Frauennetzwerk im Rechtsmarkt

"Es schadet nie, Freun­dinnen zu haben"

Interview von Anja HallLesedauer: 5 Minuten

Die Rechtsanwältin Anna-Katharina Horn findet, dass Frauen sich mehr vernetzen sollten, und hat deshalb einen Ableger des US-Verbands "Women in eDiscovery" mitgegründet. Warum Frauennetzwerke wichtig sind, erzählt sie im Interview.

LTO: Frau Horn, Sie haben gemeinsam mit Nina Mohadjer, die wie Sie als Juristin im Bereich eDiscovery arbeitet, das Chapter Frankfurt des US-Verbands "Women in eDiscovery" gegründet. Was ist das für eine Organisation und was sind die Ziele?

Anna-Katharina Horn: Der Verband wurde 2007 gegründet, ihm gehören inzwischen über 5.000 Frauen an. Insgesamt gibt es 36 Chapter, ein geographischer Schwerpunkt liegt in den USA. Er hat das Ziel, Frauen, die im Bereich Internal Investigations und eDiscovery arbeiten, persönlich und beruflich weiterzubilden und ihnen Möglichkeiten zur Vernetzung zu bieten.

Wie sind Sie auf den Verband gekommen?

Ich bin eher zufällig darauf gestoßen, weil ich selbst im Bereich eDiscovery tätig bin. Mir gefällt, dass es eine Non-Profit-Organisation ist. Ich wollte gerne mitmachen, aber es stellte sich heraus, dass es in Kontinentaleuropa gar kein Chapter gibt.

Ich habe angefragt, ob ich selbst ein sogenanntes Chapter gründen kann. Das durfte ich, und die Vorgabe war, dass ich mindestens 25 Frauen finde, die im Rechtsmarkt mit Schwerpunkt Litigation, Internal Investigations und eDiscovery tätig sind. Das müssen gar nicht zwingend Juristinnen sein. Es können auch Frauen aus anderen Bereichen wie IT, Personal und Journalismus dabei sein.

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"Frauen wollen Netzwerke schaffen und sich treffen"

Unabhängig von mir hat sich Nina Mohadjer ebenfalls auf die Suche nach interessierten Teilnehmerinnen begeben und auch schon eine LinkedIn-Gruppe erstellt. Wir sind miteinander in Kontakt getreten und haben unseren beiden Kreisen zusammengefügt. Nina Mohadjer ist Senior Director bei FTI Consulting und ebenfalls Juristin. Sie hat mehr als zehn Jahre Erfahrung im Bereich eDiscovery in den USA, Großbritannien und der Schweiz und war Mitglied in den Chaptern in New York und London.

Wieso sollte es ein reines Frauennetzwerk sein?

Auf Veranstaltungen stelle ich immer wieder fest, dass 75 bis 80 Prozent der Teilnehmenden Männer sind. Ich habe mich gefragt, warum das so ist und habe diese Frage auch vielen anderen Frauen gestellt. Netzwerken Frauen anders als Männer? Wollen wir so netzwerken, wie Männer es tun? Oft ist es wohl so, dass Frauen sich zurücknehmen, wenn Männer laut sind. Und es ist vorstellbar, dass Frauen zwar netzwerken wollen, aber nicht bereit sind, in männerdominierte Netzwerke einzusteigen. Ich bin fest davon überzeugt, dass Frauen das Bedürfnis haben, Netzwerke zu schaffen und sich zu treffen.

Was wollen Sie anders machen als die Männer?

Wirklich viel anders möchten wir gar nicht machen. Jedoch möchten wir Frauen ermutigen sich uns anschließen und sichtbar zu werden. Sie sollen andere Expertinnen in ihrem Bereich kennenlernen und sich neben der beruflichen, auch auf einer persönlichen Ebene verknüpfen.

"Es liegt nicht jeder, abends lange an der Bar zu stehen"

Jetzt sind durch die Coronapandemie physische Treffen natürlich erschwert, aber abgesehen davon: Häufig finden Netzwerktreffen am Abend statt – das kann schwierig sein, wenn die Frau Familie hat. Und es liegt auch nicht jeder, abends lange an der Bar zu stehen und mit den Männern einen zu trinken. Wir wollen weitere und andere Gelegenheiten für unseren Begegnungen schaffen. 

Für Mai hatten wir uns vorgenommen, gemeinsam ein Kunstmuseum zu besuchen. Das mussten wir leider erstmal absagen. Vorträge und kleine Workshops, digitale Kaffeetrinken mit Impulsvortrag, Mittagessen in kleinerer Runde etc. sind in Planung. Sobald es uns möglich ist, möchten wir kleinere regionale Treffen organisieren, um die Frauen in ihren Städten miteinander in Verbindung zu bringen. Ein regelmäßiger, überregionaler Austausch und die Möglichkeit virtuell an den Vorträgen teilzunehmen soll auch in Zukunft selbstverständlich sein.

