Coronapandemie und Arbeitsrecht

Wohin mit dem Urlaub, wenn man nicht ver­reisen kann?

Gastbeitrag von Markus Künzel und Dr. Michaela FelisiakLesedauer: 5 Minuten

Urlaub wegen Corona lieber aufsparen? Oder verfällt der zum Jahresende? Markus Künzel und Michaela Felisiak erklären, was Arbeitgeber und Arbeitnehmer jetzt beachten müssen.

Das Urlaubsrecht gestaltete sich in den letzten Jahren ohnehin schon zum Dauerbrenner in der Rechtsprechung, sowohl des Bundesarbeitsgerichts als auch des Europäischen Gerichtshofs. InZeiten von Corona und den damit verbundenen begrenzten Reisemöglichkeiten, geht die Interessenlagen beider Vertragsparteien völlig auseinander: Arbeitgeber haben jetzt mit Blick auf das Jahresende ein besonderes Interesse daran, dass Arbeitnehmer den verbleibenden Resturlaub noch im Jahr 2020 nehmen, da andernfalls Rückstellungen gebildet werden müssen, die die Bilanz aus Sicht vieler Arbeitgeber "belasten". Arbeitnehmer würden die Urlaubstage oftmals jedoch lieber aufsparen, entweder für "bessere Zeiten" oder für weitere mögliche Kita- und Schulschließungen in der Zukunft. Was gilt nun arbeitsrechtlich?

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Bis wann muss der Jahresurlaub genommen werden? 

Nach § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz (BurlG) muss Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf die ersten drei Monate des folgenden Kalenderjahres ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Damit muss der Jahresurlaub im Grundsatz noch bis zum 31.12.2020 genommen werden. 

Der Urlaub verfällt jedoch nicht automatisch. Vielmehr erlischt der Urlaub am 31.12.2020 nach der Rechtsprechung (EuGH Urteil vom 06.11.2018, 10-619/16; BAG, Urteil vom 19.02.2019, 9 AZR 423/16) nur dann, wenn Arbeitnehmer zuvor ausdrücklich aufgefordert wurden, ihren Urlaub noch während des laufenden Kalenderjahres zu nehmen und damit in die Lage versetzt wurden, diesen auch tatsächlich anzutreten. Zudem ist ein Hinweis auf den ansonsten eintretenden Verfall des Urlaubsanspruchs notwendig.

Sollten Arbeitgeber der genannten Hinweispflicht bis Oktober 2020 noch nicht nachgekommen sein, ist jetzt Eile geboten! Denn sollte ein solcher Hinweis z.B. erst am 15.12.2020 erfolgen, genügt dies in der Regel nicht mehr, um Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, noch bestehenden Resturlaub bis zum 31.12.2020 zu nehmen – insbesondere, wenn Arbeitnehmer noch mehr verbleibende Resturlaubsansprüche haben.

Ein Hinweis auf den Verfall muss sein

"Eigentlich" keine! Obwohl die Pandemie zu zahlreichen Besonderheiten und Änderungen im Arbeitsalltag führt, gelten bezüglich des Verfalls der Urlaubsansprüche keine anderen Regelungen als bisher. 

Das heißt, kommen Arbeitgeber ihrer vorgenannten Mitwirkungsobliegenheit – der Hinweispflicht – nach, verfallen etwaige verbleibende Urlaubsansprüche grundsätzlich zum 31.12.2020.

Arbeitgeber sollten insoweit auf eine nachweisbare Dokumentation des ausgesprochenen Hinweises achten. Dies ist insbesondere wichtig, wenn bisher die betriebliche Praxis in Bezug auf die Übertragung der Urlaubstage großzügig gehandhabt wurde. Arbeitnehmer sollten daher klar und deutlich auf etwaige Änderungen hingewiesen werden. 

Weiter sollten Arbeitgeber daran denken, dass ein solcher Hinweis typischerweise dazu führt, dass der Urlaub noch kurz vor dessen Verfall genommen wird. Dies ist entsprechend einzukalkulieren, weil zu erwarten ist, dass viele Arbeitnehmer deshalb gleichzeitig Urlaubsansprüche geltend machen. 

Aus wirtschaftlicher Sicht lohnt jedoch der Aufwand, da andernfalls bilanzielle Rückstellungen für Resturlaubsansprüche erforderlich sind. 

Kann Urlaub "aufgespart" werden?

"Aufgespart" werden bedeutet insofern, den Urlaub im laufenden Kalenderjahr nicht zu nehmen, sondern in das Folgejahr zu transferieren. Dies ist nur in Absprache mit dem Arbeitgeber möglich. Auch wenn derzeit immer noch unklar ist, wohin die Pandemie führt und ob es beispielsweise zu weiteren Lockdowns, Reisebeschränkungen oder Kita-/ Schulschließungen in verschiedenen Bundesländern Deutschlands kommt, können – soweit Arbeitgeber die vorgenannte Hinweispflicht erfüllen – Urlaubstage nicht für "bessere Zeiten" aufgespart werden. 

