Als Jurist:in in der Antikorruptionsabteilung der Weltbank

Ermittler im eigenen Haus

von Dr. Franziska Kring und Pauline DietrichLesedauer: 6 Minuten

Viele Gelder für Projekte der Weltbank landen nicht dort, wo sie hingehören. Deshalb gibt es eine eigene Abteilung gegen Korruption und Betrug, wo auch deutsche Juristen und Referendare arbeiten.

"Am Anfang wollte ich nur für zwei Jahre zur Weltbank. Das war 2005. Und jetzt bin ich immer noch da und es sieht auch so aus, dass ich noch eine Weile hierbleibe", so Dr. David Hawkes. Hawkes war zehn Jahre lang Staatsanwalt für Korruption und besondere Wirtschaftskriminalität in Berlin, bevor er zur Weltbank nach Washington wechselte. Dort leitete er viele Jahre die Special Litigation Unit der Anti-Korruptionsabteilung (Integrity Vice Precidency, INT). "Die INT ist sozusagen die interne Ermittlungsabteilung der Weltbank in Korruptionssachen", sagt Jurist Fabian Clausen, der seit 2014 dort tätig ist.

Die Weltbank ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen (VN), die im Juli 1944 zusammen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) gegründet worden ist, um den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg zu ermöglichen. Der Weltbank gehören 189 Mitgliedstaaten an. Sie verfolgt das Ziel, die Armut in der Welt zu reduzieren und das wirtschaftliche Wachstum von Entwicklungsländern voranzutreiben. Seit 1947 hat die Weltbank nach eigenen Angaben mehr als 12.000 Entwicklungsprojekte über traditionelle Darlehen, zinslose Kredite und Zuschüsse finanziert.

Allerdings landen nicht alle Gelder dort, wo sie hingehören. Vor diesem Hintergrund wurde die INT ins Leben gerufen, eine unabhängige Einheit innerhalb der Bank, die Betrugs- und Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit von der Weltbankgruppe finanzierten Projekten untersucht und Sanktionen verhängt. Die INT ermittelt die Sachverhalte – und am Ende dieses Prozesses steht unter Umständen der Ausschluss von Personen und Unternehmen von künftigen Weltbankprojekten.

Dr. David Hawkes

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Hundert Mitarbeitende mit 28 Nationalitäten

Rund 100 Mitarbeitende sind in der Abteilung tätig, davon zwölf Anwältinnen und Anwälte aus unterschiedlichen Ländern. "Als wir die Litigation Unit aufgebaut haben, war es unser Ziel, mit den Beschäftigten alle großen Rechtsgebiete der Welt abzudecken", sagt Hawkes. Immerhin 28 verschiedene Nationalitäten sind es geworden.

Wenn der INT ein Sachverhalt gemeldet wird, werden zunächst die sogenannten Ermittlerinnen und Ermittler tätig. Diese müssen nicht zwingend einen juristischen, aber in jedem Fall einen "Ermittlungshintergrund" haben. Beispielsweise gehört auch ein ehemaliger Commander der kanadischen Bundespolizei zum Team.

Ein klassischer Fall, der bei der INT landet, ist der Einsatz eines Mittlers in einem Vergabeverfahren für ein Projekt, das von der Weltbank finanziert wird. Nicht die Weltbank, sondern der geförderte Staat selbst führt das Vergabeverfahren durch. Teilweise setzen Unternehmen in den Verfahren gegen Geld Mittler ein, decken dies aber nicht auf. Das ist eine Betrugshandlung, die relativ einfach zu beweisen ist, erklärt Hawkes. Gemeinsam mit seinem Team vernimmt er den oder die Vermittlerin und prüft die Bücher, um aufzudecken, wohin das Geld geflossen ist.

"Ähnlich komplizierte Fälle wie in großen Wirtschaftsstrafsachen"

Dabei handelt es sich mitunter um komplizierte Sachverhalte, in die große Unternehmen involviert sind. Gleichzeitig stehen hohe Geldsummen auf dem Spiel und große Anwaltskanzleien übernehmen die Verteidigung. "Die Fälle können ähnlich kompliziert sein wie in großen Wirtschaftsstrafsachen", erläutert Clausen. Teilweise müssten hunderttausende Mails untersucht und Datenbanken gespiegelt werden.

Es gibt aber auch einfacher gelagerte Sachverhalte, etwa wenn aufpolierte Lebensläufe der Projektverantwortlichen eingereicht oder Bankunterlagen gefälscht werden.

Als sogenannter Litigation Specialist kommt Clausen dann ins Spiel, wenn die Ermittler:innen alle Informationen zum Sachverhalt zusammengetragen haben. "Mein Job ist es, diese Fälle durch den formalen Sanktionsprozess durchzubringen und die betroffenen Individuen bzw. Unternehmen auszuschließen", erklärt er. Er sei aber auch als kritischer Begleiter und Partner der Ermittler:innen  bei Interviews und Ermittlungsreisen dabei, beantworte Rechtsfragen und leite zum Teil eigene Ermittlungen. "Alles in allem ein sehr vielseitiger und spannender Job", schwärmt Clausen.

