Schwerpunkt Mandanten-Akquise

"Vom ersten Tag der Zulas­sung ratlos"

von Markus HartungLesedauer: 4 Minuten
Kundengewinnung ist in vielen Kanzleien immer noch Glückssache. Das wird sich bald kein Anwalt mehr leisten können, sagen Johanna Busmann und Ilona Cosack. Die LTO sprach mit den beiden Autorinnen über ihre Bücher zum Thema, die Ende November erscheinen. Im zweiten Teil der Interview-Reihe: Johanna Busmann über "Chefsache Mandantenakquisition".

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LTO: Frau Busmann, Sie sind seit Jahren in deutschen Kanzleien als Trainerin unterwegs – warum jetzt dieses Buch? Was bedeutet der Titel? Busmann: Anwälte werden in Deutschland nicht zu Unternehmern, nicht einmal zu Beratern, sondern zu Rechtstechnikern ausgebildet. Vom ersten Tag ihrer Zulassung an sind sie in allen Kanzleigrößen ratlos, wie sie Kunden gewinnen, halten und zu Multiplikatoren machen können. Für den Rechtsberater ist Akquise von Glück, Zufall oder Tagesform abhängig, für den Unternehmer von einer Marktstrategie. Ein Grund für das Buch ist also, Anwälten Handwerkszeug zu geben, mit dem sie versuchen können, wie Unternehmer tätig zu sein. Und der Titel: Eine Strategie wird vom "Chef" bzw. von der Partnerrunde vorgegeben und von allen bedient, bis hin zur Assistentin. Eine durchdachte Akquise-Strategie ist also "Chefsache" und führt zu einer langfristigen Positionierung am Markt. Kurzfristiger Aktionismus, Einzelaktionen und  zielloses Stochern im dunklen Teich verhindern sie eher.  Durch diese Überlegung kam der Titel zustande. LTO: Was bietet das Buch den Kanzleien? Busmann: Das Buch ist der Gegenentwurf zu wohlmeinenden "Man-sollte-mal"–Marketing-Ratgebern. Es bietet konkrete, detailreiche und vor allem vielfach erprobte Anleitungen zur direkten und indirekten Optimierung von Kundengewinnung und -bindung. Direkt heißt: der Mandant ist bereits anwesend. Indirekt heißt: der Mandant ist noch nicht anwesend.

Wer sich zum Beispiel für die Ausweitung derzeitiger Mandate interessiert, erfährt im Kapitel "Cross-selling", wie das geht. Er liest dort Tipps aus allen Kanzleigrößen und muss nur nachmachen, was zu seiner Kanzlei und seinen Zielen passt. Anwälte haben Kanzleimarketing, Kompetenzpräsentation, Zieldefinitionen und den Umgang mit Multiplikatoren, Mandanten und Mitabeitern nicht gelernt. Das Buch schließt diese Lücke und zeigt an hunderten von Beispielen, alphabetisch geordnet, wodurch Kommunikation zielgerichtet und effizient wird. Mehr als 30 namentlich genannte Anwälte berichten im Detail über eigene Erfahrungen mit diesen Methoden.

"Anwälte reden zu viel und fragen zu wenig"

