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Was junge Juristen wollen

von Constantin Baron van LijndenLesedauer: 5 Minuten

Die zweite Hälfte der Generation Y wird eher noch anspruchsvoller als die erste. Sie weiß, was sie will, und wägt die Vor- und Nachteile künftiger Arbeitgeber genauso selbstverständlich im Internet ab wie die von Restaurants oder Hotels.

Freizeit ist wichtiger als Geld, Atmosphäre wichtiger als Karriere, und der Chef soll stets fürsorglich sein und Raum für Entfaltung und Entwicklung lassen. Die Ansprüche der Nachwuchsjuristen aus der Generation Y lösen nicht bei jedem Arbeitgeber Begeisterung aus – doch sie sind seit Jahren bekannt und durch Umfragen bestätigt. Die mit Abstand größte Befragung unter Studenten und Referendaren zeigt nun: Der Trend nimmt eher zu als ab – besonders unter Prädikatsjuristen.

Den Ergebnissen liegen die Antworten von 5.439 jungen Juristen in der LTO Young Professional Survey zu Grunde. Knapp 60 Prozent der Befragten befanden sich im Erhebungsjahr 2016 noch im Studium, ein Viertel absolvierte das Referendariat, bei den Übrigen handelt es sich um Doktoranden und Volljuristen in verschiedenen Positionen. Von  den 2.147 Umfrageteilnehmern, welche die erste Staatsprüfung bereits abgelegt hatten, hatten 945 ein Vollbefriedigend, ein Gut oder ein Sehr gut  erzielt.

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Wertschätzung und Work-Life-Balance immer wichtiger

Die Angaben zu den entscheidenden Faktoren für die Arbeitgeberwahl bestätigen den Trend des Vorjahres, in dem knapp 3.000 Personen an der Umfrage teilgenommen hatten. Demnach sind für die Nachwuchsjuristen ein guter und von Wertschätzung geprägter Führungsstil sowie eine ausgeglichene Work-Life-Balance nach wie vor die beiden wichtigsten Kriterien, die sogar noch nachdrücklicher eingefordert werden als zuvor.

Auf einer Skala von 1 (unwichtig) bis 5 (sehr wichtig) erzielten sie jeweils 4,2 statt wie im Vorjahr 3,8 Punkte, in der Gruppe der Prädikatsjuristen lag dieser Wert noch einmal geringfügig höher. Auch die in dieser Reihenfolge folgenden Faktoren Standort, Weiterbildung, Gehalt und Karriere wurden jeweils noch stärker betont als zuvor – umgekehrt verlor der mit einem Durchschnittswert von 2,9 schon im letzten Jahr unwichtigste Faktor Internationalität noch einmal weitere 0,2 Punkte und liegt damit weit abgeschlagen auf dem letzten Platz.

Diese Präferenzlage bleibt auch dann bestehen, wenn die Befragten sich ausdrücklich zwischen Work-Life-Balance und Gehalt entscheiden müssen. Auf einer Skala von 1 (hohe Work-Life-Balance) bis 5 (hohes Gehalt) wählten 31 Prozent die goldene Mitte, 44 Prozent wünschten sich lieber mehr Freizeit, und nur 25% mehr Gehalt. Auch hier ist der Trend deutlich ausgeprägter als im Vorjahr, und in der Gruppe der Prädikatsjuristen noch einmal stärker als in der Gesamtbetrachtung: Von ihnen entschieden sich ganze 50 Prozent für ein schwächeres Gehalt bei größerer Work-Life-Balance, 29 Prozent fanden beide Faktoren gleich wichtig, und nur 21 Prozent legten mehr Wert auf Geld als auf Freizeit.

Beruhigend: Karriere nicht um jeden Preis

Zwei Fragen zum Harmoniebedürfnis und Gerechtigkeitsempfinden der Jungjuristen liefern Ergebnisse, die den unschöneren Klischeevorstellungen über den Berufsstand mit erfreulicher Deutlichkeit widersprechen. So erklärten 60 Prozent der Befragten, dass sie nicht bereit seien, die Ellenbogen auszufahren und sich bei Kollegen unbeliebt zu machen, um beruflich voran zu kommen; 26 Prozent können sich dies in maßvoller Dosierung vorstellen, und nur 13 Prozent  geben dem eigenen Vorteil den klaren Vorzug gegenüber der Stimmung im Büro.

