Der Job als Insolvenzverwalter

"Not­arzt für Unter­nehmen"

von Dr. Franziska KringLesedauer: 6 Minuten

Bei Unternehmen in der Krise ist die Insolvenz oft der einzige Ausweg. Insolvenzverwalter versuchen, zumindest Teilbereiche der Unternehmen zu retten. So können sich Betriebe neu aufstellen – und Arbeitsplätze bleiben erhalten.

Im ersten Quartal des Jahres 2021 meldeten 3.762 Unternehmen Insolvenz an – das sind nach Angaben des Statistischen Bundesamtes knapp 20 Prozent weniger Unternehmensinsolvenzen als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Allerdings war mit dem Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetz im März 2020 die Insolvenzantragspflicht für die Unternehmen ausgesetzt worden, welche nur deshalb in Schieflage geraten waren, weil die beantragten Corona-Soforthilfen nicht rechtzeitig ankamen.

Diese Sonderregelung lief zum 30. April 2021 aus. Experten wie Stefan Meyer, Managing Partner der auf Insolvenz- und Restrukturierungsberatung spezialisierten Kanzlei PLUTA, rechnen jedoch nicht mit einer Insolvenzwelle im zweiten Halbjahr 2021: "Eine große Insolvenzwelle wird seit Jahren herbeigeredet, ist aber bisher ausgeblieben. Die staatlichen Unterstützungsleistungen während der Corona-Pandemie verdecken strukturelle Probleme bei Unternehmen. Viele werden gleichwohl Insolvenz anmelden müssen, nachdem die Liquiditätshilfen verbraucht sind – das kann aber auch in zwei oder drei Jahren sein. Zu häufig fehlt die erforderliche unternehmerische Weitsicht, sich den erkennbaren Problemen früh genug zu stellen", so Meyer.

Das Insolvenzgericht eröffnet nach §§ 17 ff. der Insolvenzordnung (InsO) das Insolvenzverfahren bei Zahlungsunfähigkeit, drohender Zahlungsunfähigkeit auf Antrag des Schuldners und bei juristischen Personen auch bei Überschuldung.

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"Wettlauf der Gläubiger" verhindern

Spätestens mit der Eröffnungsentscheidung durch das Insolvenzgericht kommt der Insolvenzverwalter ins Spiel.

Im Vorfeld kann das Gericht einen sogenannten vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen. Nach dem Insolvenzantrag des Schuldners und vor dem eigentlichen Verfahren droht häufig ein "Wettlauf der Gläubiger": Wenn sie von der drohenden Pleite erfahren, versuchen viele Gläubiger, noch schnell ihre Forderungen durchzusetzen – und schmälern so die Insolvenzmasse. Das soll der vorläufige Insolvenzverwalter verhindern.

Wenn das Gericht das Insolvenzverfahren eröffnet, ernennt es gleichzeitig einen Insolvenzverwalter, der den vorläufigen ablöst – in der Regel ist es aber die gleiche Person.

Welche Vermögenswerte sind überhaupt da – und welche Verbindlichkeiten bestehen?

Der Insolvenzverwalter muss retten, was zu retten ist und die Gläubiger befriedigen: "Wir sind eine Art Notarzt für Unternehmen", sagt Dr. Sven-Holger Undritz, Leiter der deutschen Restrukturierungs- und Insolvenzpraxis von White & Case.

Dafür muss man erstmal eine Bilanz ziehen, was da ist und welche Verbindlichkeiten bestehen. Der Insolvenzverwalter ermittelt dazu die Insolvenzmasse. Darunter fällt nach § 35 Abs. 1 InsO das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Betriebswirtschaftliche Kenntnisse sind für einen Insolvenzverwalter deshalb unabdingbar.

So kommt beispielsweise Bettina Breitenbücher, Geschäftsführerin der auf Restrukturierung, Sanierung und Insolvenzverwaltung spezialisierten Kanzlei Breitenbücher, aus einer Unternehmerfamilie. Im schwäbischen Familienbetrieb gab es Markisen und Sonnenschutz aller Art – dort half sie schon als Jugendliche im kaufmännischen Bereich aus. Außerdem hat sie eine eigene Kanzlei und war viele Jahre geschäftsführende Partnerin der Kanzlei Kübler mit 250 Mitarbeitenden. Breitenbücher kennt deshalb die Sicht des Unternehmers: "Wenn man selbst Unternehmerin ist, weiß man, wie ein Unternehmen funktioniert. Ich bewege mich mit den Inhabern auf Augenhöhe. Das hilft mir bei meiner täglichen Arbeit", sagt Breitenbücher.

Rangfolge der Gläubiger

Neben der Bilanz erstellt der Insolvenzverwalter ein Verzeichnis aller Gläubiger und führt auf, in welcher Reihenfolge sie befriedigt werden müssen.

Eine Sonderstellung nehmen die absonderungsberechtigten Gläubiger ein, die ein Absonderungsrecht an einem Gegenstand der Insolvenzmasse haben, also zum Beispiel Sicherungseigentümer eines Fahrzeugs sind. Der Insolvenzverwalter befriedigt diese Gläubiger vorab aus dem Verwertungserlös des Gegenstands.

Da die Verfügungsbefugnis über das schuldnerische Vermögen auf ihn übergeht, verwaltet er auch die Insolvenzmasse und teilt sie unter den Gläubigern auf. Er hat ein Wahlrecht, ob er bisher nicht vollständig erfüllte, gegenseitige Verträge noch erfüllt oder dies ablehnt.

