Social-Media-Accounts in Kanzleien

Zeit­gemäß, aber selten gere­gelt

von Dr. Till Hoffmann-RemyLesedauer: 6 Minuten

Auch Kanzleien nutzen soziale Medien zur Aktivierung ihrer Mitarbeiter als "Markenbotschafter" und zur Erfüllung von Arbeitsaufgaben. Welche Risiken dabei entstehen und wie man ihnen vorbeugt, erläutert Till Hoffmann-Remy.

Social Media sind für Kanzleien und Unternehmen Kanäle für die Kommunikation einer Markenbotschaft, Recruitingtool (z.B. im Rahmen des Active Sourcing), internes Arbeitsmittel oder externe Kommunikationsplattform zu den Produkten oder Dienstleistungen des Unternehmens. Zunehmend ist die Nutzung von sozialen Netzwerken durch die Mitarbeiter nicht nur erwünscht, sondern wird sogar erwartet.

Auch und gerade Anwaltskanzleien können auf diese Weise Aktualität und Reaktionsfähigkeit demonstrieren und mit ihren Mandanten in den direkten Austausch treten. Dennoch sind Regelungen zu diesem Thema immer noch Mangelware: Häufig wird nach dem Grundsatz "Was kann schon schiefgehen?" agiert. Die Antwort: Viel. Die geltende Rechtslage bietet Arbeitgebern nämlich wenig Sicherheit, wenn ihre Mitarbeiter sich nicht an die – wohlgemerkt ungeschriebenen – Regeln halten und es zu Konflikten rund um den Social-Media-Account kommt.

Schon eine sinnvolle Gestaltung von Arbeitsverträgen und Policies kann viele Risiken abschwächen. Praktisch betrachtet wird eine Überregulierung jedoch häufig negative Effekte auf die Motivation der Mitarbeiter haben, die gerade zur Mitwirkung in sozialen Netzwerken angehalten werden sollen.

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Kontakte (nur) in Social Media-Accounts

Ein Streitpunkt stellt sich regelmäßig, wenn Mitarbeiter ihre geschäftlichen Kontakte nicht ordnungsgemäß in den internen Systemen hinterlegen, sondern den Kontakt nur über einen Social-Media-Account pflegen. Dies kann sowohl bei anwaltlichen Mitarbeitern als auch im Falle etwa eines Business Development Managers virulent werden, wenn sich die Wege trennen. Gehören diese Daten dann dem Mitarbeiter oder der Kanzlei? Wie kann sichergestellt werden, dass Mandate oder auch Beziehungen zu Journalisten und anderen Multiplikatoren störungsfrei weiter betreut werden?

Was kann die Kanzlei tun, wenn der angestellte Social Media Manager, der alleine diverse Accounts verwaltet, im Unfrieden ausscheidet? Darf der Arbeitgeber schlicht alle Passwörter ändern und den Arbeitnehmer aus den Accounts "aussperren"? Was, wenn der Arbeitgeber die Zugangsdaten gar nicht kennt, weil der Social Media Manager sie kurz zuvor geändert hat und der Arbeitgeber damit aus seiner eigenen Social Media-Präsenz verbannt ist?

Denkbar ist schließlich auch, dass einzelne Mitarbeiter aufgrund besonders erfolgreicher Online-Präsenz eine Vielzahl an Kontakten anhäufen, die schon per se einen gewissen wirtschaftlichen Wert besitzen dürften. Stehen diese der Kanzlei zu, wenn sie im geschäftlichen Kontext "erworben" wurden? Gibt es zumindest einen Anspruch auf Herausgabe einer Kopie der Kontakte? Und was gilt, wenn der Mitarbeiter einen Account hält, der beispielsweise die Kanzleimarke beinhaltet (z.B. @kanzleixyz_kürzel auf Twitter) – kann der Arbeitgeber verlangen, dass ihm dieser übertragen wird?

Jedem nur ein Account

Eine wesentliche Weichenstellung zur Beantwortung dieser Fragen stellt die Zuordnung des einzelnen Accounts dar. Noch verhältnismäßig einfach ist die Rechtslage bei reinen Geschäftsaccounts, wenn also der Arbeitgeber etwa einen rein nach dem Unternehmen benannten Twitter-Kanal nebst Passwort zur Verfügung stellt, mit dem der Arbeitnehmer seine Aufgaben erbringt. Dann hat der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Account nebst Passwort und gesammelten Kontakten an den Arbeitgeber herauszugeben und darf keine eigenen Kopien zurückbehalten, § 667 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) analog.

