Zusatzbezeichnungen für Anwälte

Fachanwälte, Spezialisten und andere Verwirrungen

Justus von DanielsLesedauer: 4 Minuten
Spezialisierung wird für Anwälte immer wichtiger, die Zahl der Fachanwaltstitel steigt. Was aber tut derjenige, der nicht über einen solchen verfügt? Das LG München entschied in diesem Jahr, dass Rechtsanwälte sich nicht "Spezialist für" ein Fachanwaltsgebiet nennen dürfen - und trug damit nicht gerade zur Klärung der Situation bei. Wer darf "Spezialist" sein? Und wer nicht?

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Rechtsanwälten steht bei der Wahl von Zusatzbezeichnungen ein großer Spielraum zu. Neben der Berufsbezeichnung können Tätigkeitsschwerpunkte oder Spezialgebiete ohne öffentlich verliehene Titel angegeben werden.

Unter besonderem Schutz steht allerdings der Fachanwaltstitel, der von den Rechtsanwaltskammern verliehen wird. Eine zu große Ähnlichkeit von Zusatzbezeichnungen mit diesem Titel muss vermieden werden, damit keine Verwechslungsgefahr besteht. Seit Jahren besteht Streit darüber, wo diese Grenze zu ziehen ist. Das Landgericht (LG) München hat nun mit einer Entscheidung (v. 09.02.2010, Az. 33 O 427/09) wieder Öl ins Feuer dieses Streites gegossen.

Darf sich jemand "Spezialist für Erbrecht" nennen, der kein Fachanwalt für Erbrecht ist? Um sich im Markt der Rechtsberatung zu behaupten, nutzen viele Anwälte die Freiheit, mit der Nennung von Schwerpunkten oder Zusatzqualifikationen für sich zu werben. Es gibt Rechtsanwälte für Autobahnrecht oder Kanzleien mit Schwerpunkt im Hochschul- oder Gesundheitsrecht. Grundsätzlich ist der Anwalt frei in der Nennung von Zusatzbezeichnungen.

München ganz speziell: "Spezialist für" geht nicht -"spezialisiert auf" schon

Auch der Begriff der "Spezialisierung" hat sich in den letzten Jahren zunehmend etabliert. Dafür müssen aber Voraussetzungen nachgewiesen werden: Der spezialisierte Rechtsanwalt muss über theoretische Kenntnisse und umfangreiche praktische Erfahrungen auf einem bestimmten Gebiet verfügen, die er im Zweifel auch nachweisen muss.

Einen Spezialist für Wehrrecht kann sich beispielsweise nennen, wer nachweisbar über besondere Fähigkeiten auf diesem Gebiet verfügt, als solcher anerkannt ist und im wesentlichen nur Mandate in diesem Bereich bearbeitet.

Nicht erlaubt ist es jedoch, wenn sich jemand als Spezialist auf einem Gebiet bezeichnet, für das es eine Fachanwaltsausbildung gibt, denn die genießt besonderen Schutz. Das Landgericht München sieht aufgrund der semantischen Nähe des "Spezialist für..." zum "Fachanwalt für..." eine zu große Verwechslungsgefahr, die zu einer Irreführung der Mandanten führe und damit einen berufsrechtlichen Wettbewerbsverstoß darstelle.

Dagegen sieht das Gericht kein Problem, wenn ein Rechtsanwalt für sich wirbt, indem er "spezialisiert auf Erbrecht" "Spezialisierung im Erbrecht" oder "Spezialgebiet: Erbrecht" auf seinen Briefkopf druckt.

Die Spezialisten-Entscheidung des BVerfG

Klar ist für den Rechtsanwalt damit noch nichts. Denn das Landgericht setzt sich in einen Widerspruch zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG), das in seiner "Spezialisten-Entscheidung" aus dem Jahr 2004 (Az. 1 BvR 159/04) deutlich gemacht hatte, dass es einen Unterschied zwischen einem Fachanwalt und einem Spezialisten gibt – den auch ein Laie verstehe.

Während ein Fachanwalt mit dem Titel zeigt, dass er auf einem bestimmten Gebiet eine geprüfte Kompetenz hat, wolle ein Rechtsanwalt, der sich als Spezialist bezeichnet, andere Tätigkeiten ausschließen. Sein Ziel sei es, mit der Außendarstellung als Spezialist eine Inanspruchnahme auf anderen Gebieten abzuwehren. Ein Spezialist sei damit nicht vergleichbar mit einem Fachanwalt, vielmehr hat er nach Auffassung des BVerfG mit seiner Angabe ein anderes Ziel.

Das höchste deutsche Gericht traut damit auch dem Laien die Unterscheidung zwischen einem Spezialisten und einem Fachanwalt zu.

Seit 2005 ist die Anzahl der Fachanwaltstitel auf 20 angestiegen. Es gibt Fachanwälte für Medizinrecht, für Urheber- und Medienrecht oder Verkehrsrecht. Gleichzeitig nimmt auch der Grad der Spezialisierung zu. Nach dem LG München ist ein "Spezialist für Urheberrecht" aufgrund der Nähe zum Fachanwaltstitel verboten. Ein "Spezialist für Sportrecht" könnte hingegen zulässig sein, da es einen Fachanwaltstitel für Sportrecht (noch) nicht gibt.

Für den Laien ist es durch die Zunahme an Fachanwaltstiteln nicht einfacher geworden, zu unterscheiden, ob sich jemand zulässigerweise als Spezialist in einem Gebiet bezeichnen darf oder nicht.

Wenn es nach dem BVerfG ginge, kämen sich Spezialist und Fachanwalt nicht ins Gehege. Das LG München will dagegen den Laien schützen. Es sieht die Bezeichnung "Spezialist" als Irreführung an, da der Bürger nicht zwischen Spezialist und Fachanwalt unterscheiden könne. Damit verstoße die Bezeichnung als Spezialist gegen die Fachanwaltsordnung, nach der eine Verwechslungsgefahr zu vermeiden ist.

So bewahrt das Gericht den Mandanten zwar davor, sich optisch täuschen zu lassen. Aber gleichzeitig erlaubt es Bezeichnungen mit minimalen, teils spitzfindigen semantischen Unterschieden, die dem Ziel der Vermeidung einer Verwechslung nicht gerade dienlich sind.

Irrungen und Wirrungen: Das Verständnis des Laien

Offen bleibt dabei, warum dem Laien zuzutrauen ist, zu wissen, auf welchen Teilgebieten ein Fachanwaltstitel verliehen wird und auf welchem Gebiet die Bezeichnung als Spezialist aufgrund einer fehlenden objektiven Verwechslungsgefahr erlaubt bleibt.

Den Rechtsanwalt, der eine Spezialisierung korrekt angeben möchte, bleibt momentan nur, die semantische Nähe zu Fachanwaltschaften zu meiden. Der Begriff "Spezialist" kann abgesehen davon aber verwendet werden. Der Schutzbereich des Begriffs "Fachanwalt" ist damit sehr eng.

Das LG München hat mit seinem klaren Urteil eine gewisse Unklarheit in dieser Frage erhalten. Denn mit der Absetzung vom BVerfG bleibt offen, welches Verständnis dem Laien hinsichtlich der Unterscheidungskraft von Fachanwalt und Spezialist zukünftig zugemutet wird. Und das ist schließlich für die Frage entscheidend, ob ein berufsrechtswidriger Verstoß wegen Irreführung vorliegt.

Der Autor Justus von Daniels ist promovierter Jurist und arbeitet als freier Journalist im Bereich Rechtspolitik

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