Wie man Partner in einer Großkanzlei wird

"Rainmaker ohne Sozialkompetenz will keiner mehr"

Interview mit Dr. Jo Beatrix Aschenbrenner, LL.M.Lesedauer: 5 Minuten
Häufig vergehen sieben bis acht Jahre, bis ein Anwalt Partner wird. Das Bucerius Center on the Legal Profession in Hamburg hat nun untersucht, nach welchen Kriterien Großkanzleien ihre Partner auswählen. Im Interview erzählt die Autorin der Studie Jo Beatrix Aschenbrenner, dass die Auswahl bis heute oft intransparent verläuft und Assessmentcenter selten und Persönlichkeitstests gar nicht stattfinden.

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LTO: Frau Dr. Aschenbrenner, wie viele Kanzleien haben Sie im Rahmen Ihrer Studie "Partnerwerdung in Kanzleien: Im Spannungsfeld von Transparenz und strategischen Erwägungen" befragt? Und worauf kam es an, Kanzleigröße und Umsatzstärke? Aschenbrenner: Da es sich um eine qualitative Studie handelt, haben wir eine kleine Gruppe von Kanzleien befragt. Insgesamt ging es um neun Kanzleien, die wir aus dem Umsatzsegment der Top 20 der Juve-Statistik 2012 zusammengestellt haben. LTO: Und welche Kanzleien waren das? Aschenbrenner: Die Namen der Kanzleien sind und bleiben anonym.

"Potentialanalysen finden so gut wie gar nicht statt"

LTO: Wie bereitwillig haben die Kanzleien auf ihre Fragen geantwortet? Aschenbrenner: Die Kooperationsbereitschaft der beteiligten Kanzleien war groß. Wir haben sehr offene Gespräche geführt. Ob unsere Interviewpartner uns etwas verschwiegen haben, können wir natürlich nicht wissen. LTO: Welches Ergebnis hat Sie am meisten überrascht? Aschenbrenner: Die meisten Kanzleien haben zwar ein ziemlich genaues Bild davon, wie ein Partner in ihrem Unternehmen so sein sollte. Wenn es aber an konkrete Kriterien geht, nach denen Junganwälte auf ihre "Partnertauglichkeit" hin geprüft werden könnten, wird es schnell schwammig. Es gibt kaum Kompetenzmodelle, Skalen oder Noten, genauso wenig strukturierte Interviews oder andere Verfahren, mit denen die Eignung der Kandidaten gemessen wird. Was ebenfalls verwundert, ist, dass sogenannte Potentialanalysen, die sich mit der Frage beschäftigen, ob ein Anwalt in der Lage ist, über derzeitige Aufgaben hinauszuwachsen, so gut wie gar nicht in strukturierter Form stattfinden. LTO: Bis ein Associate Partner wird, vergehen häufig sieben bis acht Jahre. In Ihrer Studie kommen Sie zu dem Ergebnis, dass Kanzleien ihre Entscheidung, einen Anwalt zum Partner zu ernennen, auf zwei maßgebliche Kriterien stützen. Welche sind dies? Aschenbrenner: Das erste Kriterium sind die Kompetenzen des Anwalts. Neben der fachlichen Kompetenz der Person ist die unternehmerische Kompetenz das maßgebliche Kriterium: Ist der Kandidat in der Lage, Mandantenbeziehungen aufzubauen und zu halten? Außerdem muss er natürlich ins Team passen. Das zweite maßgebliche Kriterium ist die Bedeutung des zukünftigen Partners für die Strategie der Kanzlei. Dafür muss die Kanzlei aber zunächst eine klare Strategie verfolgen, bevor ein Abgleich erfolgen kann. Wenn es darum geht, diesen Abgleich vorzunehmen, fehlt es häufig an Transparenz bezüglich der Entscheidungsgrundlage und der Vorgehensweise.

"Auf billable hours' kommt es nicht an"