Typisch ist aber eher die Nutzung von Mischaccounts: Beschäftigte nutzen ihre (irgendwann einmal privat angelegten) Accounts später auch im Rahmen der dienstlichen Tätigkeit. Eine Trennung dieser Aktivitäten ist schon aufgrund der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der genutzten Netzwerke typischerweise untersagt; zulässig ist regelmäßig nur ein Account pro Person. Ob dieser nun insgesamt als "geschäftlich" zu bewerten ist oder als privat, wird man nach dem äußeren Erscheinungsbild im Einzelfall abzugrenzen haben.

Mehr oder weniger taugliche Kriterien können sein: Wer trägt im Falle eines Premiumaccounts die Kosten, wer hat den Account angemeldet, unter wessen Namen wird er geführt und welche Kontaktdaten sind hinterlegt? Nicht zuletzt werden auch die Nutzungsbedingungen der jeweiligen Plattform mit einzubeziehen sein.

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2/3: Rechtsprobleme bei Mischaccounts

Unter der geltenden Rechtslage stellt sich der Umgang insbesondere mit Mischaccounts für den Arbeitgeber als nicht vergnügungssteuerpflichtiges Unterfangen dar. Zwar hält das Arbeits- und Wettbewerbsrecht unter vielfältigen Gesichtspunkten Unterlassungs- und Herausgabeansprüche bereit, mit denen der Arbeitgeber eine missbräuchliche Verwendung eines Accounts unterbinden können sollte. Die Praxis zeigt aber: es handelt sich zumeist um realistisch kaum durchsetzbare Ansprüche.

Bei Mischaccounts stellt sich regelmäßig die Frage: Welche Kontakte sind privat, welche geschäftlich und als solche bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses "herauszugeben"? Die zu dieser Frage bislang spärlich ergangene Rechtsprechung ordnet die Darlegungs- und Beweislast jedenfalls im Rahmen der Prüfung eines Unterlassungsanspruches nach § 17 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) dem Arbeitgeber zu (Arbeitsgericht (ArG) Hamburg, Urt. v. 24.1.2013, Az. 29 Ga 2/13).

Dieser muss also im Zweifel dezidiert darstellen können, warum ein bestimmter Kontakt ausschließlich während der arbeitsvertraglichen Tätigkeit gewonnen worden ist. Das wird regelmäßig unmöglich sein. Selbst wenn das im Einzelfall gelingt: Wie will der Arbeitgeber sicherstellen, dass der Arbeitnehmer seine Kontakte wirklich endgültig löscht und nichts zurückbehält?

Zugriffsmöglichkeit auf privaten Account(teil)?

Auch das Datenschutz- und Telekommunikationsrecht beeinflusst die oben dargestellten Fälle. Insbesondere ist von Relevanz, ob der Arbeitgeber überhaupt zu Kontrollzwecken Einblick nehmen darf. Nur wenn das möglich ist, kann er auch die Herausgabe bestimmter Accountdaten verlangen.

Ohne ausdrücklich geregelte Zugriffsmöglichkeit wird dies dem Arbeitgeber schon schwerfallen. Er muss sich dann gegebenenfalls auf die Information des Arbeitnehmers verlassen und darauf hoffen, dass dieser private und geschäftliche Kontakte "richtig" voneinander abgegrenzt oder überhaupt daran gedacht hat, Kontakte als privat beziehungsweise geschäftlich zu markieren.

Kann der Arbeitgeber im Fall eines Ausscheidens des Arbeitnehmers "im Unfrieden" gar den Account einseitig sperren, um eine private (Weiter-) Nutzung durch den Arbeitnehmer nach Ende des Arbeitsverhältnisses zu unterbinden? Das ist jedenfalls nicht wirklich risikolos, drohen doch mit gewisser Wahrscheinlichkeit Schadensersatzpflichten (Oberlandesgericht Dresden, Urt. v. 05.09.2012, Az. 4 W 961/12, 4 W 0961/12). Ein weiterer, noch nicht ausgestandener Streit schwelt um eine potentielle strafrechtliche Sanktionierung eines solchen Eingriffs.

