalt behauptete, es sei überhaupt keine Zahlung eingegangen, obwohl er sie bereits erhalten hatte. Erst mittels Arrest konnte der volle Betrag gesichert und im Wege der Rückgewinnungshilfe an die Mandanten ausgekehrt werden.

AGH: Ausschluss bei Untreue regelmäßig angezeigt

Das Amtsgericht verurteilte den Juristen aufgrund dieser Fälle wegen Untreue jeweils zu Geldstrafen von 190 respektive 180 Tagessätzen zu je 100 Euro. Rechtsmittel blieben erfolglos. Überdies wurde er auch wegen eines weiteren Falls von Untreue verurteilt, in einem anderen freigesprochen, weil kein Vorsatz festgestellt werden konnte. Um letztere Fälle ging es vor dem AGH aber nicht.

Das Kölner Anwaltsgericht stellte in den einschlägigen Fällen Verstöße gegen die anwaltlichen Berufspflichten fest und verhängte ein Vertretungsverbot für den Bereich der zivilrechtlichen Unfallschadensregulierung, aus dem der Anwalt etwa ein Drittel seiner Einnahmen generierte. Die Generalstaatsanwaltschaft empfand dieses Urteil allerdings als zu milde und legte Berufung zum AGH ein, der schließlich die schwerste Sanktion verhängte, den Ausschluss aus der Anwaltschaft. Angesichts der Schwere und Hartnäckigkeit seiner Pflichtverletzungen sei eine mildere Maßnahme nicht zu rechtfertigen, befand der Senat.

Auch wenn es sich um eine "gravierende" und stark in die Berufsfreiheit eingreifende Sanktion handelt, wie der Senat erkannte, hielt er den Ausschluss doch für unumgänglich. Eine Untreuehandlung stelle allgemein einen so gravierenden Verstoß gegen die anwaltliche Kernpflicht der Vermögensbetreuung aus §§ 43a V der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) dar, dass der Ausschluss aus der Anwaltschaft regelmäßig die Folge sein müsse, so der AGH in seinem Urteil, das LTO vorliegt. Er habe dadurch das Ansehen des anwaltlichen Berufsstandes schwer beschädigt. Bloß bei Vorliegen besonderer Umstände wie einer Selbstanzeige oder sofortiger Wiedergutmachung könne von einem Ausschluss abgesehen werden.

Prognose: Geldstrafen könnte weitere Untreue bewirken

Tatsächlich habe der Mann überhaupt nicht an der Aufklärung mitgearbeitet, sogar schriftliche Anfragen der Rechtsanwaltskammer ignoriert und im Verfahren vor dem Anwaltsgericht keine erkennbare Reue oder Einsicht gezeigt. Auch die zögerliche Begleichung von Mandantenforderungen nach den zivilrechtlichen Streitigkeiten legte der Gerichtshof zu seinen Lasten aus. Zudem habe er die Gelder über einen sehr langen Zeitraum vorenthalten, teils waren über eineinhalb oder sogar mehr als drei Jahre seit der Schadensregulierung durch die Versicherung vergangen.

Die Richter zogen zwar in Erwägung, dass ein Ausschluss aus der Anwaltschaft und damit ein faktisches Berufsverbot für den Mann besonders drastische Folgen haben könnte, da er auf diese Einnahmen angewiesen und nicht Mitglied des anwaltlichen Versorgungswerks sei sowie keine Rentenansprüche erworben habe. Zudem war er schon seit 1975 als Anwalt zugelassen gewesen, ohne dass es zu berufsrechtlichen Beanstandungen gekommen war. Die Schwere der Pflichtverstöße und auch die Höhe der vorenthaltenen Gelder - zusammen immerhin 39.000 Euro - ordnete der AGH aber als zwingende Gründe ein, die eine mildere Sanktion unmöglich machten.

Zudem erkannten die Richter keine positive Prognose für den Mann: Gerade die bereits verhängten Geldstrafen könnten die Geldprobleme des Anwalts noch weiter verschärfen, sodass er sich zu weiteren Veruntreuungen gezwungen sehen könnte, befürchteten sie. Deshalb sei ein Ausschluss aus der Anwaltschaft angezeigt. Zudem sei auch die weitere rechtskräftige Untreue-Verurteilung, die der hier getroffenen Entscheidung nicht unmittelbar zugrunde lag, in die Abwägung mit einzubeziehen, da der Mann auch hier "kriminelle Energie" an den Tag gelegt habe. Auch habe er bis heute, obwohl gesetzlich dazu verpflichtet, noch immer kein Anderkonto für Mandantengelder angelegt.

Ein auf die Unfallschadensregulierung beschränktes Vertretungsverbot, wie es noch die Vorinstantz für ausreichend gehalten hatte, sei daher nicht mehr genug, stellte der Senat abschließend fest. Denn auch in anderen Rechtsgebieten könne er Mandantengelder zu seiner Verfügung erhalten, weshalb die Gefahr weiterer Untreuehandlungen nur durch einen Ausschluss beseitigt werden könne.

mam/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Mandantengelder nicht ausgezahlt: . In: Legal Tribune Online, 15.07.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36497 (abgerufen am: 09.12.2024 )

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