Ein Weckruf

Prä­sen­tiert pro­fes­sio­neller, Anwälte!

von Jörg RisseLesedauer: 7 Minuten
Viele Präsentationen bedeuten Stress für den Vortragenden, Langeweile für die Zuhörer und Erkenntnisgewinn für niemanden. Wie man das ändern kann und warum rhetorisches Geschick oft mehr wert ist als Fachwissen, erklärt Jörg Risse.

Kennen Sie als Anwalt das folgende Problem: Wenige Tage vor dem wichtigen Mandantentreffen oder der Vortragsveranstaltung wird die Zeit knapp, und dann immer knapper… In aller Schnelle wird eine PowerPoint-Präsentation zusammengeschustert, und endlich fühlt man sich einigermaßen vorbereitet. Der Vortrag ist dann wie immer - langweilig, wenig inspirierend und ohne erkennbaren Erfolg, vom höflichen Applaus abgesehen. Dieser Stress ist überflüssig. Und PowerPoint auch. Wissen + Können + Glück = Erfolg. Eine einfache Formel, in ihr steckt viel Wahrheit, gerade für Anwälte. Es genügt nicht, das deutsche Steuerrecht wie kein zweiter zu kennen (Wissen), wenn man nicht in der Lage ist, den Finanzrichter oder Betriebsprüfer von der "richtigen" Rechtslage zu überzeugen (Können). Darauf zu spekulieren, der Betriebsprüfer werde das Problem gar nicht erst sehen (Glück), ist eine gefährliche Strategie. Am Ende geht es nicht ohne alle drei Erfolgsfaktoren. Richtig interessant wird obige Erfolgsformel bei einem Blick in die Kristallkugel: Wie werden sich die drei Faktoren entwickeln? Die Antwort liegt auf der Hand: Wissen, vor allem juristisches Wissen, wird an Bedeutung verlieren, schlicht weil es über Datenbanken nahezu frei verfügbar ist und durch juristische Anwendungsprogramme (neudeutsch: LegalTech) ersetzt wird. Gleichzeitig ist Wissen auch allen Wettbewerbern im gleichen Umfang verfügbar, so dass es zukünftig kaum ein Unterscheidungskriterium für die anwaltliche Dienstleistung mehr sein wird.

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Aufs Können kommt es an

Wer nun bei schwindender Relevanz des Wissens auf den Faktor Glück setzt, mag zur Optimierung desselben in einem buddhistischen Kloster meditieren. Für alle anderen ist die Konsequenz klar: Das "Können" wird zukünftig der entscheidende Erfolgsfaktor für Anwälte sein! Was aber ist "Können"? Können ist der Transport juristischen Wissens an einen Empfänger, um dessen Entscheidung zu beeinflussen. Der Richter soll das vorgetragene Argument in ein Urteil umsetzen, die BAFIN das vorgestellte Risikomanagementsystem akzeptieren und der potentielle Mandant die im Angebot (neudeutsch: Pitch) vorgeschlagene Transaktionsstruktur gutheißen und das Mandat erteilen. Auf das entsprechende "Können" des Vortrags kommt es also an - und genau hier liegt das Problem: Dieses "Können" haben Juristen nie gelernt. Seit Jahrhunderten lernen sie Erbrecht, Kommunalrecht - ja sogar Kirchenrecht, bar jeder Relevanz für die meisten beruflichen Laufbahnen. Die Kunst des gekonnten Vortrags (altdeutsch: Rhetorik) wird nicht mehr, oder jedenfalls kaum noch unterrichtet - obwohl relevant in allen Berufsleben. Verbreitet ist der Glaube, die Fähigkeit überzeugend zu präsentieren sei entweder angeboren oder nur durch viel Erfahrung (neudeutsch: grey hair factor) zu erwerben. Beides ist falsch, ganz falsch.

Aktiv vor Passiv? Nicht unbedingt.

