Themenwoche Unternehmensjuristen

Von der Kanzlei ins Unternehmen

von Anna K. BernzenLesedauer: 5 Minuten
Statt Prozesse zu führen, helfen sie mit, diese zu optimieren. Unternehmensjuristen haben nur einen Mandanten – ihren Arbeitgeber. Viele können bei dessen Beratung auf erste Erfahrungen als Rechtsanwalt zurückgreifen. Wir haben mit drei Juristen gesprochen, die den Wechsel von der Kanzlei ins Unternehmen vollzogen haben: vom Generalisten in der Drei-Mann-Rechtsabteilung bis zum Spezialisten im börsennotierten Unternehmen.

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Wäre es um die Neugründung eines deutschen Unternehmens in China gegangen, Thomas Kauss hätte sofort gewusst, was zu tun ist. Zwei Jahre lang war er am China Desk der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Rödl & Partner für deutsche Mandanten in China zuständig, eignete sich dort umfangreiches Spezialwissen an. Doch heute hat er eher mit den Verträgen österreichischer Handelsvertreter zu tun. Wettbewerbsverbote, Lizenzvereinbarungen: Was muss drinstehen, was draußen bleiben? Seit Kauss vor über sieben Jahren in die Rechtsabteilung des Elektro- und Heiztechnikherstellers Stiebel Eltron wechselte, beschäftigen ihn auch solche Fragen. Und nicht auf alle weiß er sofort eine Antwort. "In der Kanzlei brauchte ich spezielles, theoretisches Wissen. Im Unternehmen muss ich dagegen gutes Basiswissen mitbringen und alles Übrige im Einzelfall recherchieren", so beschreibt es der heutige Leiter der Rechtsabteilung. Alles Übrige, das kann auch mal heißen: Saudi-arabisches Vertriebsrecht, ungarisches Gesellschaftsrecht oder - wenn einer der anderen beiden Hausjuristen nicht da ist - klassisches Gewährleistungsrecht. Eine bunte Mischung an Problemen, die Kauss heute allerdings nicht mehr gegen einen Kanzleijob eintauschen würde.

Erste Haltestelle: Großkanzlei

Ein Blick in die Lebensläufe deutscher Unternehmensjuristen zeigt: Für viele führte der Weg über eine Wirtschaftskanzlei. Erfahrungen vor Gericht sammeln, Fachwissen aufbauen, ein Spezialgebiet finden. Nach bis zu vier Jahren folgt dann der Wechsel ins Unternehmen. Etwa ein Drittel der Absprungbereiten greift dazu auf die Dienste einer Vermittlungsagentur zurück. Und landet dann zum Beispiel bei Bina Brünjes, Abteilungsleiterin beim Personalvermittler Hays. Oft seien es die Aufgaben, die den Anwalt nicht mehr befriedigen, erklärt Brünjes: "Viele der Juristen wollen näher am Produkt sein, sie wollen früher über aktuelle Entwicklungen informiert und besser in wichtige Entscheidungen eingebunden werden." Dass die Aufgaben im Unternehmen sich von denen in der Kanzlei unterscheiden, stellte auch Dr. Anna Bitter fest. Sie wechselte von Taylor Wessing in die zehn Mann starke Rechtsabteilung der Körber AG. In dem Technologiekonzern bearbeitete sie zwar weiterhin gesellschafts- und handelsrechtliche Fragen. Doch sie stellte fest: "Die Schwerpunkte meiner Arbeit haben sich verlagert. Statt etwa abstrakt Gutachten über Aufsichtsratssitzungen zu verfassen, organisiere ich diese jetzt und nehme als Protokollführerin teil." Wo der Kanzleijurist das fertige Produkt vorgestellt bekommt und in einem Gutachten jedes denkbare Risiko bewertet, sitzt der Unternehmensjurist schon bei den ersten Besprechungen mit am Tisch. Und auch der Zeitrahmen ist im Unternehmen ein ganz anderer: "Entscheidungen müssen schneller und pragmatischer getroffen werden. Oft fehlt die Zeit", so Bitter.

