Small Talk mit Dr. Anne-Kristin Fricke, Pressesprecherin am LG

Spricht mit Jour­na­listen und mag Über­ra­schungen

von Annelie KaufmannLesedauer: 4 Minuten

Im Small Talk fragen wir Juristinnen und Juristen, was sie denn so machen. Heute: Anne-Kristin Fricke, Richterin und Pressesprecherin am LG München mit guten Nerven und guter Laune.

Dr. Anne-Kristin Fricke…

Ist: Richterin am LG München I und Pressesprecherin für Zivilsachen

Macht: Urheber- und Patentrecht in der 21. Zivilkammer und Presseanfragen in allen Zivilsachen

Außerdem: als Güterichterin Mediationen in allgemeinen Zivilsachen, Bausachen und im gewerblichen Rechtsschutz durchführen

Vorher: Staatsanwältin, erst in Hannover, dann in München, anschließend Richterin in der Jugendschutzkammer am LG München I und stellvertretende Leiterin der Führungsaufsichtsstelle, Zivilrichterin in der Kartellrechtskammer

Studium: in Münster, Paris und Berlin (HU), Promotion und Referendariat in Berlin

Highlights: Durfte eine Dienstreise nach Las Vegas machen, weil die University of Las Vegas sie eingeladen hatte, einen Vortrag zum Thema "Provisionary Injunctions at Trade Shows" bei einer internationalen Konferenz zu halten

Was machen Sie beruflich?

Neben meiner Tätigkeit als Richterin habe ich als Pressesprecherin die Aufgabe, Verfahren, die bei uns am Landgericht München I anhängig sind, den Vertreterinnen und Vertretern von Presse und Medien zu erläutern. Ich arbeite in Teilzeit, 75 Prozent. Für die Pressearbeit bin ich zu 25 Prozent freigestellt.

Was mögen Sie an Ihrem Job am liebsten?

Die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen auf der einen und so vielen Journalistinnen und Journalisten auf der anderen Seite ist für mich besonders schön. Wir haben sehr viele Verfahren, für die sich die Öffentlichkeit interessiert. Ich mag es sehr, als Bindeglied zwischen den Vertreterinnen und Vertretern von Presse und Medien und der Richterschaft zu arbeiten. Das ist unglaublich spannend!

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"Dann kommt ein Anruf und man muss alles stehen und liegenlassen"

Und was mögen Sie nicht?

Ich komme jeden Morgen ins Büro und weiß nie genau, wie mein Tag dann ablaufen wird. Die Pressearbeit ist sehr spontan und abwechslungsreich. Das klingt erst mal interessant und ich mag das auch sehr. Aber die Herausforderung daran ist: Du weißt nie genau, was dich erwartet. An manchen Tagen ist es ruhig und dann plötzlich kommt ein Anruf aus dem Kollegenkreis oder die Medien wollen über ein Verfahren bei uns berichten und dann muss man sofort alles stehen und liegen lassen und loslegen. Man sollte wohl nicht Pressesprecherin eines Großstadtgerichts werden, wenn man keine Überraschungen mag!

Wieviel Diplomatie ist gefragt?

Spontan hätte ich jetzt gesagt, als Richterin muss man entscheidungsfreudig sein und als Pressesprecherin muss man diplomatisch sein. Allerdings: Sowohl als Richterin und Güterichterin als auch als Pressesprecherin ist Kommunikation sehr wichtig. Dazu gehört auch, dass man diplomatisch ist. Allerdings bin ich schon auch eine Freundin klarer Worte – dies aber zum rechten Zeitpunkt.

Es ist bei all meinen Aufgaben sehr wichtig, dass ich klar, transparent und nachvollziehbar arbeite. Das schätzen die rechtssuchenden Bürgerinnen und Bürger, die Anwaltschaft und auch die Vertreterinnen und Vertreter von Presse und Medien sehr.

Was muss man können – außer Jura?

Den Menschen richtig zuhören – das ist in meinem Job entscheidend. Sowohl bei einem Rechtsstreit als auch bei einer Presseanfrage muss man sich fragen: Worum geht es wirklich? Wie sind die Standpunkte der Parteien? Was ist hier wichtig? Diese Fragen kann man nur richtig beantworten, wenn man aktiv zuhört.

"Das erste Mal nach dem Lockdown wieder im Sitzungssaal – das war emotional"

Was ist Ihr Highlight des Jahres?

Ich glaube, ich spreche hier vielen aus der Seele, wenn ich sage, dass das Jahr 2020 nicht gerade ein Jahr der "Highlights" war bisher. Aber ich kann folgendes sagen: In der Osterzeit hatten wir am Gericht nur Notvertretung und haben lediglich wenige eilige Sachen verhandelt. Viele Verhandlungen wurden auch von den Parteien abgesagt.

Nach dem Lockdown hatte ich in meiner ersten Sitzung einen durchaus emotionalen Moment, als ich das erste Mal wieder im Sitzungssaal verhandelt habe. Die mündliche Verhandlung, der Austausch mit den Parteien und Anwälten hatten mir wirklich sehr gefehlt und ich weiß meinen Job jetzt umso mehr zu schätzen.

Wie Homeoffice-tauglich ist Ihr Job?

Die Pressearbeit kann ich schon zu einem großen Teil zu Hause per E-Mail und Telefon erledigen. Wenn ein Kamerateam im Haus ist oder eine größere Verhandlung stattfindet, muss ich aber vor Ort ansprechbar sein. Für die mündlichen Verhandlungen als Richterin kann ich nicht zu Hause bleiben. Aber die Vorbereitung der Verhandlungen kann ich ggf. zu Hause machen. Außerdem habe ich kürzlich unsere neue Videokonferenzanlage gemeinsam mit einer Kollegin für eine Mediation genutzt. Das hat wirklich gut geklappt!

"Ich wäre gerne mal einen Tag Gerichtsjournalist"

Was würden Sie gerne ändern?

Oft wünsche ich mir noch mehr Zeit für Presse-, Medien- und Öffentlichkeitsarbeit. Es ist aus meiner Sicht unglaublich wichtig, dass die Menschen mitbekommen und verstehen, was wir als Gericht machen. Die Verfahren werden in diesen Zeiten immer komplexer. Nur noch wenige Menschen haben selbst die Zeit, sich mal einen Prozess live anzuschauen. Umso wichtiger, dass Presse und Medien hier berichten und unsere Arbeit in den Akten und im Gerichtssaal zu den Menschen nach Hause bringen. Hierfür muss man sich als Pressesprecher Zeit nehmen, damit man die Dinge möglichst so erklärt, dass jeder sie verstehen kann.

Haben Sie Ihren Job gefunden oder Ihr Job Sie?

Ich habe mir diesen Job gewünscht und war irgendwie zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Mein jetziger Job macht mich sehr glücklich. Für mich kann ich mir nichts Besseres vorstellen!

Mit wem würden Sie gerne einen Tag lang die Rollen tauschen?

Ich wäre gerne mal einen Tag Gerichtsjournalist, um einen unserer Fälle rein aus der Presse-Perspektive zu sehen. Dann könnte ich auch bei einer Redaktionssitzung mal Mäuschen spielen. Ich glaube, das wäre sehr interessant…

Die Fragen stellte Annelie Kaufmann

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