Gehaltsanpassung bei Low Performance

Keine Leis­tung, keine Bezah­lung?

von Dr. Till Hoffmann-RemyLesedauer: 5 Minuten

Tatsächliche oder vermeintliche "Low Performer" erhalten oft die gleiche Vergütung wie ihre Kollegen. Ob der Arbeitgeber diese einseitig ändern kann und warum sich eine sorgfältige Vergütungsgestaltung lohnt, erläutert Till Hoffmann-Remy.

Bei Gruppen von Arbeitnehmern sind bestimmte Leistungsspannen ganz natürlich. Das gilt in der Beratungsbranche genauso wie überall sonst: Eine Mitarbeiterin am Empfang ist im Umgang mit Mandanten oder Kunden geschickter als ihre Kollegen. Ein Assistent übersetzt Texte mit weniger Fehlern ins Englische. Und auch vor Rechtsanwälten oder anderen Beratern macht diese Diagnose nicht Halt: ein Anwalt mag etwa akquisestärker oder dogmatisch kenntnisreicher sein als andere Kollegen, er besitzt Stärken in der Führung von Teams oder der Projektsteuerung.

Wenn es aber nicht mehr um übliche Abweichungen geht, sondern Leistungen in ganz besonderer Weise unterhalb des Erwartungshorizontes liegen, stellt sich die Frage: Kann der Arbeitgeber handeln, und wenn ja, wie?

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"Low Performance" = "Low Performance"?

Diese Frage wird häufig verengt auf die Frage: "Kann ich kündigen?". Das Ergebnis "schlechte Arbeitsleistungen" kann vielfältige Gründe haben – angefangen bei unzureichender Ausstattung des Arbeitsplatzes über ungenügende Schulung bis hin zu schlechter Mitarbeiterführung. Genauso gut kann aber auch die (fehlende) Eignung des Mitarbeiters ein Grund sein, seine Faulheit oder sein Unwille, Leistung zu erbringen. Jeder Fall ist anders; pauschale Betrachtungen verbieten sich. Im Vorfeld jeder Reaktion wird der gut beratene Arbeitgeber daher Ursachenforschung betreiben.

Zur Wahrheit gehört aber auch: Es gibt mehr als genug Fälle, in denen sich die Betrachtung auf die Person oder das Verhalten des Mitarbeiters verengt, und keine anderen Gründe für die Low Performance ersichtlich sind. Auch dann bleibt die Kündigung jedoch immer noch nur das letzte Mittel. Weniger einschneidend kann eine leistungsgerechte Anpassung der Vergütung sein. Hierfür gibt es mehrere Ansätze.

Der Arbeitgeber kann von vorneherein ein Vergütungssystem schaffen, das Leistung stark gewichtet, schwankende Leistungsbreiten bereits voraussieht und entsprechend unterschiedliche Vergütung für unterschiedlich leistungsstarke Mitarbeiter bietet. Die Kehrseite sind  im Fall von Leistungsdefiziten entsprechende Kürzungsmöglichkeit

Ansätze zur Vergütungsreduzierung

In der Praxis häufiger ist aber ein anderes Szenario: Die Vergütung folgt noch einer hergebrachten Struktur mit großer Fixkomponente und wird Monat für Monat vorbehaltlos gewährt. Dann stellt sich die Frage, ob und wie der Arbeitgeber dennoch die Vergütung anpassen kann, um ein angemessenes Verhältnis von (reduzierter) Leistung und Vergütung wiederherzustellen.

Die insbesondere im Produktionsbereich etablierte Form der Anknüpfung von Vergütung an die Arbeitsleistung ist die des Akkord- oder Prämienlohns. Hier werden Arbeitnehmer, die mehr als eine arbeitswissenschaftlich definierte „Normalleistung“ erbringen, höher vergütet. Das System stößt jedoch dort an seine Grenzen, wo eine Normalleistung nicht messbar ist, insbesondere bei unterstützenden Tätigkeiten wie etwa Assistenzen, Wissensmanagement, Research oder Business Development.

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Vorbehalte bei der Vergütungsgewährung

Im Übrigen kann Vergütung in gewissen Grenzen freiwillig oder widerruflich ausgestaltet werden. Freiwillige Jahressonderprämien etwa kann der Arbeitgeber mit Wirkung für die Zukunft einstellen. Nur unter Widerrufsvorbehalt gewährte Sonderzahlungen können, sofern sie nicht mehr als ca. 25-31 Prozent des Entgeltes ausmachen, ebenfalls gestoppt werden (Bundesarbeitsgericht (BAG), Urt. v. 13.05.1987, Az. 5 AZR 125/86). Voraussetzung ist  in beiden Fällen aber ein wirksam vereinbarter Vorbehalt, der regelmäßig den Anforderungen des AGB-Rechts genügen muss.

Problematisch ist  häufig die Transparenz solcher Regelungen. Insbesondere muss klar sein, in welcher Situation welcher Teil des Entgeltes nicht mehr gezahlt werden soll. Bloße Schlagworte (wie etwa Low Performance) genügen nicht.

Derartige Begriffe müssen zumindest durch Beispiele soweit konkretisiert werden, dass der Arbeitnehmer erkennen kann, was Sache ist. Gerade bei Fällen der unzureichenden Arbeitsleistung ist es schwierig, sauber zu definieren, ab welchem Grad der Schlecht- oder Minderleistung eine Vergütungskürzung greifen soll.