Zum Nachweises der vorstehenden Behauptung ein kleines Experiment. Welcher Satz ist besser: "Die Katze wird vom Hund gejagt." oder "Der Hund jagt die Katze."? Bitte überlegen und entscheiden Sie! Die typische, ja stereotype Antwort sieht den Aktiv im Vorteil gegenüber dem Passiv, entscheidet sich also für den jagenden Hund. Dabei zeigt uns die Rhetorik- und Leseforschung, leider fast nur in den USA betrieben, dass der Zuhörer oder Leser kein Interesse für die Sprachform zeigt, sondern allein für das Subjekt des Satzes, das intuitiv ins Zentrum des Verständnisses rückt. Wer also zu Katzenfreunden spricht, beginnt besser mit der Katze und erweckt die Emotion "armes Kätzchen", statt aktivistisch den Hund anzufeuern ("Gleich hat er sie!"). Wem das zu praxisfern (neudeutsch: esoterisch) klingt, der beschäftige sich mit folgendem Beispiel: Der geplante Unternehmenserwerb ist am Veto der Kartellbehörde gescheitert. Wie kommuniziert die Rechtsabteilung diese schlechte Nachricht besser an den Vorstand: "Der Rechtsabteilung ist es leider nicht gelungen, die Kartellbehörde davon zu überzeugen, dass…" oder "Die Kartellbehörde ist dem Argument nicht gefolgt, dass…". Die erzeugte Wahrnehmung beim Vorstand variiert je nach dem gewählten Subjekt zwischen "unfähiger Rechtsabteilung" und "dickköpfiger Kartellbehörde". Wäre es Ihnen als Leiter der Rechtsabteilung egal, wie der Vorstand die schlechte Nachricht einordnet?

Do you have PowerPoint or something to say?

Viel liegt im Argen bei der Präsentationsfähigkeit deutscher Juristen. Das zeigt sich beispielhaft (altdeutsch: paradigmatisch) bei Präsentationen vor größerem Publikum, etwa bei der Vorstellung der eigenen Kanzlei vor potentiellen Mandanten (neudeutsch: Beauty Contest) oder dem Fachvortrag vor einem noch größeren Publikum. Das Mittel der Wahl heißt hier "PowerPoint" und kaum einer kennt, geschweige denn beherzigt den Satz: "Do you have PowerPoint or something to say?" Wer immer vorträgt, sollte selbst im Mittelpunkt stehen - und nicht aus dem Halbdunkel heraus dem Publikum beim Lesen der Folienpräsentation (neudeutsch: Slide Deck) assistieren. Der neuro-wissenschaftliche Befund ist hier klar: Das Hören und Lesen von Sprache beschäftigt die gleiche Hirnregion, weshalb die Zuhörer nicht gleichzeitig zuhören und lesen können. Wenn wir aber einen Text sehen, fangen wir reflexartig an zu lesen. Nach spätestens drei Sekunden (so lange speichert und überbrückt unser Ultra-Kurzeitgedächtnis), verliert das lesende Publikum den Sprecher endgültig - und damit auch den Zugang zum Vortrag. Schlecht gelaufen. Leider weiß das niemand, wie die Standardvorlage nahezu jedes Unternehmens zu PowerPoint-Folien zeigt: Dort wird stets eine Überschrift gefolgt von drei Bullet-Points vorgeschlagen. Wer diese Formatvorlage ausfüllt, schreibt mehr als ein Zuhörer in besagten drei Sekunden maximal lesen kann. Der Redner verliert seine Zuhörer, wenn er der Formatvorlage folgt. Trotz des miserablen Vortrags verliert er nur seine Zuhörer und nicht auch seinen Job, aber nur deshalb, weil alle Redner es so (schlecht) machen. Denn das ist der wahre Grund für den Einsatz von PowerPoint: Die Folien dienen nicht dem Verständnis des Publikum! Sie dienen einzig dem Referenten, der sich von Folie zu Folie hangelt, gemeinsam mit dem Publikum liest (und leidet) und die Präsentation so irgendwie zu Ende bringt.

