Übertrag, Verfall, Verjährung

Der Urlaub und das Arbeits­recht

Gastbeitrag von Martin BieblLesedauer: 4 Minuten

Wann Urlaub genommen werden muss, wann Urlaubstage ins Folgejahr übertragen werden können und wann sie endgültig verfallen oder verjähren, erklärt Martin Biebl.

Der Urlaub ist Beschäftigten heilig, und auch Arbeitgeber möchten natürlich wissen, wie viel Urlaub ihre Angestellten haben - und wann er verfällt. Es wird auf beiden Seiten fleißig gerechnet und gezählt, um dann häufig doch zu unterschiedlichen Ergebnissen zu kommen.

Das Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. So simpel denkt § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz (BurlG), das vollständig "Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer" heißt. Deshalb gelten die nachfolgenden Grundsätze auch nur für eben diesen Mindesturlaub: Für vertraglichen Zusatzurlaub können andere Regeln gelten. Der gesetzliche Mindesturlaub (20 Tage bei einer 5-Tage-Woche) ist grundsätzlich im laufenden Jahr in der Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember zu nehmen. Wird er nicht genommen, verfällt er zum Jahresende.

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Kein Verfall ohne Hinweise

Damit aber der Urlaub überhaupt verfallen kann, muss der Arbeitgeber seiner europarechtlich begründeten Mitwirkungspflicht gerecht werden und seine Arbeitnehmer zur Inanspruchnahme des Urlaubs auffordern. Dabei muss er ausdrücklich auf die Rechtsfolge des Verfalls hinweisen (Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urt. v. 06.11.2018, Az. C-619/16 und C-684/16).

Viele, aber bei weitem nicht alle Arbeitgeber haben diese Hinweispflicht mittlerweile erkannt und informieren die Arbeitnehmer mehrmals jährlich, z.B. im Rahmen der Gehaltsabrechnung über das noch bestehende Urlaubsguthaben. Wichtig ist dabei eine transparente und nachvollziehbare Information. Bleiben die Arbeitnehmer dann immer noch aus freien Stücken untätig, verfällt der Urlaub zum Jahresende.

Kommt der Arbeitgeber seiner Hinweispflicht nicht ordnungsgemäß nach, kann dies theoretisch zu einer grenzenlosen Fortschreibung des Urlaubsanspruchs führen. Das freut den Arbeitnehmer, nicht so sehr den Chef, der den Urlaub – der Anspruch auf Urlaub wandelt sich bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses schließlich in einen Geldanspruch um - ja bezahlen muss.

Übertragung bis zum 31. März – oder länger

Weist der Arbeitgeber die Arbeitnehmer auf den Verfall des Urlaubs hin, ist der Anspruch zum Jahresende weg, wenn er nicht genommen wird. Aber auch das wäre noch zu einfach: Es gibt schließlich weitere Konstellationen, in denen der Urlaub trotz des Hinweises des Arbeitgebers eben nicht zum 31. Dezember eines Kalenderjahres verfällt, sondern bis zum 31. März des Folgejahres oder sogar länger übertragen werden kann bzw. muss.

So müssen die offenen Tage auf das Folgejahr übertragen werden, wenn der Arbeitnehmer seinen Urlaub aus dringenden betrieblichen Gründen nicht nehmen konnte. Klassischer Fall sind unerwartete Auftragsspitzen zum Jahresende, die dem Arbeitnehmer den Urlaub vermiesen oder bei denen der Arbeitgeber bereits genehmigten Urlaub sogar absagen muss. In diesem Fall muss der Urlaub bis zum 31. März des Folgejahres genommen werden.

Das gilt auch, wenn Beschäftigte den Urlaub aus in ihrer Person liegenden Gründen (v.a. Krankheit) nicht nehmen. Auch der wird ins Folgejahr übertragen und ist bis zum 31. März zu nehmen.

Sonderfall: dauerhaft erkrankte Arbeitnehmer

Urlaub zu nehmen setzt also voraus, seinen Urlaub nehmen zu können, also gesund zu sein. Der Regelung des § 9 BurlG ist zu entnehmen, dass Krankentage nicht auf den Urlaub angerechnet werden. Deshalb verfällt der Urlaubsanspruch bei Krankheit auch nicht zum 31. März des Folgejahres, wenn der Arbeitnehmer bis dahin weiterhin krank war. Diese Regelung könnte bei Langzeiterkrankungen dazu führen, dass sich Arbeitnehmer nach jahrelanger Krankheit erst einmal in einen ebenfalls jahrelangen Urlaub verabschieden.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) kommt dem Arbeitgeber an dieser Stelle zu Hilfe: Bei Langzeiterkrankung verfällt der Urlaub spätestens 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres, also zum 31. März des übernächsten Jahres). (BAG, Urt. v. 07. 08. 2012, Az.9 AZR 353/10)

Nicht geklärt ist aber, ob diese Rechtsfolge auch eintreten darf, wenn der Arbeitgeber seine eingangs erwähnte Hinweispflicht nicht erfüllt hat, obwohl der Arbeitnehmer den Urlaub zumindest teilweise bis zur Erkrankung hätte nehmen können. Diese Frage wollte auch das BAG bisher nicht beantworten. Mit Beschluss vom 7. Juli 2020 (Az.9 AZR 401/19) hat es diese Frage daher dem EuGH vorgelegt.

Verjährung ist ungeklärt

Formelle Fehler des Arbeitgebers oder bloße Untätigkeit können zu prall gefüllten Urlaubskonten der Arbeitnehmer führen. In dem Fall könnte dem Arbeitgeber nur noch die Verjährung der Urlaubsansprüche helfen.

Grundsätzlich verjähren Ansprüche gem. § 195 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nach der Regelverjährungsfrist nach drei Jahren. Da könnte man annehmen, dass auch Urlaubsansprüche nicht endlos weiter anwachsen können, selbst wenn Arbeitgeber komplett untätig bleiben. Könnte man meinen - geklärt ist das bisher aber nicht.

Selbst das BAG stellt sich die Frage, ob die dreijährige Verjährungsfrist auf noch nicht verfallene Urlaubsansprüche angewendet werden kann. Da bei der Beantwortung der Frage wieder Europarecht eine Rolle spielt, gibt es eine weitere Vorlage des BAG an den EuGH (Az.9 AZR 266/20).

Im konkreten Fall (es geht u.a. um Urlaub aus dem Jahr 2014) scheiterte der Verfall des Urlaubs an fehlenden Hinweisen darauf durch den Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer klagte auf Urlaubsabgeltung, der Arbeitgeber berief sich auf Verjährung. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hat dem Arbeitgeber die Verjährungseinrede nicht durchgehen lassen und ihn verurteilt. Spannend, was der EuGH zur Frage der Verjährung entscheidet.

Für Arbeitgeber kann es in der Zwischenzeit nur einen Ratschlag geben: Die Aufforderungs- und Hinweispflichten für das aktuelle Jahr und die Vorjahre nachweisbar erfüllen, regelmäßig Urlaub gewähren und hoffen, dass der EuGH den Urlaubsanspruch durch die Verjährungsregelungen zumindest zeitlich begrenzt. Arbeitnehmer hoffen auf das Gegenteil.

Martin Biebl ist Rechtsanwalt bei Beiten Burkhardt in München. Er berät unter anderem in den Branchen Medien, Touristik und Produktion. Zu seinen Beratungsschwerpunkten gehören neben der Beendigung von Arbeitsverhältnissen die Begleitung von Betriebsänderungen und Restrukturierungen.

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