Leistungsgerechte Bonussysteme

Wesentliche praktische Bedeutung hat die Ausgestaltung von Bonussystemen im Unternehmen. Über die Jahre hat hier ein signifikanter Wandel stattgefunden: Statt einer Anknüpfung an individuelle und kurzfristige Zielerreichung des Arbeitnehmers (z.B. Steigerung der Mandanten-/Kundenzufriedenheit, Neuakquise von Kunden oder Verbreiterung des Geschäfts im Rahmen bestehender Vertragsbeziehungen) sind auch unter dem Eindruck der Finanzkrise längerfristige und stärker unternehmensbezogene Modelle zum Standard geworden.

Angeknüpft wird nunmehr an die Ziele übergeordneter Organisationseinheiten (z.B. Teamziele), um individuelle Leistungsschwankungen mit aufzufangen. Soweit nach wie vor individuelle Ziele existieren, können die „Idealleistungsbereiche“ durch nichtlineare Belohnungskurven, Ober- oder Untergrenzen sowie Rationalisierungsfaktoren prämiert werden.

Praktische Probleme in diesem Zusammenhang resultieren regelmäßig aus dem kollidierenden Wunsch nach langfristiger Bindung bei größtmöglicher Flexibilität und der etablierten Rechtsprechung des BAG zu (auch) leistungsbezogener variabler Vergütung.

Virtualisierung und "on the spot"-Boni

Viele Unternehmen sind daher dazu übergegangen, ihre variablen Vergütungssysteme zu virtualisieren und ihren Mitarbeitern nur virtuelle "Credits", "Shadow Units" o.Ä. zu gewähren, die für sich selbst betrachtet noch keinen Vergütungsgegenwert haben, sondern erst nach Ablauf bestimmter Fristen nach einer dann zu bestimmenden Formel in reale Vergütung umgewandelt werden. Solche Modelle finden sich auch häufig in der Rechts- und Wirtschaftsberatung.

Ein wiederum anderer Ansatz ist es, klassische Boni komplett zu den Akten zu legen und stattdessen "on the spot" besondere Arbeitsleistungen, Verbesserungsvorschläge oder unternehmerisches Denken nach ihrem Ermessen mit einer einmaligen Sonderzahlung geringeren Umfanges zu belohnen.

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3/3: Schadenersatzforderungen gegenüber dem Arbeitnehmer?

Wo das Vergütungssystem keine Kürzungsmöglichkeit vorsieht, ist der Arbeitgeber auf die üblichen arbeitsrechtlichen Mittel angewiesen.

Der Arbeitgeber kann prüfen, ob eine Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen gegen den Arbeitnehmer sinnvoll ist, wenn dieser seine Leistung nicht in adäquater Weise erbringt. Der praktische Anwendungsbereich erstreckt sich z.B. auf Mehrkosten für erforderliche Nacharbeiten oder aufgrund von individuellen Leistungsdefiziten eines Mitarbeiters verlorengegangene Kundenbeziehungen. Zumeist wird man mit einer solchen Aufrechnung aber, wenn überhaupt, nur anteilig den Schaden ausgleichen können.

Der Arbeitgeber muss überhaupt in der Lage sein, einen schuldhaften Pflichtenverstoß und daraus folgenden Schaden darzulegen. Das mag einfach sein, wenn erboste Kunden sich über einen bestimmten Mitarbeiter beschweren und deshalb die Geschäftsbeziehung aufkündigen. In allen anderen Fällen sind die Zusammenhänge komplexer. Auch erschweren Pfändungsfreigrenzen sowie die arbeitsrechtlichen Grundsätze zur Haftungsprivilegierung häufig eine Aufrechnung.

Änderungskündigung zur Entgeltsenkung

Damit verbleibt häufig nur die Möglichkeit, einseitig im Wege der Änderungskündigung vorzugehen. Wo tarifliche Regelungen dies nicht sperren, kann der Arbeitnehmer so auf eine andere, geringer vergütete Position umgesetzt werden oder zumindest seine Vergütung leistungsgerecht angepasst werden. Das BAG äußert sich nur sparsam zu Vergütungskürzungen als "milderes Mittel" zu einer Beendigung.

Es hat allerdings klargestellt: Bevor eine solche Kündigung gegenüber einem "Low Performer" ausgesprochen werden kann, müsse geprüft werden, ob eine Beschäftigung zu geänderten Vertragsbedingungen,: "u.U." auch "eine Vergütungsreduzierung", in Betracht kommt (BAG, Urt. v. 11.12.2003, Az. 2 AZR 667/02). Greift der Arbeitgeber zu diesem Mittel, muss er seinen Eingriff auf das erforderliche Maß beschränken. Vorranging dürften leistungsbezogene Vergütungsbestandteile abzuändern sein; in letzter Konsequenz ist aber auch der Grundlohn nicht änderungsfest.

Der Autor Dr. Till Hoffmann-Remy ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht im Frankfurter Büro der Kanzlei Kliemt & Vollstädt, einer der führenden auf Arbeitsrecht spezialisierten Kanzleien in Deutschland. Er berät Unternehmen bundesweit in arbeitsrechtlichen Fragen insbesondere im Rahmen von Umstrukturierungen.

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