"Ergebnisse vorweisen, nicht billable hours’"

Was für manchen nach Stress klingen mag, betrachten viele Wechsler gerade als Vorteil. "Man muss im Unternehmen Ergebnisse vorweisen, nicht billable hours", sagt Bina Brünjes. Das schlägt sich auch in den Arbeitszeiten nieder: 40 bis 60 Stunden pro Woche arbeiten Unternehmensjuristen im Schnitt. Ein Kanzleijurist kann im Extremfall schon mal auf 12 bis 18 Stunden pro Tag kommen, Wochenendarbeit inklusive. Dafür müssen sich Juristen im Unternehmen eher auf stressige Peak-Zeiten und die dazugehörigen Überstunden einstellen. Auch Geschäftsreisen können gerade in internationalen Unternehmen hinzukommen. Nicht selten gehen die moderateren Arbeitszeiten jedoch mit einem niedrigeren Gehalt einher. Bis zu 20 Prozent kann ein neuer Unternehmensjurist gegenüber seinem vorherigen Kanzleigehalt einbüßen, schätzt Brünjes. Je nach Region und Branche macht das nach rund drei Jahren Berufserfahrung ein Einstiegsgehalt von 80.000 bis 100.000 Euro pro Jahr. Ein Ausgleich für die Einbuße sind in vielen Unternehmen Zugaben wie eine Altersvorsorge oder ein Firmenwagen. Bei einem Wechsel in eine Führungsposition in der Rechtsabteilung liegt das Gehalt allerdings meist ebenfalls deutlich im sechsstelligen Bereich.

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2/2: "Ich entscheide eigenverantwortlich über meine Aufgaben"

Für Frank Geißler bot die andere Arbeitsweise im Unternehmen einen weiteren, großen Anreiz: "Ich muss nicht mehr alles mit einem Partner abstimmen, sondern treffe eigenverantwortlich Entscheidungen über meine Aufgaben." Früher arbeitete Geißler bei CMS Hasche Sigle, heute ist er mit rund 30 weiteren Juristen für die rechtlichen Belange der Deutschen Lufthansa AG zuständig. In Rechtsabteilungen entfallen die strengen Hierarchien, die in vielen großen Kanzleien den Arbeitsalltag bestimmten. Statt einem Partner zuzuarbeiten, werden die Aufgaben an Teams vergeben. "Nicht ein Dritter stellt das Ergebnis als seine Arbeit vor; ich kann meine Arbeit selber erledigen und die Ergebnisse präsentieren", erklärt Kauss. Oft ist es auch die strenge "up or out"-Mentalität, die Juristen zum Wechsel motiviert. "Ich wollte nicht Partnerin werden, und so fehlte mir in der Kanzlei die berufliche Perspektive", sagt etwa Anna Bitter. Zusätzlich bot die Rechtsabteilung eine sicherere Perspektive als der Anwaltsberuf: "Gerade in der Krise wurden viele Hausjuristen eingestellt, weil sie gegenüber externer juristischer Beratung Geld sparen", erklärt Brünjes. Doch sie gibt zu bedenken: "Auch in Unternehmen sind die Leitungspositionen rar gesät, und es gibt wenig Fluktuation." Neben der Führungsrolle gibt es dafür gerade in großen Rechtsabteilungen eher die Möglichkeit, schon einmal ein kleines Team zu führen. Auch ein Wechsel ins operative Geschäft des Unternehmens ist denkbar.

Nicht nur juristisch, auch wirtschaftlich denken

Schließlich steckt in jedem Unternehmensjurist auch ein bisschen "Unternehmen": "Wo ein Rechtsanwalt hauptsächlich mit der rein juristischen Abwicklung eines Projekts beschäftigt ist, muss ein Unternehmensjurist auch in höherem Maße wirtschaftlich mitdenken", sagt Frank Geißler. Je größer das Projekt, desto mehr muss er bei dessen Steuerung mitwirken: "Dann ist es auch meine Rolle, die Ergebnisse der externen Anwälte zusammenzuführen, zu bewerten und allen Beteiligten verständlich zu erklären." Die nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten werden oft gezielt gefördert: Thomas Kauss etwa nahm an Seminaren und Coachings teil. Anna Bitter ließ sich von ihren Kollegen und bei Werksbesuchen die technischen Details der Produkte ihres Unternehmens erklären. Wer weiß, dass sein Karriereweg langfristig in eine Rechtsabteilung führen soll, kann sich schon durch die Wahl seines Fachgebiets vorbereiten. Gefragt sind vor allem Kenntnisse aus dem Bereich Mergers and Acquisitions. Auch Erfahrungen im Arbeitsrecht und zum geistigen Eigentum kommen gut an. "Die Unternehmen suchen außerdem Juristen, die wirtschaftlich denken, sich rasch in fremde Rechtsgebiete einarbeiten und ihr Wissen auch Nichtjuristen kommunizieren können", sagt Bina Brünjes. Doch auch, wer seinen Wechsel nicht von langer Hand plant, kann im Unternehmen glücklich werden. Wieder in einer Kanzlei zu arbeiten, kann sich jedenfalls keiner der drei befragten Unternehmensjuristen heute vorstellen.

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