Das passiert bei Urlaub und Krankheit

Ohne Arbeit kein Bonus?

Gastbeitrag von Michael RiedelLesedauer: 5 Minuten

Variable Vergütungsbestandteile müssen bei Krankheit und Urlaub fortbezahlt werden. Doch von diesem Grundsatz gibt es Ausnahmen. Michael Riedel erklärt, welche Regeln im Arbeitsverhältnis gelten.

Ohne Leistung keine Gegenleistung - von diesem allgemeinen zivilrechtlichen Grundsatz gibt es im Arbeitsrecht viele Ausnahmen. Bezahlter Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sind vielleicht die bekanntesten. Auch wenn Arbeitnehmer in diesen Fällen keine Arbeitsleistung erbringen, bleibt der Anspruch auf Vergütung bestehen. 

So sehen die §§ 1, 11 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) ausdrückliche Bestimmungen zur Berechnung des Urlaubsentgelts vor. Entsprechende Regelungen halten § 3 Abs. 1 und § 4 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bereit.

Bei Arbeitnehmern, die ein verstetigtes Gehalt, zum Beispiel einen arbeits- oder tarifvertraglich feststehenden Monatslohn erhalten, bereitet die Berechnung der konkreten Höhe der Entgeltfortzahlung keine großen Probleme. Der Arbeitgeber zahlt in aller Regel das verstetigte Entgelt einfach weiter. Doch wie sieht die Berechnung von Urlaubsentgelt und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall bei Arbeitnehmern mit variablen Vergütungsbestandteile aus?

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Variable Vergütung: Provisionen, Boni & Co.

Heutzutage sehen Vergütungsmodelle immer häufiger variable Gehaltsbestandsteile vor. Arbeitnehmer erhalten hierbei – zumeist zusätzlich zu einem feststehenden Grundgehalt – einen leistungs- bzw. erfolgsbezogenen Anteil. Den Klassiker der erfolgsbezogenen Vergütungsform bilden Provisionen. Arbeitnehmer, die auf Provisionsbasis arbeiten, werden von Ihrem Arbeitgeber für die Vermittlung oder den Abschluss von Verträgen zwischen dem Arbeitgeber und einem Dritten vergütet. Je nach Anzahl der vom Arbeitnehmer vermittelten bzw. abgeschlossenen Verträge macht der Provisionsanspruch einen kleineren oder größeren Teil von dessen Gesamtvergütung aus.

Neben Provisionen spielen Bonuszahlungen im System der variablen Vergütungsmodelle eine wichtige Rolle. Je nach Ausgestaltung der Bonusregelung wird die Erreichung persönlicher und unternehmensbezogener Ziele honoriert. Schließlich können Arbeitsverträge eine Beteiligung der Arbeitnehmer am Gewinn des Unternehmens vorsehen.

Da die variablen Vergütungsbestandteile stark schwanken können, braucht es klare Regeln, ob und in welchem Umfang sie bei Urlaub und Krankheit in die Berechnung des Urlaubsentgelts und der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall einfließen.

Urlaubsentgelt: Provisionsansprüche der letzten 13 Wochen maßgeblich

Bei der Berechnung der Höhe des Urlaubsentgelts stellt § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG auf eine Durchschnittsbetrachtung ab. Demnach bemisst sich das Urlaubsentgelt nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, den der Arbeitnehmer in den vergangenen dreizehn Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat. Bei der Ermittlung des Verdienstes sind alle – also unveränderliche und variable – Vergütungsbestandteile, die der Arbeitnehmer im 13-monatigen Referenzzeitraum vor Urlaubsbeginn als Gegenleistung für seine Tätigkeit bekommen hat, zugrunde zu legen.

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) stellen Provisionen eine solche Gegenleistung dar. Ansprüche auf Provision sind deshalb in die Berechnung des Urlaubsentgelts einzubeziehen (BAG, Urt. v. 11.04.2000, Az. 9 AZR 266/99). Hierzu zählen auch Ansprüche auf Teamprovisionen, wenn die Provision für den Fall vertraglich zugesagt worden ist, dass Geschäfte eines weiteren Teammitglieds einen eigenen Provisionsanspruch des Arbeitnehmers auslösen sollen (Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg, Urt. v. 24.02.2017, Az. 9 Sa 28/16).

Deshalb ist eine arbeitsvertragliche Regelung unwirksam, nach der sich das Urlaubsentgelt von Arbeitnehmern mit Provisionsvereinbarungen während des Jahresurlaubs auf das Grundgehalt beschränkt. Dies entspricht nicht nur nationalem Recht, sondern wird nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) auch europarechtlich in Art. 7 der Richtlinie 2003/88 hinsichtlich des bezahlten Jahresurlaubs vorgegeben (EuGH, Urt. v. 22.05.2014, Az. C-539/12 "Lock").

Vergleichbare Grundsätze gelten bei Umsatzbeteiligungen, die von der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers im Referenzzeitraum abhängen. 

