Befristete Arbeitsverträge für akademischen Nachwuchs

Karrieresprünge auf dünnem Eis

von Hermann HorstkotteLesedauer: 4 Minuten
Wer in der Hochschularena vorankommen will, muss gut und schnell sein – und starke Nerven haben: kurzfristige Kettenverträge sind für Mitarbeiter die Regel. Die ständige Fluktuation der Nachwuchsforscher soll die Wissenschaft voranbringen. Andererseits möchten auch Doktoranden ihre Zukunft planen können. Hermann Horstkotte über das Dilemma.

Mit Mitte Dreißig hat der Jurist Bejamin Lahusen jetzt auf fünf Jahre einen Vollzeit-Arbeitsplatz an der Uni Rostock, gefördert von der Volkswagenstiftung. Zuvor hatte er jahrelang nur eine halbe Uni-Stelle, ebenfalls auf Zeit und für weniger als 1.500 Euro im Monat. In Fachkreisen findet Lahusen heute schon viel Beachtung. Er hat am renommierten Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main seine Doktorarbeit geschrieben und auch beide Staatsexamina abgelegt. In den kommenden Jahren will er eine Habilitationsschrift für die Hochschullehrerprüfung vorlegen. Danach hofft er auf eine Professur, möglichst mit Verbeamtung auf Lebenszeit.   Lahusen weiß, das seine ehemaligen Studienkollegen inzwischen als Anwälte oder im Justizdienst fester im Sattel sitzen als er selber und durchweg mehr Geld verdienen. Trotzdem will er mit ihnen nicht tauschen. Er sagt: "Der Weg in die Wissenschaft ist eine rein persönliche Lebensentscheidung, beinah so etwas wie eine Liebesheirat, über deren Risiken sich natürlich jeder im Klaren sein sollte." Wenn dabei etwas schief läuft, kann das natürlich an der Selbstüberschätzung liegen. Oder aber auch am Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) von 2007. Es sieht Befristungsregelungen für den akademischen Nachwuchs vor, die vom allgemeinen Arbeitsrecht, dem Teilzeitbefristungsgesetz (TzBfG) abweichen. Vor der Promotion können Absolventen bis zu sechs Jahren im Hochschuldienst beschäftigt werden und nachher höchstens nochmal so lange, Mediziner sogar ausnahmsweise neun Jahre. Zwischenzeitlich sind sachgrundlose Befristungen und mithin auch Kettenverträge möglich.

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Ständige Fluktuation für die Wissenschaft erforderlich

Insbesondere Projektförderung aus Sonder- oder "Drittmitteln" lässt oft gar keine Alternative zur Befristung. Dabei wird die Hochschulforschung nach dem Willen der Gesetzgeber eben zunehmend aus Projektmitteln finanziert, heute zu rund einem Drittel. Demgegenüber ist eine Befristung ohne Sachgrund Arbeitnehmern außerhalb der Hochschulen nur in den ersten beiden, in neu gegründeten Unternehmen auf vier Jahre zumutbar. Die weitergehenden Sonderregelungen im WissZeitVG begründet etwa der Bonner Rechtsprofessor Klaus F. Gärditz mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 24.04.1996 (Az. 1 BvR 712/86) so: "Wir brauchen befristete Nachwuchsstellen, um auch Jüngeren die Chance zur Qualifizierung zu geben." Das höchste deutsche Gericht hatte entschieden, dass das damalige Hochschulrahmengesetz vom 14. Juni 1985, welches ebenfalls eine entsprechende Befristung von Arbeitsverträgen mit wissenschaftlichen Mitarbeitern vorsah, im Interesse der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 des Grundgesetzes (GG) mit Art. 9 Abs. 3 GG vereinbar war. Die Befristung diene dem Ziel, Leistungs- und Funktionsfähigkeit der Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu erhalten und zu verbessern. Die Richter stimmten mit der Regierungsbegründung überein, wonach eine ständige Fluktuation erforderlich sei, um einen laufenden Zustrom junger Wissenschaftler und neuer Ideen zu gewährleisten, ohne den die Forschung erstarren würde.

Die Hochschule ist keine Einbahnstraße

Arbeitnehmervertreter befürworten naturgemäß immer eine Verstetigung der Beschäftigungsverhältnisse. So legte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) am 16.01.2015 einen Vorschlag für ein neues WissZeitVG mit mehr Schutz für Arbeitsplatzbesitzer vor. Der Entwurf sieht vor, befristete Verträge zur Ausnahme zu erklären und den Mitarbeitern feste Stellen in Aussicht zu stellen.* Auch die SPD plant einen eigenen Entwurf. Denn bereits im Rahmen des Koalitionsvertrages haben sich Union und SPD der Thematik angenommen.* Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) sagt: "Der wissenschaftliche Nachwuchs braucht besser planbare, verlässlichere und transparentere Entwicklungsmöglichkeiten." Dafür aber kann die Ministerin schwerlich allein sorgen, stellt der geistige Vater des WissZeitVG und Kölner Arbeitsrechtler Ulrich Preis fest. Der Professor spricht von einem herrschenden Wirrwarr bundes- und landesrechtlicher Kompetenzen und Regelungen. Wankas konkreter Verbesserungsvorschlag lautet immerhin: "Hochschulleitungen müssen es gegenüber ihren Beschäftigten zur Priorität machen, rechtzeitig Wege in andere Berufe zu ebnen". Mit anderen Worten: Wer zu lange hängenbleibt und spät geht, den bestraft der Arbeitsmarkt. Verlierer stimmen davon immer wieder viel beachtete Klagelieder an. Gerade Juristen bieten sich aber ja stets berufliche Alternativen. So macht sich etwa Denis Basak, auf Zeit verbeamteter Akademischer Rat an der Frankfurter Goethe-Universität, keine Sorgen um seine Zukunft, vielleicht auch wieder als Anwalt. "Die Hochschule ist für unsereins keine Einbahnstraße."  Dank guter Noten habe jemand wie er selbst noch mit über Vierzig die Chance, in ein Richteramt zu wechseln. Von ihm wie natürlich auch seinem Mitbewerber Lahusen können wir also gewiss auch weiterhin Erfreuliches hören. Der Autor Hermann Horstkotte arbeitet als selbständiger Journalist mit Schwerpunkt Hochschulthemen in Bonn. Er ist zugleich Privatdozent an der Technischen Hochschule Aachen. *Ergänzt am Tag der Veröffentlichung, 12:09 Uhr. Zuvor stand hier lediglich "So fordert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft dieser Tage ein neues WissZeitVG mit mehr Schutz für Arbeitsplatzbesitzer."

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