"Zuschließen kann jeder, fortführen ist die Kunst"

Bei Unternehmen muss der Insolvenzverwalter unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten entscheiden, ob er das Unternehmen fortführt oder liquidiert.

"Ein wichtiger Teil unserer Arbeit ist es, die erhaltenswerten Geschäftsbereiche eines Unternehmens zu erhalten und nach Restrukturierungsmöglichkeiten zu suchen. Die Sanierung bzw. Restrukturierung führt in der Regel auch zur bestmöglichen Befriedigung der Gläubiger. Die Unternehmen können sich neu aufstellen – und Arbeitsplätze bleiben erhalten", sagt Meyer. Auch Breitenbücher versucht, zumindest Teilbereiche der Unternehmen zu retten: "Zuschließen kann jeder, fortführen ist die Kunst", sagt sie.

Bei manchen Betrieben kommt eine Sanierung jedoch nicht mehr in Betracht.

"Insolvenzverwalter müssen Teamplayer sein"

Häufig geht es um komplexe Vertragsgestaltungen, die verschiedene Rechtsgebiete betreffen. Insbesondere stellen sich gesellschaftsrechtliche, prozessrechtliche, kartellrechtliche und steuerrechtliche Probleme.

Der Insolvenzverwalter muss nicht alle Bereiche selbst abdecken, sondern die Probleme erkennen und die Prozesse koordinieren. "Wir sind Experten im Insolvenz- und Sanierungsrecht, aber können nicht gleichzeitig vertiefte Kenntnisse in allen anderen Rechtsgebieten wie z.B. im Bau-, Energie- im Straf- oder Vergaberecht haben. Wir müssen vielmehr die Probleme erkennen können und mit einem Team motivierter und hochqualifizierter eigener Mitarbeiter und einem spezialisierten Netzwerk jeweils eine sachgerechte Lösung finden. Insolvenzverwalter müssen deshalb immer auch gute Teamplayer sein", sagt Meyer.

Dabei kommt man nicht nur mit zahlreichen Rechtsgebieten, sondern auch mit verschiedenen Menschen aus unterschiedlichen Branchen in Berührung. "Ich habe unter anderem schon große Raffinerien, Reifenhändler, Autohäuser und Ärzte begleitet. Die Vielseitigkeit meines Berufs schätze ich sehr", so Breitenbücher.

Dabei geht es mitunter auch um persönliche Schicksale. Ein Insolvenzverwalter muss deshalb verständnisvoll und vor allem empathisch sein. "Viele Menschen würden ihre Lebensversicherung auflösen und ihr ganzes Geld in den Betrieb investieren, damit es weitergeht. Damit muss man umgehen können und Verständnis aufbringen", sagt sie.

Vergütung richtet sich nach Insolvenzmasse

Die insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung (InsVV) legt die Vergütung gesetzlich fest. Nach § 1 InsVV richtet sich die Vergütung nach der Insolvenzmasse. § 2 InsVV legt genaue Regelsätze fest: Von den ersten 35.000 Euro der Insolvenzmasse erhält ein Insolvenzverwalter in der Regel 40 Prozent. Für alle darüberhinausgehenden Beträge sind die prozentualen Anteile, die der Insolvenzverwalter von der Insolvenzmasse erhält, jeweils staffelweise festgeschrieben: Von dem Mehrbetrag bis zu 70.000 Euro bekommt er 26 Prozent, von dem Betrag bis zu 350.000 Euro 7,5 Prozent usw.

Bei einer Insolvenzmasse in Höhe von 500.000 Euro gibt es also eine Regelvergütung in Höhe von 46.470 Euro plus eventueller Zuschläge und abzüglich möglicher Abschläge. Zuschläge gibt es nach § 3 Abs. 1 d) InsVV etwa, wenn eine Betriebsfortführung überdurchschnittlich anspruchsvoll und arbeitsintensiv war oder arbeitsrechtliche Fragen zum Beispiel in Bezug auf das Insolvenzgeld oder den Kündigungsschutz den Verwalter und sein Team erheblich in Anspruch genommen haben.

Ist der Insolvenzverwalter gleichzeitig Rechtsanwalt, kann er für Tätigkeiten, für die ein nicht als Rechtsanwalt zugelassener Verwalter einen Rechtsanwalt beauftragt hätte, nach Maßgabe des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes Gebühren und Auslagen gesondert aus der Insolvenzmasse entnehmen. Neben der Vergütung bekommt der Verwalter wahlweise entweder die tatsächlich entstandenen Auslagen ersetzt oder einen Pauschalbetrag.

Der vorläufige Insolvenzverwalter erhält eine separate Vergütung – auch wenn es die gleiche Person ist wie der endgültige Verwalter.

Begleitung vom Anfang bis zum Ende des Insolvenzverfahrens

Der Insolvenzverwalter begleitet das gesamte Verfahren von Anfang bis Ende – in komplexen Verfahren kann das Jahre dauern, erzählt Undritz.

Das Verfahren, das ihm am meisten in Erinnerung geblieben sei, sei das Verfahren über die Insolvenz des Möbelherstellers Schieder. "Die Schieder-Gruppe war ein weit verzweigter, internationaler Konzern mit weltweiten Produktionskapazitäten. Es begann im Jahre 2007 und ist zum Teil jetzt immer noch nicht abgeschlossen. Für jede Konzerngesellschaft gab es ein Verfahren", so Undritz. Einzelne Konzerngesellschaften befänden sich jetzt in der finalen Abwicklungsphase. "Die gesamte Abwicklung und die Prozesse, die man führen muss, das war ein in jeder Hinsicht forderndes, aber buntes und bereicherndes Abenteuer", so Undritz.

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