Sportrecht

Rechtsberatung am Spielfeldrand

von Anna K. BernzenLesedauer: 5 Minuten
Welche Konsequenzen hat Doping für einen Sportler? Wie muss der Vertrag eines argentinischen Fußballers mit seinem deutschen Club formuliert werden? Und worauf muss der Vereinsvorsitzende bei seiner Mitgliederversammlung achten? Verschiedene Rechtsgebiete, versammelt unter einem Oberbegriff: Sportrecht. Anna K. Bernzen berichtet über die Entwicklungen auf dem noch jungen juristischen Feld.

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Eigentlich hat die Stellenanzeige nichts Außergewöhnliches. Schlichte, schwarze Blockschrift auf weißem Hintergrund, darum ein knallig roter Rahmen. Auch die Jobbezeichnung ist es nicht, die interessierte Blicke der Bewerber auf sich zieht. "Volljurist/-in" steht groß gedruckt unter dem Anzeigentext. Dennoch werden auf dieses Inserat hin wohl stapelweise Lebensläufe aktualisiert, Bewerbungsfotos geschossen und Anschreiben verfasst. Der Grund dafür findet sich klein gedruckt in der rechten unteren Ecke der Anzeige, neben der Postanschrift des künftigen Chefs: Vor rotem Hintergrund hebt sich dort die Silhouette eines Fußballers in Aktion ab. Gerade noch sieht man am rechten Rand des Bildes den Ball davonfliegen. Darunter der Name des potentiellen Arbeitgebers: "Bundesliga". Stellen wie diese im Justiziariat der DFL Deutsche Fußball Liga GmbH bleiben nie lange unbesetzt. Zu rar gesät sind Jobs für Juristen, die sich nicht nur in ihrer Freizeit für den Sport interessieren. Zu groß ist mittlerweile das Interesse an seinen rechtlichen Aspekten. Bei der DFL, die für das operative Geschäft des Fußballverbandes verantwortlich ist, sind derzeit vier Juristen mit den verschiedenen Fragestellungen des Sportrechts beschäftigt. "Wir haben beispielsweise die Ausschreibung der audiovisuellen Verwertungsrechte der Bundesliga-Spiele von juristischer Seite verantwortet, ebenso wie die Ausschreibung der offiziellen Spieldaten und aktuell der Audio-Verwertungsrechte, haben ein Präventionsprojekt gegen Spielmanipulationen initiiert, begleiten gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen bei der DFL und ihrer Tochtergesellschaften und erstellen Vorschläge für die Weiterentwicklung verbandsrechtlicher Grundlagen, zum Beispiel betreffend das Lizenzierungsverfahren", zählt Jürgen Paepke, Direktor Recht der DFL, einige der Projekte des kleinen Teams auf. Nur selten arbeiten er und seine Kollegen dabei mit Kanzleien zusammen: Musterarbeitsverträge oder Lizenzvereinbarungen etwa erstellen die Juristen in der Direktion selber.

Von A wie Arbeitsvertrag bis Z wie Zoneneinteilung

Wer auf dem Gebiet des Sportrechts tätig werden möchte, sollte also breite juristische Kenntnisse mitbringen. Ein einheitliches Gesetzbuch, in dem vom Arbeitsvertrag für den chilenischen Fußballprofi beim deutschen Club bis hin zur Zoneneinteilung auf dem Spielfeld alles kodifiziert ist, gibt es eben nicht. Wer sportrechtliche Fragen bearbeitet, kommt mit vielen Rechtsgebieten in Berührung: Will ein Verein sein profitables Ticketgeschäft durch eine eigene GmbH weiterführen lassen, ist Gesellschaftsrecht gefragt. Hat ein Radfahrer bei einem internationalen Rennen gedopt, können strafrechtliche Konsequenzen zu prüfen sein. Und soll eine Sponsoring-Vereinbarung über das Logo der Liga ausgehandelt werden, sind neben markenrechtlichen Kenntnissen auch Erfahrungen im Vertragsrecht hilfreich. Sportjuristen müssen auch den Überblick über zahlreiche andere Rechtsquellen behalten, etwa über Satzungen und Verbandsregularien. Dass sich kaum ein sportrechtliches Mandat mit einem einzelnen Gesetzbuch bearbeiten lässt, hat auch Dr. Dirk-Reiner Martens erlebt: "In meiner früheren Kanzlei, einer großen Wirtschaftssozietät, arbeiteten 270 Anwälte. Ich glaube nicht, dass nur einer von ihnen auf so vielen Rechtsgebieten gleichzeitig beratend tätig war wie ich – das 'Sportrecht' ist eben eine Querschnittsmaterie, die Expertise in nahezu allen rechtlichen Bereichen erfordert." Dabei ist der Münchener Anwalt in einer kleinen, eigentlich eher speziellen Nische daheim: Als Basketballspieler in der Bundesliga und der Jugendnationalmannschaft knüpfte er bereits während seiner Sportlerkarriere Kontakte, die ihm nach dem Ende des Jurastudiums zahlreiche Mandate einbrachten. Heute ist er beispielsweise leitend mit den Rechtsangelegenheiten des weltweiten Basketballverbands FIBA betraut.