Konsequenzen für die Vertragsgestaltung

Ein Arbeitgeber, der angesichts der oben überblicksartig dargestellten Rechtslage ernüchtert ist, mag nun reflexartig damit beginnen, entsprechende vertragliche Regelungen zum Schutz seiner Interessen zu entwerfen. Wichtig ist aber zunächst einmal, das Risiko überhaupt zu erkennen und zu bewerten.

Es kann nämlich gut sein, dass andere Aspekte für eine Inkaufnahme des Risikos und somit gegen vertragliche Regelungen sprechen: Das etwa, weil eine zu starke "Verrechtlichung" nicht zur Kultur oder zur Größe des Arbeitgebers passt, weil der Arbeitgeber die Mitarbeiter gerade anhalten will, bei einem Social-Media-Projekt mitzuwirken (und sie nicht durch zu starke Verbotskultur gerade davon abzuhalten), oder schlicht deshalb, weil das wirtschaftliche Risiko im Einzelfall vernachlässigbar erscheint.

Wo Kontakte (auch) aus Social Media-Kanälen wesentliche wirtschaftliche Faktoren für ein Unternehmen darstellen, spricht viel für eine (umfassende) Regelung der Social Media-Nutzung. Hierbei geht es zum Einen um die Definition klarer Aufgaben, Prozesse, Zuständigkeiten, Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit einer Social-Media-Nutzung, wie sie typischerweise in einer Social Media Policy festgehalten werden kann. Darüber hinaus bieten sich vertragliche Regelungen an, mit denen die Rechte der Parteien im Konfliktfall interessengerecht festgeschrieben werden.

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3/3: Risikominderung durch Social-Media-Regelungen

Soweit man darüber nachdenkt, eine Social Media Policy einzuführen, können hiermit die bestehenden arbeitsvertraglichen oder gesetzlichen Haupt- und Nebenpflichten bezogen auf die Verwendung sozialer Netzwerke konkretisiert werden. Sie können aber regelmäßig, sofern sie nicht per Zusatzvereinbarung in den Arbeitsvertrag einbezogen werden, keine neuen Rechte und Pflichten begründen. Hierfür ist der – aufwendigere – Weg über vertragliche Vereinbarungen typischerweise der einzig belastbare.

In Social Media Policies könnten mit Blick auf die oben dargestellten Fälle neben allgemeinen Vorgaben zur Accountnutzung etwa Regelungen zur Pflege der Kontakte (Aktualität, Sicherungskopien, Synchronisierung mit bestehenden Outlook-Kontakten, Kategorisierung in privat oder geschäftlich) aufgenommen werden. Ebenfalls kann geregelt werden, wo die Accountdaten für dienstlich überlassene Accounts hinterlegt werden, und wer diese ändern darf.

Zugriffsrechte auf Mischaccounts sollten stets einzelvertraglich geregelt sein und – mit Blick auf die anstehende Geltung der EU-Datenschutz-Grundverordnung – hinsichtlich der Datenerhebung bereits heute so entworfen werden, dass sie auch nach Mai 2018 noch Bestand haben.

Auch soweit es um die Frage geht, was mit einem Social Media Account bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschieht, sollten vertragliche Regelungen sich mit der Frage befassen, ob (und welche) Daten durch den Arbeitnehmer im Einzelnen herauszugeben sind. Ebenfalls denkbar sind Regelungen zu Löschpflichten und deren Überprüfung sowie zur Beweislastverteilung im Streitfall, damit der Arbeitgeber nicht - wie im Fall des ArbG Hamburg - am Ende mit leeren Händen da steht.

Der Autor Dr. Till Hoffmann-Remy ist Counsel und Fachanwalt für Arbeitsrecht im Frankfurter Büro der Kanzlei Kliemt & Vollstädt, einer der führenden auf Arbeitsrecht spezialisierten Kanzleien in Deutschland. Er berät Unternehmen bundesweit in arbeitsrechtlichen Fragen insbesondere im Rahmen von Umstrukturierungen.

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