Nicht jede variable Vergütung wird berücksichtigt

Aber nicht jede variable Vergütung zählt bei der Berechnung des Urlaubsentgelts mit. Insbesondere ist Provision nicht gleich Provision. 

Zwar werden Bezirksprovisionen i.S.d. § 87 Abs. 2 Handelsgesetzbuch (HGB) aus der Durchschnittsberechnung des § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG herausgenommen. Eine Bezirksprovision erhält z.B. ein Vertriebsmitarbeiter, dem allgemein ein bestimmter Bezirk oder Kundenkreis zugewiesen ist, auch dann, wenn Geschäfte ohne seine Mitwirkung mit Personen seines Bezirkes oder seines Kundenkreises abgeschlossen werden. Der Anspruch auf eine vertraglich zugesagte Bezirksprovision steht dem Arbeitnehmer deshalb auch dann zu, wenn das Geschäft während seines Urlaubs abgeschlossen wird. 

Arbeitgeber sollen durch Bezirksprovisionen jedoch nicht doppelt belastet werden. Zwar fließen die Bezirksprovisionen für während des Urlaubs abgeschlossene Geschäfte dem Arbeitnehmer unverändert zu. Im Gegenzug bleiben frühere Bezirksprovisionsansprüche, die im 13-wöchigen Referenzzeitraum liegen, bei der Berechnung des Urlaubsentgelts außen vor (BAG, Urt. v. 11.04.2000, Az. 9 AZR 266/99).

Ebenso sind auf das Unternehmen bezogene Gewinnbeteiligungen und einmalige Prämien in die Berechnung nicht mit einzubeziehen (LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 06.10.2017, Az. 9 Sa 593/17). Denn diese Zahlungen erfolgen nicht als Gegenleistung für die im Referenzzeitraum erbrachte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers (LAG Hamm, Urt. v. 30.09.2020, Az. 5 Sa 878/20). Anders sieht es hingegen mit Punktprämien bei Sportlern aus, weil diese als Form des Leistungslohns für einen bestimmten Zeitabschnitt gezahlt werden (BAG, Urt. v. 24.11.1992, Az. 9 AZR 4/92). 

Im Einzelfall muss deshalb genau geschaut werden, für welche Leistung des Arbeitsnehmers innerhalb welchen Zeitraums die variable Vergütung gezahlt wird. Das BAG hat für den 27. Juli 2021 eine Entscheidung, in der es sich mit der Einordnung einer Zielerreichungsprämie und den europarechtlichen Vorgaben für die Berechnung des Urlaubsentgelts befassen wird, angekündigt (Az. 9 AZR 376/20).

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall: Provisionsdurchschnitt berechnen

Die Fortzahlung von erfolgs- und leistungsabhängigen Vergütungsbestandteilen im Krankheitsfall ist in § 4 Abs. 1a Satz 2 EFZG ausdrücklich geregelt. Für die Berechnung der Entgeltfortzahlung ist der vom Arbeitnehmer in der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit erzielbare Durchschnittsverdienst zugrunde zu legen. 

Anders als beim Urlaubsentgelt richtet sich der Blick somit nicht zurück, sondern nach vorne. Es gilt das sogenannte Entgeltausfallprinzip (BAG, Urt. v. 26.02.2003, Az. 5 AZR 162/02). Der Arbeitnehmer erhält grundsätzlich die Vergütung weiterbezahlt, die er erzielt hätte, wenn er während des Arbeitsunfähigkeitszeitraums nicht an der Arbeitsleistung verhindert gewesen wäre, sondern gearbeitet hätte. 

Die nach vorne gerichtete Betrachtung stellt Arbeitgeber bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung jedoch regelmäßig vor Schwierigkeiten. Woher soll die Entgeltabteilung z.B. wissen, wie viele Geschäfte der erkrankte Arbeitnehmer im Arbeitsunfähigkeitszeitraum abgeschlossen und wie viele Provisionsansprüche er damit verdient hätte? Aus diesem Grund lassen es die Gerichte zu, dass der Provisionsdurchschnitt eines vor der Arbeitsunfähigkeit liegenden Zeitraums gebildet wird. 

Dabei reicht die Betrachtung der zurückliegenden 13 Wochen – wie sie bei der Berechnung des Urlaubentgelts erfolgt – wegen der starken Schwankungsbreite von Provisionsansprüchen oft nicht aus. Regelmäßig ziehen die Gerichte deshalb für die Berechnung des Provisionsdurchschnitts einen Zeitraum von zwölf Monaten heran (LAG Köln, Urt. v. 08.11.2018, Az. 6 Sa 256/18). Diese Handhabung ist zu begrüßen. Wird durch sie doch eine Schlechterstellung, aber auch eine Besserstellung der betroffenen Arbeitnehmer zum Nachteil des Arbeitgebers, verhindert.

Der Autor ist Partner bei Beiten Burkhardt in Berlin und Mitglied der Praxisgruppe Arbeitsrecht. Er berät als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht nationale und internationale Mandanten auf dem gesamten Gebiet des Arbeitsrechts.

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