Publikationsdruck und Autorenschaft

Mit falschem Lorbeer

von Hermann HorstkotteLesedauer: 3 Minuten
Ein Habilitand veröffentlicht eine Klausur fürs Staatsexamen irreführend als Aufsatz unter eigenem Namen. Die Sache kam durch einen dummen Zufall ans Licht. Kein Einzelfall im Spannungsfeld von Publikationsdruck, Urheber- und Wissenschaftsrecht.

Dem Anschein nach war es lediglich eine Gefälligkeit für die Fachzeitschrift JuS, aber doch mit ungeahnten Folgen: Ein Nachwuchstalent im juristischen Wissenschaftsbetrieb präsentierte in der Juni-Ausgabe eine Examensklausur, die vor rund zwei Jahren in mindestens vier Bundesländern für die Erste Juristische Staatsprüfung gestellt worden war. Die Veröffentlichung war zugleich Werbung für einen "Examensworkshop" mit einer Wirtschaftskanzlei im August. Das Event findet jetzt ohne Beteiligung des Autors statt, auch hat er den Aufsatz inzwischen aus seinem Schriftenverzeichnis gelöscht. Denn in Wirklichkeit haben Bochumer Fachkollegen, Professor Jacob Joussen und sein Assistent Tim Husemann "die fragliche Klausur auf Bitten des Justizprüfungsamts Hamm erstellt", wie dessen Sprecher auf Anfrage erklärt. Der Aufsatz in der JuS steuert noch ein paar Umformulierungen und aktualisierte Verständnishilfen bei. Die Zeitschrift bringt im nächsten Heft Ende dieses Monats einen Korrekturvermerk hinsichtlich der Autorenschaft. Weiterhin befasst sich jetzt der "Ombudsman für Verdachtsfälle wissenschaftlichen Fehlverhaltens" an der Uni des Habilitanden mit der Affäre.

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Versehentlich die "falsche" Klausur eingeschickt…

Die Geschichte verlief natürlich anders als gedacht: Der JuS-Autor war davon ausgegangen, dass die Klausur von seinem Lehrstuhlinhaber stamme und hatte dessen Einverständnis für eine annähernd identische Zweitverwertung eingeholt. Institutsinterne Absprachen dieser Art kommen offenbar nicht selten vor. In seinem Klassiker "Das Wissenschaftsplagiat" (2010) gibt der Münchener Jura-Professor Volker Rieble Beispiele für mancherlei "einvernehmliche Doppelproduktion". Wenn's gut geht (etwa mit pauschaler Danksagung für teilweise "Mitarbeit"), ist das eine Win-Win-Strategie für Lehrer und Schüler. Im konkreten Fall wäre ein Doppelschlag umso weniger aufgefallen, als Examensklausuren stets anonym gestellt werden und auch nicht unbedingt nur von fertigen Hochschullehrern. Die Justizprüfungsämter, also auch jenes in Hamm, stellen die Aufgaben nachher allen Unis für Übungszwecke zur Verfügung. Nach einer Sperrfrist von etwa zwei Jahren können die Erstautoren ihre - aber eben nur ihre - Arbeit nach Belieben publizieren. Durch eine dumme Verwechslung reichte der Autor bei der JuS jedoch eine Klausur ein, die gar nicht von seinem Lehrstuhlinhaber und akademischen Mentor, sondern von einem Kollegen aus Bochum stammte. Alles halb so wild, sagen die einen: Die Klausuraufgaben seien bloße "Ausbildungsliteratur" und mit einem richtigen wissenschaftlichen Aufsatz doch überhaupt nicht zu vergleichen. Die anderen geben zu bedenken, dass Klausurvorschläge zur heute viel beschworenen "Rechtsdidaktik" zählen und gerade Nachwuchskräfte damit ihre fachliche Breite demonstrieren können. Vom Gesichtspunkt des Urheberrechts ist es nicht unbedingt zu beanstanden, wenn jemand nach einer entsprechenden Abrede mit dem eigentlichen Autoren dessen wissenschaftlichen Text in einer Fachzeitschrift als den eigenen ausgibt. Das hatte schon vor einigen Jahren ein renommierter Wirtschaftsprüfer und nebenamtlicher Honorarprofessor der Uni Frankfurt erlaubterweise getan, wie das dortige Oberlandesgericht entschied (Urt. v. 01.09.2009, Az. 11 U 51 /08). Es wies damit eine Unterlassungsklage des wahren Autors aus dem Forschungsteam der Kanzlei ab.

…aber auch die "richtige" wäre die falsche gewesen

Gleichzeitig stellten die Richter aber klar, dass eine fiktive Autorenschaft "mit Blick auf die beruflich eminent wichtige Ehre als Wissenschaftler" je nachdem auch "sittenwidrig" sein könne – und zwar insbesondere im Miteinander von vollberuflichen Professoren und ihren wissenschaftlichen Mitarbeitern. Das unterstrich seinerzeit auch ein Sprecher der Frankfurter Universität. Anders als die urheberrechtliche Frage scheint die Beurteilung nach dem erstarkenden Wissenschaftsrecht in der Autorenfrage allerdings eindeutig. So verlangen die bundesweit verbindlichen "Vorschläge zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis" bei der Autorenschaft "strikte Ehrlichkeit". Entsprechend rügte die Darmstädter Unileitung vor ein paar Jahren einen Rechtsprofessor, weil er einen Kommentar von einem Assistenten buchstäblich als sein eigenes Werk verkauft hatte. Im Fall der JuS-Einsendung war offenbar der umgekehrte Rollentausch verabredet, auch wenn dies durch die irrtümlich eingesandte Klausur im Ergebnis keine Rolle spielt. Ein Fehler verursacht schnell den nächsten. So stellt etwa das JPA Hamm seine Klausurthemen den Hochschulen ausschließlich "für nicht kommerzielle Zwecke" zur Verfügung. Davon bleiben die späteren Publikationsrechte der Erst-Autoren zwar unberührt. Wenn aber ein Dritter die Aufgabe und Lösung auf eigene Faust in einer Zeitschrift veröffentlicht, dient er damit unweigerlich (auch) kommerziellen Zwecken. Im konkreten Fall haben sich alle Beteiligten auf einen Korrekturvermerk geeinigt, wonach die gestellte Klausur im Zeitschriftenaufsatz "verarbeitet" worden sei. Das klingt nach dem Eindruck kundiger Rechtslehrer vage - und ist vielleicht gerade damit ganz charakteristisch für einen Graubereich im akademischen Wettbewerb.

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