Noch deutlicher tritt dieser Gerechtigkeitssinn zutage, wenn er nicht mit dem eigenen Vorankommen abgewogen werden muss: Der Aussage "Mir ist es wichtig, dass mein Arbeitgeber Wert auf Chancengleichheit und kulturelle Vielfalt legt" stimmten 41,5 Prozent  der Befragten vollkommen, 26,5 Prozent größtenteils, 18 Prozent halbwegs, 8 Proznt  nicht besonders und nur 6 Prozent  überhaupt nicht zu. Mit jugendlichem Idealismus lässt sich das nicht weg erklären: Unter den (744) Umfrageteilnehmern, die bereits beide Staatsexamina hinter sich hatten, ist der karrieristische Ellenbogeneinsatz sogar noch stärker verpönt, und auch Chancengleichheit und Vielfalt sind den Volljuristen ähnlich wichtig.

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2/2: Arbeitgeber werden gezielt ausgewählt – auch die kleineren

Die Berufswünsche der Umfrageteilnehmer fallen entsprechend aus: Der Staatsdienst liegt mit 65 Prozent uneinholbar vorne, doch auch die Arbeit in einer mittelständischen Kanzlei könnten sich 45 Prozent  vorstellen – in einer Großkanzlei sehen sich hingegen nur 33 Prozent der Befragten. Darüber, welche konkrete Sozietät es einmal werden soll, haben sich offenbar viele schon genauere Gedanken gemacht: Auf die Frage nach dem Wunscharbeitgeber fallen durchaus nicht nur die Namen der allgemein bekanntengroßen Sozietäten, sondern auch mehrere Dutzend (vergleichsweise) kleinere Kanzleien kommen auf jeweils ein paar Prozent der Nennungen.

Zur Meinungsbildung setzen die Nachwuchsjuristen dabei hauptsächlich auf das Internet: 47 Prozent  von ihnen informieren sich über künftige Arbeitgeber mittels deren Homepages; 73 Prozent  finden es sehr oder äußerst wichtig, dass Kanzleien dort detaillierte Informationen zum Berufseinstieg bereithalten. Als am nächsthäufigsten gebrauchte Informationsquellen bei der Arbeitgeberwahl werden Karriere-Webseiten (40 Prozent), Online-Magazine und Blogs (35 Prozent) sowie  das Karriere-Netzwerk Xing (18 Prozent) genannt. Der Kurznachrichtendienst Twitter landet mit 1,5 Prozent  in dieser wie auch in allen anderen Fragen zum Medienkonsum mit großem Abstand auf dem letzten Platz.

Und auch die Social-Media-Kanäle von Kanzleien und Unternehmen erfreuen sich keiner besonderen Beliebtheit: 70 Prozent der Befragten geben an, diese selten bis nie zu besuchen; nur 9 Prozent  schauen dort häufig oder sehr häufig vorbei. Das dürfte allerdings großenteils an dem bislang recht spärlichen Angebot liegen, denn jeder zweite Befragte würde sich mehr Aktivität in diesem Bereich wünschen.

Wer im Internet nicht vorkommt, kommt nicht vor

Während die jungen Juristen von ihren potenziellen Arbeitgebern also einen umfassenden und informativen Internetauftritt erwarten, geben sie selbst dort ziemlich wenig von sich preis: Über 60 Prozent  haben weder auf Xing  oder LinkedIn noch sonst einer Karriereseite ein Profil von sich angelegt; selbst unter den Volljuristen, die dem Berufseinstieg deutlich näher stehen, trifft das noch auf 40 Prozent zu. Die Devise lautet augenscheinlich finden statt gefunden werden – was gerade für Berufsanfänger vermutlich keine unrealistische Erwartungshaltung darstellt.

Dass sie auch die eigentliche Jobsuche hauptsächlich im Internet betreiben, dürfte niemanden verwundern. In der Rangliste der von Referendaren und Volljuristen am stärksten genutzten Quellen taucht ein Printmedium mit der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW) erstmalig auf Platz Nr. 7 auf; überregionale Tageszeitungen landen auf Platz Nr. 9.

Die drei Generalisten unter den Online-Jobbörsen – Stepstone, Monster und Xing – können sich in dieser Reihenfolge Plätze Nr. 4, 5 und 6 sichern, werden jedoch ihrerseits von Ausschreibungen unmittelbar auf Kanzleihomepages übertroffen. Deren große Beliebtheit geht vermutlich vor allem auf diejenigen Bewerber zurück, die bereits einen oder einige wenige Wunscharbeitgeber ins Auge gefasst haben. Noch häufiger genutzt werden allerdings juristische Online-Stellenmärkte wie derjenige des Beck-Verlags, der auf dem zweiten Platz landet. Knapp und erstmalig übertroffen wird er nur noch von: LTO JOBS.

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