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2/2: Text + Bild statt Text + Text

Ok, ok – das klingt nun alles ziemlich destruktiv. Schauen wir uns also an, was die Forschung über professionelles Präsentieren weiß und positiv an Tipps beitragen kann, um das Niveau von Präsentationen zu heben. Bleiben wir dabei beim Einsatz von PowerPoint: Erstens sollte jede Textfolie durch eine Bildfolie ersetzt werden. Hören und sehen (nicht: lesen!) aktiviert unterschiedliche Regionen unseres Gehirns, kann also sehr gut gleichzeitig betrieben werden. Deshalb können Sie Auto fahren und ihrem Beifahrer zuhören! Wenn der Vortragende also ein Bild zeigt und dieses erläutert, verliert er sein Publikum nicht. Das Bild muss aber auch allein den gesamten Raum einnehmen, also ohne Überschriften, Kanzlei-Logos oder gar alberne Copyright-Vermerke. Die gezeigten Bilder vermitteln dem Publikum dabei auch ein ästhetisches Gefühl und sollten deshalb nicht irgendwoher zusammengeklaubt sein, sondern einer professionellen Datenbank entstammen. Noch ein Test: Kennen Sie Fotolia, Shutterstock oder Gettyimages? Nein? Dann gibt es einen ganz einfachen Weg, wie Sie Ihre nächste Präsentation auf ein neues Niveau heben können. Zweitens sollten Sie, wenn Sie schon kein Bild zeigen können, die Textfolie auf ein einziges Wort reduzieren. Das geht immer! Und da die Folie eigentlich Ihnen als Referenten dient, nicht dem Publikum, sollte Ihnen dieses Wort als roter Faden des Vortrags genügen. Das Wort "Steuerersparnis" in richtig fetten Buchstaben quer über die Slide geschrieben, beeindruckt Ihre Zuhörer viel nachhaltiger als die Überschrift "Steuerersparnispotential bei dieser Transaktionsstruktur", gefolgt von den Unterpunkten "Ertragssteuer nach deutschem und amerikanischem Recht", "Gewerbesteuereffekte - kurz-, mittel- und langfristig" sowie "Sonstiges". Erzählen Sie einfach, worin die Steuerersparnis besteht. Das eine Wort im Hintergrund bleibt haften.

Die Corporate Identity tapfer ignorieren

Drittens, der einfachste und gleichzeitig wirkungsvollste Hinweis: Beschreiben Sie Ihre Folien nicht länger Schwarz auf Weiß. Ignorieren Sie tapfer alle Werbevorgaben Ihres Unternehmens (neudeutsch: Corporate Identity), schreiben Sie Weiß auf Schwarz! Warum? Weil jetzt nicht länger eine riesige weiße Fläche hinter Ihnen flimmert und alle Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt - und von Ihnen als Person wegzieht. Mit zwei mal drei Metern strahlendweißer Fläche können Sie nicht konkurrieren, wenn es um die Aufmerksamkeit Ihrer Zuhörer geht. Ändern Sie das, indem Sie schlicht die Farben tauschen. Jetzt stehen wieder Sie im Mittelpunkt und hinter (nicht: vor) Ihnen die auf die schwarze Fläche projizierte Kernbotschaft. Lange Rede, kurzer Sinn: Es ist höchste Zeit, dass Anwälte und Rechtsabteilungen die Relevanz von Können, die Relevanz von Schlüsselqualifikationen (neudeutsch: Soft Skills) erkennen. Bei allem Respekt für das Kirchenrecht (Wissen): Es ist wichtiger, die Fähigkeit zu einem gutem Vortrag zu haben (Können) als das Wissen um die Machtbefugnisse des Papstes nach kanonischem Recht. (Nicht nur) weil juristisches Wissen technologiebedingt an Bedeutung verliert, müssen Rechtsabteilungen und Anwaltskanzleien in das Können Ihrer Mitarbeiter investieren, und zwar massiv. Seminare zu den "Neuesten Entwicklungen im Recht der Kapitalgesellschaften" sind sicher wertvoll, aber nicht halb so relevant wie Schulungen zu vermeintlich weichen Themen wie "Effektives Schreiben", "Verhandeln" oder eben "Professionelles Präsentieren". Und wenn Sie das alles nicht glauben oder mit viel Wissen um gute Argumente anders sehen, dann wünsche ich Ihnen nur noch eines: Viel Glück! Prof. Dr. Jörg Risse, LL.M. (Berkeley) ist Partner der Sozietät Baker McKenzie. Er unterrichtet Schlüsselqualifikationen (neudeutsch: advocacy skills) an der Universität Mannheim und an der Humboldt Universität zu Berlin. 

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Präsentieren im Beruf

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