"Ich kenne die Enttäuschung und ich kenne den Jubel"

Rund 65 bis 70 Prozent ihres Umsatzes macht "Martens Rechtsanwälte", so der Name seiner Sportrechtsboutique, heute mit sportrechtlichen Mandaten. Dabei ist die Kanzlei eine der wenigen deutschen Sozietäten, die sich schwerpunktmäßig auf das Sportrecht konzentrieren. Zwar betreuen auch viele Großkanzleien sportrechtliche Klienten: CMS Hasche Sigle beriet etwa die DFL bei deren Großprojekt der Ausschreibung der Übertragungsrechte. Nur wenige haben jedoch eigenständige, spezialisierte Sportrechtsabteilungen. Stattdessen sind oft Anwälte aus den jeweils gefragten Bereichen – sei es aus dem Gesellschafts- oder Arbeitsrecht oder dem Marken- und Urheberrecht – mit den sportrechtlichen Mandaten betraut. Ein großer Vorteil, den Martens gegenüber weniger spezialisierten Anwälten hat: Er kennt die Situationen, die er rechtlich analysieren soll, aus der eigenen Sportlerkarriere. "Ich weiß, was es bedeutet, zwei Sekunden vor Spielschluss mit dem Ball in der Hand an der Freiwurflinie zu stehen. Ich kenne die Enttäuschung nach einem verlorenen und den Jubel nach einem gewonnenen Spiel. Dadurch kann ich in einem Konflikt beide Seiten verstehen: den Sportler und den Verband." Viele Anwälte auf diesem Rechtsgebiet haben wie Martens eine Profikarriere hinter sich, bevor sie in die Rechtsberatung wechseln. So etwa der Handball-Torhüter Andreas Thiel, der heute eine Kanzlei in Köln betreibt, oder Tom Eilers, der sich nach seiner Karriere als Torwart des SV Darmstadt 98 und beim FSV Mainz 05 als Anwalt selbstständig machte und heute unter anderem für FIFA und DFB tätig ist.

Nur wenige Sportrecht-Lehrstühle in Deutschland

Dabei sind diese Juristen für die Vorbereitung auf eine Karriere im Sportrecht häufig auf private Fortbildungsangebote oder eine Stippvisite im Ausland angewiesen. Nur wenige Universitäten bieten derzeit entsprechende Veranstaltungen an: In Bayreuth, Erlangen-Nürnberg, Köln und Gießen finden sich Lehrstühle, deren Inhaber – auch – zu sportrechtlichen Fragestellungen forschen. Prof. Dr. Jens Adolphsen war 2002 der erste Rechtswissenschaftler, der in Deutschland einen Lehrauftrag für Sportrecht erhielt. Heute ist er Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, nationales und internationales Zivilverfahrensrecht und Sportrecht an der Justus-Liebig-Universität in Gießen. "Es war spannend, die venia legendi auf diesem Rechtsgebiet zu erhalten. Schließlich war noch gar nicht sicher, ob es auch einen dazu passenden Lehrstuhl geben würde. Damals existierte ein solcher in Deutschland nicht", erinnert sich Adolphsen. 2006 widmete die Universität seinen vorher eher prozessrechtlich ausgerichteten Lehrstuhl auch dem Sportrecht. Wer sich auf akademischem Niveau auf dem Gebiet des Sportrechts fortbilden will, muss sich ins Ausland orientieren. Gerade an angloamerikanischen Universitäten befassen sich zahlreiche LL.M.-Programme mit dem Sportrecht. Auch die FIFA bietet mit einem eigenen Studienangebot jährlich rund 30 Juristen die Möglichkeit, einen Master zu erwerben. Ansonsten, so der Tipp der Sportjuristen: So früh wie möglich Praxiserfahrung sammeln, sei es durch ehrenamtliche Tätigkeit in einem Sportverein oder eine entsprechende Referendarstation. Und auch das samstägliche Sportschau-Gucken schadet nicht. Denn: "Die Tätigkeit bei der DFL schließt nicht aus, dass ich am Wochenende gerne Fußball schaue", sagt DFL-Jurist Paepke mit einem Schmunzeln. "Man ist und bleibt Fan, auch und gerade wenn man beruflich mit dem Fußball verbunden ist."

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