DGH bestätigt Ermahnung

Niederlage für langsam arbeitenden Richter

von Pia LorenzLesedauer: 3 Minuten
Eine Gerichtspräsidentin darf einen Richter mit geringen Erledigungszahlen auffordern, schneller zu arbeiten. Das entschied der Dienstgerichtshof für Richter in Stuttgart am Freitagabend. Vorhalt und Ermahnung verstießen nicht gegen die richterliche Unabhängigkeit. Auch einen unzulässigen Erledigungsdruck auf den Richter, der es nur auf ca. 68 Prozent der Durchschnittsquote brachte, habe es nicht gegeben.

Eine entsprechende Rüge, die auf dem Vergleich der Erledigungszahlen des Richters mit denen seiner Kollegen beruhe, verletze nicht die richterliche Unabhängigkeit, urteilte der Dienstgerichtshof (OLG Stuttgart, Urt. v. 17.04.2015, Az. DGH 1/13; DGH 2/13; DGH 3/13). Der DGH bestätigt damit die Entscheidung der Vorinstanz. Ein langsam arbeitender Jurist hat sich gewehrt, weil er von der Präsidentin des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe wegen verzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte ermahnt worden war. Thomas Schulte-Kellinghaus, der seit 2002 als Richter am Oberlandesgericht Karlsruhe tätig ist, kann noch Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen. Seine Anwältin kündigte bereits an, in Revision zu gehen. Präsidentin Christine Hügel hatte ihrem Kollegen vorgehalten, dass er erheblich hinter den durchschnittlichen Erledigungszahlen zurückgeblieben sei. In dem Vorhalt und einer Ermahnung gemäß § 26 Abs. 2 Deutsches Richtergesetz hieß es, er unterschreite das Durchschnittspensum "ganz erheblich", in manchen Jahren erledige er weniger Fälle als ein Halbtagsrichter. Er habe nur etwa 68 Prozent der Durchschnittsleistung anderer Richter erreicht - 2010 waren es für ihn insgesamt 82 erledigte Fälle. Deswegen sei die Zahl der offenen Verfahren in seinem Bereich um 67 Prozent gestiegen. Das sei "jenseits aller großzügig zu bemessenden Toleranzbereiche". 

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DGH: Ermahnung ist keine Beeinflussung

Schulte-Kellinghaus, der sich gegen die Ermahnung wehrte, sagte, für jeden einzelnen Fall sei ein unterschiedlicher Zeitbedarf notwendig. Er betonte, dass er besonders sorgfältig arbeite. Unstreitig war, dass sein zeitliches Arbeitspensum eher über als unter dem anderer Richter liegt, seine Urteile werden in der Fachpresse häufig abgedruckt. Seiner Präsidentin unterstellte Schulte-Kellinghaus**, dass diese auf seine Rechtsanwendung Einfluss nehmen wolle.  Der DGH teilte diese Auffassung, anders als Berufsverbände, aber auch Stimmen in der Rechtsliteratur, nicht. Durch keine der Maßnahmen habe Hügel versucht, Einfluss auf die Entscheidungen zu nehmen, urteilte der DGH nun. Es sei auch kein unzulässiger Erledigungsdruck aufgebaut worden. Wie schon das Landgericht Karlsruhe als Vorinstanz greifen auch die Richter am OLG auf die Rechtsprechung von Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof (BGH) zurück, welche die von einem voll beschäftigten Richter aufzubringende Arbeitszeit pauschalierend an dem Arbeitserfolg (Durchschnittspensum) vergleichbarer Richter ausrichten. Matthias Grewe vom Verein der Richter und Staatsanwälte in Baden-Württemberg bezeichnete das Verfahren als außergewöhnlich. Die richterliche Unabhängigkeit sei ein hohes Gut. So dürfe ein Vorgesetzter beispielsweise keinen Einfluss auf die Terminierung eines Verfahrens nehmen.

Richterliche Unabhängigkeit bald vor dem BGH

Damit spielt Grewe wohl auf die Entscheidung der Vorinstanz an. Das Richterdienstgericht am LG Karlsruhe hatte Schulte-Kellinghaus' Klagen gegen die Ermahnung und den Vorbehalt zwar ebenfalls weitgehend abgewiesen, ihm aber insoweit Recht gegeben, als OLG-Präsidentin Hügel nicht die Reihenfolge der Verfahrenserledigung hätte beanstanden dürfen (Az. RDG 6/12 u.a.). In der zweiten Instanz war das nicht mehr Gegenstand des Verfahrens.   Die links-liberale Neue Richtervereinigung (NRV), deren Bundesvorstand Antragsteller Schulte-Kellinghaus bis 2011 angehörte, hatte 2012 sogar die Suspendierung der OLG-Präsidentin gefordert. Der Sprecher der Fachgruppe Gewaltenteilung sagte, das OLG Stuttgart habe "nicht nur der Richterschaft, sondern vor allem auch dem Rechtsstaat einen schwarzen Freitag beschert".* Vor dem Termin in der vergangenen Woche hatte Peter Pfennig erklärt, es sei nun Sache der angerufenen Dienstgerichtsbarkeit, "die Dinge wieder gerade zu rücken und der versuchten Einflussnahme, die unabhängige Rechtsprechung von behaupteten Produktivitätsgesichtspunkten abhängig zu machen, einen Riegel vorzuschieben". Bislang ist das eindeutig nicht geschehen. Jetzt wird wohl der BGH entscheiden. Der hält bisher einen Vorhalt für unzulässig, wenn dem Richter indirekt ein Pensum abverlangt wird, das sich allgemein, also auch von anderen Richtern, in sachgerechter Weise nicht mehr erledigen lässt. Wann das der Fall ist, wird das Dienstgericht des Bundes wie stets unter Würdigung sämtliche Umstände des Einzelfalles beurteilen. Mit Materialien von dpa *Absatz ergänzt ca. 10 Minuten nach Veröffentlichung des Textes am 20. April 2015, 16:20 Uhr (pl). ** Name korrigiert von "Schulte-Kellinghoff" in "Schulte-Kellinghaus" am 21. April 2015, 11:45 Uhr (avp).

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