Wie viele Frauen haben Sie bislang gefunden?

Die magische Grenze von 25 interessierten Frauen haben wir bereits weit überschritten. Inzwischen haben wir aus den USA das OK für die Chaptergründung bekommen. Im nächsten Schritt sind wir dabei, 50 Frauen zu versammeln, damit wir anfangen können, das Gründungsevent zu planen. Die Frauen sind im Alter von Ende 20 bis Mitte 50. Es sind Anwältinnen darunter, aber auch Informatikerinnen, Projektmanagerinnen, sogar eine Marketingexpertin. Die Frauen arbeiten vor allem in Kanzleien, Prüfgesellschaften und Unternehmen.

Frauen aus der gesamten DACH-Region dürfen mitmachen

Das Chapter richtet sich, trotz des "Frankfurt" im Namen an Frauen aus dem deutschsprachigen Raum, also Deutschland, Österreich und der Schweiz. Wenn wir mehr werden, werden wir kleinteiliger. In den USA hat "Women in eDiscovery" in jeder Region oder Großstadt ein Chapter.  Dies auch in der DACH-Region so umzusetzen, ist unser Ziel. Wir sammeln uns erstmal in dem Frankfurt Chapter und gründen von hier weitere Chapter.

Was haben Sie konkret vor?

Unsere Idee ist, sich gegenseitig zu unterstützen, sich weiterzubilden und eine gute Zeit miteinander zu haben. Frauen, die in diesem Bereich, also in Technik und Juristerei im Rahmen von Litigation und Internal Investigation, arbeiten, sollen sichtbarer füreinander werden. Wir wollen uns regelmäßig treffen, sowohl virtuell als auch persönlich, sobald das wieder bedenkenlos möglich ist. Den Kontakt und die Beziehungen der einzelnen Frauen untereinander möchten wir stärken.

Die Themen der Treffen variieren von technischer und juristischer Weiterbildung über Kultur bis zu sozialem Engagement. Die Mitglieder dürfen und sollen sich einbringen durch Vorschläge und auch eigene Vorträge.

Hoher Bedarf an Weiterbildung

Im Bereich Legal Technologie und dementsprechend eDiscovery gibt es einen hohen Weiterbildungsbedarf, schon allein durch ständige technische Neuerungen. Projekte laufen in der Regel unter hohem Zeitdruck ab. Dabei ist oft unklar, was die anderen beteiligten Parteien eigentlich genau machen, warum das gegebenenfalls so lange dauert. Ein Austausch könnte helfen, Verständnis füreinander zu schaffen und einen Blick über den eigenen Tellerrand zu ermöglichen.

Eine Forensikerin würde etwa von der Rechtsanwältin lernen, dass sie aus Datenschutzgründen nicht überall hinschauen darf, wo sie gerne möchte. Oder eine IT-Expertin könnte Anwältinnen zeigen, wie man die Tools am Effizientesten zur Datenanalyse nutzt oder anschaulich erklären, was eigentlich passiert, wenn "Daten abgezogen" werden.

Frauen, die an ähnlichen Projekten gearbeitet haben, könnten über die Abläufe sprechen und überlegen, was sich verbessern lässt. Dabei soll gar nicht über die Inhalte des Projektes geredet werden. Es geht darum, eigene Defizite, gegebenenfalls technischer Art, zu füllen und zu sehen, wo es Verbesserungsbedarf gibt. Und es ist gut zu wissen, wen man anrufen kann, wenn man eine Frage hat.

Es gibt immer wieder Debatten darüber, ob reine Frauennetzwerke die Gleichberechtigung wirklich voranbringen oder ob es nicht besser wäre, mit Männern gemeinsam zu netzwerken und so eine Gleichstellung zu erreichen. Was meinen Sie: Warum sollten Frauen sich untereinander vernetzen?

Warum sollten sie es nicht tun? Es schadet nicht, Freundinnen zu haben. Ich bin auch in gemischten Netzwerken aktiv und finde das gut. Ich stelle aber fest, dass Frauen anders netzwerken und offener reden, wenn sie unter sich sind. Wir haben auch andere Herausforderungen als Männer, etwa die Themen Gehalt, Familie und die Frage, wie wir uns gegenüber männlichen Vorgesetzten und Kollegen durchsetzen können.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Horn.

Anna-Katharina Horn, ist Rechtsanwältin und Head of Legal Services und E-Discovery bei dem Legal-Tech-Unternehmen reThinklegal.

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