Justizwachtmeister

Sicherheitsgaranten in Grün

von Simon PakeLesedauer: 5 Minuten
Für eine Karriere bei Gericht muss es nicht immer ein Jurastudium sein. Justizwachtmeister kann man schon mit einem Hauptschulabschluss werden. Einlasskontrolle, Sitzungsdienst und die Vorführung von Häftlingen gehören zu seinen Aufgaben. Simon Pake hat die Männer und Frauen, die Richtern und Anwälten den Rücken frei halten, einen Tag lang begleitet.

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Morgens um 7 Uhr ist Dienstantritt für Torsten Merten und seine Kollegen am Landgericht Köln. Sie tragen Pullover oder Hemden im typischen Polizeigrün, nur dass unter dem NRW-Wappen auf ihrer Schulter "Justiz" steht. Manche haben schon einen Einsatzgürtel mit Handfesseln, Schlagstock, Funkgerät und Handschuhen daran umgeschnallt. Schusswaffen haben sie nicht. Sie werden sich gleich an den drei Eingangsschleusen des Amts- und Landgerichts an der Luxemburger Straße in Köln-Sülz postieren. Dann sind sie für die Einlasskontrollen zuständig, ganz ähnlich denen an einem Flughafen. Jeder Besucher, der sich nicht als Mitarbeiter oder Rechtsanwalt ausweisen kann, muss durch den Metalldetektor und seine Tasche durchleuchten lassen. "Man glaubt gar nicht, was die Leute alles ganz selbstverständlich mit ins Gericht bringen", erzählt Torsten Merten. Der Hauptwachtmeister ist stellvertretenden Koordinator der Wachtmeisterei. Er kümmert sich darum, wo seine Kollegen eingesetzt werden, und springt ein, wenn irgendwo Not am Mann ist. Messer, Schlagringe und Patronen sind an der Schleuse keine Seltenheit. Sind die Gegenstände nicht illegal, können die Besitzer sie beim Verlassen des Gerichts wieder abholen. Auch Polizisten müssen ihre Dienstwaffen in der Regel an der Schleuse abgeben. Nur wenige Menschen gehen routiniert durch die Sicherheitsschleuse. Torsten Merten erinnert sich an so manche kuriose Begebenheit am Metalldetektor. Ein Hund fuhr schon in einer Tasche durch das Röntgengerät. Dass eine Mutter ihr Baby in der Tasche hindurch schickte, konnte ein Wachtmeister noch so gerade verhindern. Zuweilen werde bei der Frage nach metallischen Gegenständen auch das Gebiss vorgezeigt. Diese eher lustigen Geschichten sollten aber nicht über den ernsten Hintergrund der Kontrollen hinwegtäuschen. Erst Anfang des Jahres wurde ein 31-jähriger Staatsanwalt in Dachau vom Angeklagten erschossen. Es gab keine Einlasskontrollen. Vor wenigen Tagen hat die Staatsanwaltschaft Anklage wegen Mordes erhoben. In Bayern wird in Gerichten seitdem schärfer kontrolliert. Schon seit 1995 gibt es die Kontrollen am Amts- und Landgericht Köln. Grund war damals ein Bombenattentat im Amtsgericht Euskirchen, bei dem sieben Menschen getötet und sechs zum Teil schwer verletzt wurden. In NRW wurden seitdem flächendeckende Einlasskontrollen eingeführt. Bei besonders heiklen Prozessen können sogar noch zusätzliche Kontrollstellen vor dem Gerichtssaal eingerichtet werden. Die Eingangsschleuse ist der Ort, an dem jeder mit den Wachtmeistern in Berührung kommt, sie sind allerdings noch in vielen weiteren Bereichen bei Gericht tätig. In der Hauptverhandlung vor den Strafkammern des Landgerichts übernehmen sie den so genannten Sitzungsdienst. Ein Wachtmeister ist dann für die Sicherheit und Ordnung im Saal zuständig. Wenn nötig, sind sie auch dazu berechtigt, Gewalt auszuüben. Geregelt sind diese  hoheitlichen Befugnisse in NRW in der Dienstordnung für den Justizwachtmeisterdienst.