LTO: Sind diese Erfahrungsberichte wirklich auf andere Kanzleien übertragbar? Busmann: Nun ja - die Erfahrungsberichte kommen aus Großkanzleien ebenso wie aus Boutiquen und aus Kleinkanzleien. Kein Anwalt wird sämtliche Tipps oder Erfahrungsberichte auf seine Kanzlei direkt übertragen können. Das Buch lädt daher schon im Vorwort ein zum modulhaften Lesen. Wer beim Interessantesten anfängt, wird über Fußnotenverweise zum nächsten für ihn wichtigen Thema geleitet. LTO: Was machen Anwälte in ihrer Kommunikation hauptsächlich falsch? Busmann: Mal abgesehen vom fehlenden Unternehmensziel, meinen Sie? Anwälte reden zu viel und fragen zu wenig. Dadurch wirken sie - gegen ihre Intention - oft selbstgefällig, unsicher oder arrogant. Sie produzieren Bandwurmsätze. Hauptsachen platzieren sie gern in Nebensätzen. Sie behaupten eigene Kompetenzen ganz allgemein, statt sie zu spezifizieren und quantifizieren. Nach innen delegieren und loben sie zu wenig und kritisieren zu destruktiv. Sie halten am Ende eines Mandates und am Ende eines Vortrags ihre Arbeit für beendet. Sie senden viel zu wenig Empathie mit der Situation des Probleminhabers. Sie halten ihr Fachwissen für ausreichend, um eine Reputation aufzubauen. Sie zaudern bei der Honorarinformation. Sie scheuen sich, aktiv neue Kundenkreise anzusprechen. Und wenn sie es tun, wirken sie zu ängstlich, zu rechtfertigend – und viel zu kompliziert. LTO: Sie glauben, dass man Akquise "lernen" kann? Busmann: Aber sicher! Akquise gelingt allerdings nicht durch anwaltliche Kompetenzen, sondern durch deren Kommunikation an den potenziellen Mandanten. Bei letzterem scheitern auch die besten Fachleute. Ich beobachte das während meiner Akquisetrainings seit mehr als 20 Jahren in Kanzleien jeder Größe und bekam die Idee zu dem Buch durch meine Kunden selbst, die immer alles "nachlesen" wollten (lacht).

"Wer sich verbiegt, kommt schräg an"

LTO: Welche Themen liegen Ihnen besonders am Herzen? Busmann: Persönlichkeit, Ziel und Empathie sind meiner Ansicht nach die mächtigsten Erfolgskomponenten in der anwaltlichen Akquise. Persönlichkeit soll heißen: Wer sich verbiegt, kommt schräg an. Akquise muss persönlichkeitsgemäß sein. Introvertierte Personen akquirieren meistens besser durch Veröffentlichungen und nutzenorientierte Newsletter, extrovertierte meist besser auf Bühnen aller Art. Plaudertaschen sind stark in der Telefonakquise, ruhigere Vertreter beeindrucken gewiss eher durch "leise" Bedarfsermittlungen und zurückhaltende Kompetenzbeweise. Inkongruenzen rächen sich umgehend. Eine Akquise ohne Ziel ist ein Klavier ohne Tasten! Mandanten suchen sich ihren Anwalt aus; akquisestarke Anwälte machen das umgekehrt. Sie segmentieren ihre Mandantschaft z.B. nach Branchen oder Rechtsgebieten und richten alle ihre Aktionen auf dieses Segment, bevor und damit der Wunschmandant das bemerkt. Segmentierung erleichtert und ermöglicht eine strukturierte Akquise. Empathie signalisiert ein akquisestarker Anwalt nicht nur durch momentanes Verständnis für den Mandanten und dessen Problem, sondern auch durch alltägliches Verhalten: Er gibt dem Mandanten, was dieser braucht, und nicht das, was in der Kanzlei zufällig herumliegt. Der Anwalt rezipiert seine eigenen Verhaltensweisen aus der Sicht des Mandanten. Klägliche anwaltliche Rückrufgewohnheiten, völlig ungenutzte "Cross-selling"-Potenziale und die fehlende Einbindung der Assistentin in das Akquiseteam gehören dann schnell der Vergangenheit an. LTO: Was sind Ihre Ziele, morgen und demnächst? Busmann: Wenn mein Buch eine furchtlose Umsetzungslust bei den Lesern sowie wilde Debatten über die Wirksamkeit der vorgestellten Tipps in meinem neu eingerichteten Akquiseblog in meiner Webseite auslöst, bin ich bereits glücklich. Ich freue mich außerdem darauf, ein Lernbuch für Jurastudenten zu schreiben. Johanna Busmann ist als selbständiger Coach spezialisiert auf die Beratung von Rechtsanwälten und Richtern. Sie doziert an verschiedenen juristischen Fakultäten. Ihr Buch "Chefsache Mandantenakquisition" ist im Dezember 2012 erschienen. Das Interview führte Markus Hartung, Bucerius Center on the Legal Profession.

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