Der Wunsch von Eltern Urlaubstage, "aufzusparen", ist verständlich. Dies ist aber kein rechtlich relevanter Grund dafür, dass Urlaubstage in das Kalenderjahr 2021 übertragen werden können. Hintergrund ist hierfür die Regelung des § 7 Abs. 3 S. 1 BurlG und der dahinterstehende Erholungszweck.

Dringende betriebliche Gründe liegen vor, wenn die Interessen des Arbeitgebers an einer Urlaubsgewährung bis zum 31.03.2021 das Interesse des Arbeitnehmers an einer Inanspruchnahme des Urlaubs bis zum 31.12.2020 überwiegen. Das ist z.B. dann gegeben, wenn die Auftragslage zum Jahresende die Anwesenheit des Arbeitnehmers erfordert oder eine besonders arbeitsintensive Zeit bevorsteht (z.B. Jahresabschlussgeschäft). Ein in der Person des Arbeitnehmers liegender Grund liegt regelmäßig bei der Erkrankung des Arbeitnehmers vor. Auch mutterschutzrechtliche Beschäftigungsverbote für die Zeiten vor und nach der Entbindung sind Gründe, in denen Resturlaubsansprüche übertragen werden. Die aktuelle Corona-bedingte Situation und der Wunsch, Urlaubstage aufzusparen, ist kein solcher persönlicher Grund. 
Damit steht dem Erholungszweck, der durch die Urlaubsgewährung erreicht werden soll weder die eingeschränkte Reisesituation noch das Interesse, "präventiv" für weitere Kita-/ Schulschließungen Urlaubstage zu sparen, entgegen. 

Urlaubsansprüche bezüglich des Jahres 2020 können somit ohne die Zustimmung des Arbeitgebers nicht in das Jahr 2021 "verschoben" werden.

Rückgabe von bereits genehmigtem Urlaub

Nein. Es gilt der Grundsatz "gewährt ist gewährt", so dass Arbeitnehmer sich nicht einseitig dazu entschließen können, den Urlaub doch nicht anzutreten. Etwas anderes gilt nur, wenn der Arbeitgeber einverstanden ist, dass der bereits gewährte Urlaub zurückgegeben wird.

Selbst wenn eine gebuchte Reise aufgrund von Reisebeschränkungen nicht angetreten werden kann, ist dies rechtlich in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Maßgeblich ist wiederum der mit der Urlaubsgewährung verbundene Zweck, die Erholung des Arbeitnehmers. Dieser Zweck kann – selbst aufgrund der derzeit eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten – nach wie vor erfüllt werden.

Soweit Arbeitgeber mit der "Rückgabe" von bereits gewährtem Urlaub einverstanden sein sollten, ist auf die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu achten. D.h., falls mehrere Arbeitnehmer bereits genehmigte Urlaubstage zurückgeben möchten, sind diese (soweit kein Differenzierungsgrund vorliegt) gleich zu behandeln. 

Die Kurzarbeit "Null"?

Der Kurzarbeit ist immanent, dass teilweise keine Arbeitspflicht mehr besteht, bei der sogenannten Kurzarbeit "Null", also der Kurzarbeit über die gesamte Arbeitszeit, sogar – gar keine Arbeitspflicht übrig bleibt. In diesem Fall kann die mit der Urlaubsgewährung bezweckte Erholung nicht eintreten, da Arbeitnehmer ohnehin keine Arbeitspflicht erbringen müssen.

Eine Besonderheit gibt es bei der Kurzarbeit "Null", die für Arbeitgeber mit Blick auf die Liquidität von Interesse sein kann. Wurde Kurzarbeit "Null“ eingeführt, kann der Jahresurlaub nach der Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 13.12.2018, Az.: C-385/17) proportional um diese Zeiten gekürzt werden. Es wird in der Literatur vertreten, dass ein Kürzungsvorbehalt in der Kurzarbeitsvereinbarung (Individualrechte Arbeitsvertrag oder Ergänzungsvertrag sowie Betriebsvereinbarung ("BV")), mit der die Kurzarbeit eingeführt wurde, nicht notwendig ist. Das heißt, es könnte auch jetzt noch die Möglichkeit für Arbeitgeber geben, von diesem Kürzungsrecht Gebrauch zu machen. 

Der Autor Markus Künzel ist Partner bei Beiten Burkhardt in München und Fachanwalt für Arbeitsrecht. Er berät nationale und internationale Mandanten in allen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. 

Die Autorin Dr. Michaela Felisiak ist Partnerin bei Beiten Burkhardt in München und ebenfalls Mitglied der Praxisgruppe Arbeitsrecht. Sie berät nationale und internationale Unternehmen zu allen Fragen des deutschen und europäischen Arbeits- und Sozialversicherungsrechts. 

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