Ein kleines Gefängnis im Landgericht

Aus dem Untergeschoß des Justizzentrums führen für die Öffentlichkeit unzugängliche Gänge von der Vorführstelle direkt zu den Gerichtssälen. Die Vorführstelle ist eine Art kleines Gefängnis. 50 gekachelte Zellen mit je einer Holzpritsche und einer Toilette befinden sich hier. 25 dienen für den Jugendarrest. Die andere Hälfte ist für Gefangene vorgesehen, die einen Gerichtstermin haben. Sie werden morgens aus der Justizvollzugsanstalt mit dem Bus angeliefert und nach ihrem Termin wieder abgeholt. In der Zwischenzeit sind immer mindestens 20 Wachtmeister für die Bewachung zuständig. Die Häftlinge warten in ihren Zellen, bis sie vom Gericht aufgerufen werden, um dann nach oben gebracht zu werden. "Wenn es geht, versuchen wir im Gerichtssaal auf Fesselungen zu verzichten, denn auch Häftlinge haben ein Recht darauf, dass sie so menschenwürdig wie möglich behandelt werden", sagt Merten. Dauert es mal länger, gibt es auch Mittagessen in der Vorführstelle. Im Schnitt kommen pro Tag 20 Vorführungen auf die Männer und Frauen in Grün zu. An Spitzentagen kann sich die Zahl auch schon mal verdoppeln. Da jeder Angeklagte von einem Wachtmeister begleitet wird, kann es bei insgesamt 60 Wachtmeistern am Landgericht und 40 am Amtsgericht zu personellen Engpässen kommen, sodass Hilfe von anderen Gerichten angefordert werden muss. Weniger spektakulär, aber dafür nicht weniger wichtig, ist ein weiteres Aufgabenfeld der Justizwachtmeister. In der Poststelle kümmern sie sich um den gesamten Post- und Aktenverkehr des Gerichts. Jeden Tag kommen hier hunderte Schriftstücke an, die an die richtigen Stellen verteilt werden müssen.

Die Letzten im einfachen Dienst

"Wir betreuen außerdem das Archiv und sind nachmittags für die Informationsstelle zuständig", erklärt Torsten Merten. Eigentlich Tätigkeiten, die Beamte im mittleren Dienst vornehmen müssten. Die Justizwachtmeister gehören aber dem einfachen Dienst an. Als eine der letzten Berufsgruppen. "Wir sind eine sehr kleine Berufsgruppe, darum sind wir früher immer ein bisschen vernachlässigt worden", so Merten. Inzwischen ändere sich das aber. Das Eingangsamt wurde in NRW von A3 auf A4 angehoben. Das heißt, dass ein Justizwachtmeister zu Beginn knapp über 1700 Euro brutto verdient.  Die Ausbildung dauert sechs bis zwölf Monate. Da die Justizverwaltung Ländersache ist, ist sie in jedem Bundesland unterschiedlich geregelt. Teilweise reicht der Hauptschulabschluss, teilweise wird – wie auch in NRW – eine abgeschlossene Berufsausbildung gefordert. Bevor die Ausbildung beginnt, muss jeder, der beamteter Wachtmeister werden will, eine Zeit als angestellter Justizhelfer verbringen. "In dieser Zeit sollen sie Praxis sammeln und sich bewähren", erklärt Merten. Danach geht es zu einem Lehrgang bei einer Justizschule. In NRW ist das das Ausbildungszentrum der Justiz in Monschau. Bei einem zweimonatigen Lehrgang lernen die angehenden Wachtmeister unter anderem etwas über Verfassungs-, Zustellungs- und Waffenrecht. Aber auch Verteidigungstechniken und Erste Hilfe. Gegebenenfalls folgt dann noch ein vierwöchiger Abschnitt in einer Justizvollzugsanstalt. Dann geht es zurück zum Gericht, wo die Tage auch mal lang werden können. Für Torsten Merten und seine Kollegen gibt es eigentlich keine richtigen Feierabendzeiten. Meist enden die Verhandlungen spätestens zwischen 16 und 17 Uhr. Sein längster Tag ging aber schon bis 21.30 Uhr. Solange noch Publikum im Gericht ist, sind es die Wachtmeister auch. Merten hat sich daran gewöhnt, schmunzelnd sagt er: "Richter sind nun mal unabhängig und das sind sie auch in der Gestaltung ihrer Arbeitszeit."

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