Fabian Clausen

Keine hoheitlichen Durchsetzungsinstrumente

Die INT hat in jedem Jahr Tausende von Eingaben. Daraus filtert sie dann einige Hundert Fälle raus, die sie näher untersucht – denn das Mandat ist an den Fluss von Weltbankgeldern gekoppelt. Pro Jahr werden in rund 40 Fällen Sanktionen verhängt. Im Vergleich zu strafrechtlichen Korruptionsverfahren im Bereich der Organization for Economic Co-operation and Development (OECD), die rund sieben Jahre dauern, sind die INT-Verfahren mit einer durchschnittlichen Dauer von zwei Jahren schnell abgeschlossen. "Aber wir wollen noch viel schneller werden", sagt Hawkes.

Die INT selbst führe keine strafrechtlichen, sondern verwaltungsrechtliche Ermittlungen im Rahmen des internationalen Verwaltungsrechts und Völkerrechts durch, ergänzt er. "Deshalb stehen uns auch keine hoheitlichen Instrumente zur Verfügung. Wir haben Zugriff auf Projektunterlagen und Audit Rights, aber keine Möglichkeit, diese Rechte auch durchzusetzen", erklärt Hawkes.

Hawkes leitet die Abteilung für externe Ermittlungen. Die sogenannten internen Ermittler untersuchen Korruptions-, Untreue- und Betrugsvorwürfe gegen Mitarbeitende der Weltbank. Hierbei gelten besondere Regeln und Verfahren.

Sozialkompetenzen und internationale Erfahrungen statt Prädikatsexamen

Bei der Auswahl der Mitarbeitenden kommt es laut Hawkes und Clausen weniger auf zwei Prädikatsexamina als auf internationale Erfahrungen, Sozialkompetenzen und Englischkenntnisse an – schließlich läuft das gesamte Arbeitsleben in der Sprache ab. Außerdem müssen die Litigation Specialists zuvor als zugelassene Anwältinnen und Anwälte gearbeitet haben, erklärt Clausen. Das sei bei den Ermittlern keine Voraussetzung.

Die Weltbank stellt in der Regel keine Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger ein, sondern setzt zwei bis fünf Jahre Berufserfahrung voraus. Im Rahmen des Referendariats können Juristinnen und Juristen aber die Arbeit bei der Weltbank kennenlernen.

Als Referendar von Anfang an gut eingebunden

So war Fabian Clausen im Jahr 2011 selbst einer der ersten Referendare bei der INT und arbeitete unter Hawkes, der das Referendarprogramm ins Leben gerufen hat.

"Es gibt jungen Jurist:innen die Möglichkeit, internationale Erfahrungen zu sammeln – das ist sonst in der deutschen Juristenausbildung gar nicht so einfach", so Hawkes. Die ehemalige Referendarin Juliana Tran kann das aus eigener Erfahrung bestätigen. Im Gespräch mit LTO erzählt sie, dass sie ihre Wahlstation bei INT absolviert hat und ihr die anspruchsvolle Arbeit sehr großen Spaß gemacht habe. "Man wird von Anfang an gut eingebunden und zwar in allen Phasen der Ermittlungsarbeit", so Tran. Laut Hawkes sind viele der ehemaligen Referendar:innen inzwischen hauptberuflich außerhalb von Deutschland tätig, zum Beispiel bei der UNO, dem Auswärtigen Amt oder in internationalen Kanzleien – auch nicht immer in juristischen Funktionen.

Das Bewerbungsverfahren für das Referendarprogramm läuft unkompliziert über E-Mail ab, anschließend folgt ggf. ein virtuelles Bewerbungsgespräch. Nicht fehlen sollten ein Lebenslauf und ein Motivationsschreiben auf Englisch mit einer Erläuterung, warum man sich für Entwicklungspolitik und Korruptionsbekämpfung interessiert und was man in diesen Bereichen schon an Erfahrungen gesammelt hat. "Diesbezüglich sind unsere Anforderungen in Anbetracht der Berufserfahrung von Referendarinnen und Referendaren natürlich nicht so hoch", erläutert Hawkes. Bewerbungsfristen gebe es keine, allerdings sollte man es so früh wie möglich im Voraus probieren.

"Viel Korruption – und deshalb viel Arbeit für die Referendar:innen"

Ist man dabei, dann wird es bestimmt nicht langweilig. "Es gibt leider viel Korruption – und deshalb aber auch viel Arbeit für die Referendar:innen. Ihr Tätigkeitsspektrum ist so vielseitig wie unsere Ermittlungen", so Clausen. Das bei der Arbeit anzuwendende Recht reiche von internationalem Recht über Selbstverwaltungsrecht der Weltbank bis zum Wirtschaftsrecht. Mindestens eine Anklageschrift sowie eine Präsentation zu einem Thema der Wahl erwartet den oder die Referendar:in sowie Rechercheaufgaben. "Ich war zum Beispiel bei Vergleichsverhandlungen dabei und durfte selbst Vergleichsvorschläge entwerfen oder wir haben eine virtuelle Anhörung vor dem sogenannten Sanctions Board mit der Hilfe eines Mock Trials vorbereitet", ergänzt Tran.

Dass es nicht immer auf reine Juristerei ankommt, sondern durchaus der Praxisbezug zum Tragen kommt, zeigt ein Beispiel einer Aufgabe eines ehemaligen Referendars sehr anschaulich. Laut Clausen hat dieser über Google Street View untersucht, ob eine von der Weltbank mitfinanzierte Straße auch wirklich gebaut worden ist. Ist der Straßenbelag alt oder neu? Können Autos dort fahren? Derartige Fragen zu beantworten – und das auch noch am Standort in Washington D.C. -  dürfte nach der langen theoretischen Zeit eine willkommene Abwechslung sein.

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