Rechtsdienstleistungsgesetz

Pra­xi­s­taug­lich, aber nicht "Anwalts Lie­b­ling"

Cyrill JanssenLesedauer: 4 Minuten
Das Rechtsdienstleistungsgesetz löste zum 1. Juli 2008 das Rechtsberatungsgesetz ab und lockerte das Beratungsmonopol der Anwälte. Kritiker befürchteten eine Prozessflut, aber das Gesetz zeigt sich erstaunlich praxistauglich und löst kaum Beschwerden aus. Die Anwaltschaft muss sich in einigen Bereichen - nicht nur des kalten Winters wegen - warm anziehen.

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Bis zum 30. Juni 2008 regelte das Rechtsberatungsgesetz aus 1935 die geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten. Das Gesetz wurde bereits in den 1920er Jahren entwickelt. Wenngleich es von den Nationalsozialisten missbraucht wurde und nichtanwaltliche Beratung durch jüdische Rechtsanwälte ausschließen sollte, hatte es historisch und teleologisch zum Hauptziel, die Rechtssuchenden vor unqualifizierter Beratung zu schützen. Natürlich hatte das Gesetz auch einen Wettbewerbsschutz der Anwaltschaft zum Ziel. Genau dieser letzte Nebeneffekt geriet jedoch mehr und mehr in der Kritik. Sowohl der Bundesgerichtshof als auch das Bundesverfassungsgericht, das sich häufig und zuletzt im November mit der grundgesetzlich geschützten Berufsfreiheit auseinander zu setzen hat, hatten immer wieder auf die Berufsfreiheit von Nichtjuristen hingewiesen. So gesehen war es konsequent, im Zuge einer europäischen Harmonisierung des Berufsrechts Lockerungen für die Rechtsberatung auch durch geeignete Nichtjuristen zuzulassen.

Außergerichtliche Rechtsberatung unentgeltlich oder als Nebenleistung

Das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) regelt in § 1 RDG die Befugnis, außergerichtliche Rechtsdienstleistungen zu erbringen, und definiert in § 2 Abs. 1 RDG erstmals den Begriff der Rechtsdienstleistung als jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Rechtsdienstleistungen als Nebenleistung in Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit, zum Beispiel durch Architekten, Banken und Versicherungen, Kfz-Werkstätten und Wohnungsmakler, sind gemäß § 5 RDG erlaubt. Ebenfalls erlaubnisfrei sind weiter Tätigkeiten im familiären Bereich sowie durch einen oder unter Anleitung eines Volljuristen. Das betrifft auch Automobilclubs oder beispielsweise Vereinigungen wie die Caritas und Interessenverbände, § 6 Abs. 1 RDG. Daneben wurde ein Rechtsdienstleistungsregister eingerichtet. Hier können sich aufgrund besonderer Sachkunde Inkassounternehmen, Rentenberater oder Dienstleister auf dem Gebiet eines ausländischen Rechts registrieren lassen und nach einer Prüfung Rechtsberatung betreiben.

Gesetz mit Augenmaß

Im Vorfeld war befürchtet worden, dass das Gesetz zu Lasten der Verbraucher gehen könnte und eine Prozessflut verursachen würde. Nach Auskunft von Peter Lindackers von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen ist dies jedoch nicht eingetreten. "Vor allem im Bereich der Inkassounternehmen und der Schuldenregulierer hatten wir dies befürchtet, können jedoch auch hier keine Zunahme der Beschwerden feststellen", so Lindackers. Auch der Deutsche Anwaltverein (DAV) gibt sich, wie schon bei Inkrafttreten des Gesetzes, betont gelassen. Laut Niko Härting, Rechtsanwalt und Mitglied des Berufsrechtsausschusses des DAV gibt es kaum Prozesse in Bezug auf das RDG. "Wenn man bedenkt, wie viele Prozesse es wegen dem Rechtsberatungsgesetz gab, welches ein ständiger Zankapfel war, so scheint das neue Gesetz zu funktionieren. Uns ist keine Zunahme der Beschwerden bekannt", so Härting. Es handele sich eben auch um ein Gesetz mit Augenmaß.

Nichtanwaltliche Konkurrenz trifft spezialisierte Fachanwälte

Laut einer Untersuchung des Instituts für freie Berufe aus dem Jahr 2008 unter Anwälten (STAR-Untersuchung) berichten rund die Hälfte der insgesamt 3.934 befragten Anwälte von einem Anwachsen der nichtanwaltlichen Konkurrenz auf dem Rechtsberatungsmarkt. Dies trifft die Anwaltschaft in einer Zeit der stetigen Anwaltszunahme in einem immer kleiner werdenden Markt umso mehr. Vor allem die spezialisierten Fachanwälte, allen voran aus dem Bereich Straßenverkehrsrecht, beklagen überdurchschnittlich eine Zunahme der Konkurrenz durch Kfz-Werkstätten, Autohäuser und nicht zuletzt Versicherungen. Rechtsanwalt Mirko Metzler, Fachanwalt für Verkehrsrecht und Versicherungsrecht, beobachtet seit längerem eine stetige Abnahme der Sachschadensregulierung. "Dies kann am RDG, aber auch am Schadensmanagement der Versicherer liegen, die Ihre starke Machtposition ausnutzen", so Metzler. "Wir bekommen oft teilregulierte Fälle, denen eine mangelnde außergerichtliche Beratung vorausgegangen ist. Besonders gravierend wirken sich  Kooperationen der Versicherungen mit den Werkstätten aus", so Metzler weiter. Hier werde auf Kosten der Geschädigten billig repariert und häufig unter Auslassung wichtiger Schadenspositionen schnell reguliert. Die Anwaltschaft tut deshalb gut daran, sich stärker um die eigene Imagepflege zu kümmern und ihre Fachkompetenz hervorzuheben, in erster Linie durch eine Steigerung der Qualität, einen Ausbau der Marketingmaßnahmen und durch stetige Fort- und Weiterbildung. Der DAV bringt es in seiner Imagekampagne auf den Punkt: "Vertrauen ist gut. Anwalt ist besser". Cyrill Janssen arbeitet als selbstständiger Rechtsanwalt in Krefeld. Mehr auf LTO.de: Das Rechtsanwaltsversorgungswerk: Was der Anwalt muss, was er darf und was es bringt Anwaltsumsatz: 10 Prozent kommen von den Rechtsschutzversicherungen

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