LTO: Wie definieren die Kanzleien die Kompetenz eines Kandidaten? Welche Rolle spielen soziale Kompetenzen? Geht es am Ende nicht doch nur um die berühmten "billable hour"? Aschenbrenner: Nach Aussage der Kanzleien kommt es für die Partnerentscheidung erstaunlicherweise gar nicht auf die Zahl der "billable hours" an. Entscheidend sei vielmehr, ob der Anwalt grundsätzlich in der Lage ist, unternehmerisch zu handeln. Auch Umsatzvolumina sollen nicht ausschlaggebend sein. Viele Kanzleien achten sehr stark darauf, dass sie klassische Rainmaker, also Umsatzbringer, denen jegliche soziale Kompetenz fehlt, nicht in ihren Reihen haben. Bis auf ganz wenige Ausnahmen fehlt es aber – wie gesagt – an konkreten Kriterien. Am ehesten wird noch ausformuliert, dass eine fachliche Weiterentwicklung erkennbar sein muss. In vorbildlichen Kanzleien wird etwa festgelegt, welches Verhalten einer Person einer besonders ausgeprägten etwa fachlichen Weiterentwicklung entspricht. In diesem Zusammenhang spricht man von "Verhaltensankern", welche eine objektive Beurteilung ermöglichen. LTO: Wissen die Associates, welche Kriterien sie erfüllen müssen, um Partner zu werden? Aschenbrenner: Diese Frage könnte man nur dann wirklich beantworten, wenn man auch die betroffenen Associates befragen würde. Wir haben in unserer Studie allerdings nur mit Partnern gesprochen. Aus der Sicht der Partner, die für Personalentscheidungen zuständig sind, sind die Kriterien absolut transparent, was nicht weiter erstaunt. Bei einigen Kanzleien werden die Kriterien aber tatsächlich auch im Intranet aufgeführt oder in Jahresgesprächen kommuniziert.

"Manche Partner halten die Geschäftsplanung für sich"

LTO: Bereiten die Kanzleien Associates auf eine mögliche Partnerschaft und damit auf die Mitbestimmung der Kanzleistrategie vor? Aschenbrenner: Neben internen und externen Weiterbildungen hängt hier auch weiterhin viel vom jeweiligen Partner bzw. Mentor ab. Er entscheidet, ob er den Associate bereits frühzeitig in die eigene Geschäftsplanung einbezieht: Wer sind die Schlüsselmandanten im nächsten Jahr, welchen Umsatz wollen wir erreichen und wie bindet sich dies ein in die Kanzleistrategie. Einige Kanzleien legen hierauf sehr viel Wert und halten ihre Partner dazu an, die Associates frühzeitig einzubinden. Leider gibt es aber wohl auch immer wieder Partner, die ihre Associates wie Hamster halten: Sie nutzen deren Arbeitskraft, ohne sie in die Geschäftsplanung einzubeziehen. LTO: Was geschieht mit denjenigen, welche die Kriterien nicht erfüllen? Gibt es das bekannte "Up or out"-Prinzip vor allem in den Großkanzleien mit internationalem Bezug noch immer? Können die Law Firms sich das in Zeiten der Generation Y noch erlauben? Aschenbrenner: Wenn ein Mitarbeiter mehr einspielt als er kostet, wäre es betriebswirtschaftlich nicht klug, ihn früh ziehen zu lassen obwohl man weiß, dass er nicht Partner wird. Andererseits kann ein solches Handeln aus Verantwortung gegenüber der Person geboten sein. Auch aus diesem Grund wurde die Position des Counsel eingeführt. Diesen Anwälten bietet man einen alternativen Karriereweg in der Kanzlei an. Sie sind äußerst wertvolle Mitarbeiter, haben aber keine Aussicht auf die Position eines Partners.  Es gibt aber auch weiterhin genug Kanzleien, die einen vor die Tür setzen, wenn er die Anforderungen für eine Partnerschaft nicht erfüllt. LTO: Ganz generell: Worauf sollten Kanzleien bei der Auswahl ihrer Partner aus Ihrer Sicht achten? Wo gibt es Verbesserungsbedarf? Aschenbrenner: In einem ersten Schritt müssen die Kompetenzen klar festgelegt sein. In einem zweiten Schritt müssen diese Kompetenzen dann auch konkret gemessen werden können. Allein ein Jahresgespräch kann diesen Anforderungen nicht genügen. Dafür braucht es strukturierte Interviews, Assessmentcenter oder auch Motivations- oder Persönlichkeitstests. Gerade letzteres klammern die Kanzleien bislang komplett aus. Außerdem sollte an der Transparenz des gesamten Partnerwerdungsprozesses gearbeitet werden. Nur dann kann die junge Generation bei der Stange gehalten werden. LTO: Frau Dr. Aschenbrenner, vielen Dank für das Gespräch. Dr. Jo Beatrix Aschenbrenner, LL.M. ist Rechtsanwältin und Mediatorin in Hamburg. Als stellvertretende Direktorin des Bucerius Center on the Legal Profession in Hamburg verantwortet sie als wissenschaftliche Leitung und Autorin die Studie "Partnerwerdung in Kanzleien: Im Spannungsfeld von Transparenz und strategischen Erwägungen". Die Fragen stellte Tobias Kohl.

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